Udo hat geschrieben:
Elizabeths erster Heiratsantrag. Von Mr. Collins. Der aber nicht erhört wird.
Also manchmal denke ich, Mr. Collins wird unterschätzt. Ich finde es schon bewundernswert, mit wie viel Beharrlichkeit und Überzeugungskraft er versucht, Elizabeth ein Ja abzuringen. Er ist offenkundig ein Mann mit gesundem Selbstbewusstsein. Und seine Analyse der Situation, in der sich Elizabeth befindet, ist im Grunde vollkommen richtig. Das hätte Charlotte ihr auch erklären können.
Was Elizabeth hier macht, ist hochgradig fahrlässig, unverantwortlich und ungezogen. Es muss ihr klar sein, wie wichtig es für die Familie ist, dass die Töchter verheiratet werden - und dann auch noch mit dem Erben von Longbourn! Das hat geradezu existenzielle Bedeutung für die Familie. Ungehorsam ist es zudem gegenüber ihrer Mutter, weil sie wissen muss, dass die die Ehe unbedingt will. Es ist sicher kein Zufall, dass manche Leser zu Austens Zeit regelrecht empört waren, wie frech sich Elizabeth hier verhält. Heute mag das ja modern wirken. Damals war das unverschämt.
Deine Ausführungen sind absolut richtig. Und dass dieses Verhalten damals bei vielen nicht gerade Begeisterungsstürme auslöste ist wohl klar. Wir hatten ja auch schon über Charlottes vernünftiges Verhalten im Vergleich zu Elizabeth diskutiert. (ist schon eine Weile her) Auf jeden Fall dürfte JA damit eine Diskussion ausgelöst haben, wie weit Rücksichtnahme und Gehorsam der Familie gegenüber gehen müssen.
Wir hatten ja auch schon darüber spekuliert, daß Collins zwar keine Zierde von Mann aber doch durchaus ertragbar ist. Die Frage ist doch meines Erachtens: Kann ich einen Mann erhören, den ich nicht Ernst nehmen und achten kann? Und muß ich das um der Anderen willen?
Was ist das für eine Mutter, die nicht nach den Neigungen ihrer Töchter geht, sie hätte ja auch Mary vorschlagen können, es sollte doch auch ihr ersichtlich gewesen sein, dass die Beiden am Besten zueinander gepasst hätten. Sicher hätte sie auch Mary dem guten Mr. Collins schmackhaft machen können. Der wollte ja eigentlich bloß überhaupt heiraten und musste in irgendeine Richtung ermuntert werden.
Erstaunlicherweise macht er sich ja erst dann Gedanken, ob seine Wahl richtig ist, als es fast zu spät ist (auch wenn das schon K. 20 ist, aber es passt mit hierher). Wenn man seine Begründungen fürs Heiraten hört, er macht sich schon Gedanken darüber, aber er versteht nicht wirklich seine Gedanken in annehmbare Form zu bringen.
Eine Predigt von ihm wäre sicher eine interessante Erfahrung
Zurück zur Frage, muss ich um der Familie willen einen heiraten, den ich nicht achten kann? Diese Frage musste sich damals sicher ab und zu jemand stellen, und nicht jede hatte einen Vater im Rücken der die Frage so wie Lizzy beantwortet hat. Unter der Berücksichtigung der Folgen, die Collins ja auch aufzeigt, hätte es ja auch eine ziemlich trostlose Zukunft werden können.
Glücklicherweise brauchte ich mir diese Frage nicht zu stellen, aber wenn man bedenkt, wie sehr schon Kleinigkeiten im täglichen Miteinander nerven können, kann ich mir nicht vorstellen eine "Witzfigur" ertragen zu müssen.
Übrigens ich finde nicht das er ein gesundes Selbstbewusstsein hat, eher ein Übersteigertes, seine Reaktion auf Elizabeths Antworten legen das nahe. Wenn er auf ein einziges Nein nicht reagiert, kann man das noch verstehen aber beständiges Ignorieren Anderer ist nicht wirklich mein Verständnis von gesundem Selbstbewusstsein.
Elanor