Amadea hat geschrieben:
Daraufhin erkennt auch Marianne: Mein Glück lag ihm nie am Herzen." So sehe ich das auch. Willoughby hätte Mariannes Qualen lindern können, denn er wusste, dass sie sehr litt. Doch daran hatte er keinerlei Interesse. Er war in London "eiskalt" zu ihr.
Nachdem er nicht nach ihrem Glück fragte, könnte man fast bezweifeln, dass er sie wirklich liebt(e). Möchte man nicht den anderen glücklich sehen und machen, glücklicher sogar als sich selbst? Möchte man dem anderen nicht am liebsten die Sterne vom Himmel holen (wenn es denn ginge)?
Die reine und echte Liebe kann es nicht sein. Oder? Wie seht ihr das?
Ich frage mich oft, wie kann jemand behaupten den anderen zu lieben und ihm z.B. aus Eifersucht, oder wegen einer Zurückweisung das Leben nehmen?Da ist auch die Eigenliebe größer, als die Liebe zum Gegenüber, so wie bei Willoughby.
Zitat:
Er war in London "eiskalt" zu ihr.
Ich weiss, es war hart, aber wir hörten, dass er selbst innerlich zerrissen war. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es Marianne geholfen hätte, wenn er bereits in London halbherzige Versuche einer Erklärung gestartet hätte. Mit Sicherheit brauchte Marianne genau dieses Verhalten, um zu erkennen wie er wirklich war, und dass sie sich in ihm getäuscht hatte. Übrigens hätte sie ihm, genauso wie ihre Mutter, im anderen Fall bedenkenlos verziehen und alles geglaubt, was immer er gesagt hätte. Er hatte doch immer Recht, auch wenn er über Brandon herzog! Sie hätte ihm auch geglaubt, dass es Eliza war, die sich an ihn ranschmiss und nicht umgekehrt.
Zumindest könnte man das aus bewußter Stelle herauslesen.Amadea hat geschrieben:
Beachtenswert finde ich, dass Willoughbys einnehmendes Wesen hier nochmals hervorgehoben wird: "Hätte Mrs. Dashwood wie ihre Tochter Willoughbys Geschichte von ihm selbst gehört, wäre sie Zeuge seiner Verzweiflung und unter dem unmittelbaren Eindruck seines Gesichtsausdrucks und seines Benehmens gewesen, dann wäre ihr Mitgefühl mit ihm wahrscheinlich größer gewesen."
Er muss also tatsächlich etwas sehr Anziehendes an sich haben, das einen in den Bann zieht und von dem das eigene Urteilsvermögen gegebenenfalls getrübt wird.
Oh sicher hat er etwas Anziehendes, wenn man für seinen/diesen Typ grundsätzlich empfänglich ist.
Interessanterweise lässt sich Elinor nicht so einfach "überrumpeln", sieht klar seine schlechten Seiten und gab ihm in der vergangenheit auch mal kontra, man könnte es fast Kritik nennen.
Und auch Sophia kennt ihn oder vielmehr seine schlechten Seiten scheinbar gut genug. Wußte sie etwa von seinen "Frauengeschichten" und war deshalb so hellhörig und aufmerksam, wenn es um weibliches in seiner Umgebung ging? Ich denke da zum Beispiel an das ungehörige " fremde Briefe lesen" ...
Es waren also nicht alle blind und bedenkenlos in seiner Gegenwart.
Typen wie Willoughby gibt es auch heute noch genug: sportlich, gut aussehend, stürmisch, humorvoll, großzügig, äusserlich stets gut gelaunt, mit diesem berühmten Zahnpasta-Lächeln. Der Typ also, dem die Frauen reihenweise erliegen und hinterherlaufen. Eben auch der typische Schwiegermuttertyp.
Ein Typ, der auf den ersten Blick wirkt, jedoch auf den zweiten nicht wirklich bestehen kann.
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Grüsse, Caro
Avatar: Amelia Darcy (1754-1784)
Für 1 Jahr säe einen Samen, für 10 Jahre pflanze einen Baum, für 100 Jahre erziehe einen Menschen. chin. Weisheit