So, gestern Abend habe ich mal meine erste Bildungslücke, bezüglich Shakespeare-Verfilmungen, mit Laurence Olivier's "Hamlet" geschlossen und war einfach nur enttäuscht davon.
Ich muss noch einräumen, dass die DVD die ich von einer Kollegin geliehen bekam, nur die deutsch synchronisierte Fassung enthielt, was natürlich bereits schon einen ziemlichen Noten Abzug zur Folge hatte. Aber bitte, ich hab mir dann meine deutsche Shakespeare Übersetzung geschnappt und fleissig mitgelesen. Ich wollte der Verfilmung wirklich jede erdenkliche Chance geben.
Auch liess ich mich nicht davon beirren, dass die lang gezogenen Kameraeinstellungen auf eine Burg, die von Rauch und Nebelschwaden nur so gestrotzt hat, viel Filmzeit beanspruchte die man mit Handlung hätte füllen können. Ich als alter "Film Noir" Liebhaber kann diesbezüglich einiges wegstecken.
Hatte dann auch Freude als Horatio, Marcellus und Bernardo das erstemal zusammen dem Geist begegnen, der durchaus für das damalige Publikum wahrscheinlich ganz schön erschreckend rübergekommen sein musste. Doch die Freude hielt nicht lange an.
Ich weiss nicht, aus welchem Grund Olivier darauf bestand mit seinem ohnehin bleichen und eher nichtssagenden Gesicht, eine blonde Perücke tragen zu müssen, während seine Mutter und auch sein Oheim dunkles Haar hatten.
Aber bitte, an solchen Details wollte ich den Film nicht aufhängen, also schaute ich tapfer weiter.
Doch dann kam der erste faux pas den ich weder für nötig erachtete, noch filmtechnisch verstehen konnte. Kaum dass sich der Saal leert, sehen wir plötzlich Laertes Verabschiedung nach Frankreich, was erst in der dritten Szene der Fall ist und erst danach der erste brühmte Monolog Hamlets, die "Trauerrede". Sehr schade, weil es die Stimmung, die eigentlich sehr gut eingefangen war im Königssaal, unnötig aufbrach mit der fröhlich gehaltenen Abschiedsrede des Laertes um danach fast künstlich wieder zur Melancholie eines sehr müde wirkenden Hamlet zurückzukehren.
Diese Sprünge wurden in der Verfilmung zur Gewohnheit. Ich werde sie nicht alle nennen. Aber aus meiner, natürlich vollkommen laienhaften Filmkenntnis, waren sie alle vollkommen überflüssig. But never mind.
Was ich aber wirklich der Verfilmung übel nehme sind zwei Dinge:
Erstens, die beiden veräterischen Freunde von Hamlet, Ronsenkrantz und Güldenstern, wurden vollkommen wegrationalisiert. Dabei sind sie ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte. Das Argument, dass man einen Kinofilm nicht auf drei Stunden ausdehnen kann lasse ich bei den stolzen 150 Film Minuten nur insofern gelten, als dass man die beiden ohne weiteres hätte thematisieren können, wenn dafür weniger langatmige Kameraeinstellungen in und rund um das Schloss gemacht worden wären.
Zweitens, Olivier kam während der ganzen Verfilmung nicht über einen einzigen Gesichtsausdruck hinaus, ausser beim "Spiel im Spiel" als er die Schauspieltruppe bei sich begrüsst und später, als er seinen Oheim beim Beten umbringen will, sich dann aber aus bekannten Gründen dagegen entscheidet. Da hat er doch tatsächlich einen Anflug von Grimm auf seinen ebenmässigen Zügen. Kam mir fast vor, wie das letzte kurze aufflackern von Leben in einem Sterbenden, bevor er gänzlich das Zeitliche segnet.
Nichts von der Dynamik eines jungen Mannes, der innerlich von Selbstzerwürfnis und schierem Wahnsinn (wenigstens gespielten Wahnsinn) fast zerrissen wird. Nein, nur ein tiefer See von der schwärzester Melanchlolie eines alten Greisen - schrecklich.
Ausserdem enthielt diese Interpretation des Textes keinen Funken Ironie oder Humor wie sie Shakespeare durchaus im Sinn hatte. Selbst Polonius andauernde Vergesslichkeit und Hang zu umständlichen Wortspielen, wo er mittendrin andauernd den Faden verliert, wurde hier bar jeder Komik umgesetzt - im Gegenteil, man war beinahe versucht den armen Mann von Herzen zu bemitleiden was wohl kaum Shakespeares Absicht gewesen sein dürfte.
Ich werde mir nächstens nun Kenneth Branagh's Hamlet noch ansehen. Bin sehr gespannt wie der auf mich wirken wird nach allem was ich darüber schon an positiven Kritiken lesen durfte. Aber ich fürchte, trotzallem wird für mich Shakespeare immer der Bühne gehören, deren Magie und Charme eben mit nichts vergleichbar ist.