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BeitragVerfasst: Samstag 31. Dezember 2005, 16:40 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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^der name ist ja schon mehrfach hier aufgetaucht und diskussionsbereitschaft hab ich auch schon gespürt. nachdem ich diesen artikel gefunden habe, dachte ich, es wird vielleicht zeit für einen entsprechenden thread:

A Feminist Connection: Jane Austen and Mary Wollstonecraft

es steht was zu der frage drin, ob jane mit mary wollestonecraft's arbeit überhaupt vertraut war:

Zitat:
Austen biographer Claire Tomalin offers some convincing biographical evidence that Austen is likely to have known of Mary Wollstonecraft and her work. She notes that Sir William East, the father of one of George Austen’s former pupils, was a benefactor of Wollstonecraft. Furthermore, Sir William was a neighbor and friend to Austen’s uncle, James Leigh-Perrot. After Wollstonecraft attempted suicide in 1796, Sir William was credited with being particularly kind to her during her recovery. While this does not specifically link Austen and Wollstonecraft, it makes it plausible that the Austen family knew of Wollstonecraft and her ideas


die parallelen auf einen satz gebracht:

Zitat:
A close reading of Austen’s work reveals that she, like Wollstonecraft, was very aware of marriage as an economic institution. She also cared passionately about the two issues at the core of Wollstonecraft’s work: the concept that women are rational creatures and the belief that, in order for women to fulfill their potential as human beings, they must learn how to think for themselves.


wem das zu kämpferisch oder radikal ist, das hier zur beruhigung :wink: :

Zitat:
Jane Austen probably made a mental note to stay away from partisan politics and to keep her thoughts about Wollstonecraft to herself. Thanks to her skills as a writer, her balancing act worked. She managed to infuse her books with a Wollstonecraft-like feminist critique that is less politically charged but just as potent.


aber auch der rest des artikels ist sehr lesenswert. vorallem bzgl. "free indirect discourse", eine erzähltechnik, die sie in die literatur eingeführt, quasi "erfunden" hat und was diese für eine bedeutung in ihrem werk hat.


Zuletzt geändert von Julia am Montag 2. Januar 2006, 20:40, insgesamt 1-mal geändert.

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Verfasst: Samstag 31. Dezember 2005, 16:40 


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BeitragVerfasst: Sonntag 1. Januar 2006, 19:20 
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Archivarius

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Hallo Julia,

ja ja, der Diskussionsbedarf… :ja: Ich hab leider bisher noch keinen solchen Bedarf verspürt... :nein: Nicht ohne Grund wird sie seltener gelesen als zitiert... ;D Nun ja... :rolleyes:

Der Artikel auf der JASNA-Website ist sehr nett, aber eigentlich sagt er nichts aus, außer das, was wir schon hatten: Der Verwandte eines Schülers von Jane Austens Vater war bekannt mit einem, der Mary Wollstonecraft kannte... Na ja... wie Claire Tomalin selbst sagte: Das beweist so gut wie nichts...

Ob Jane Austen die Ansichten Mary Wollstonecraft kannte, wissen wir also nicht... dass sie sie teilte, können wir jedoch getrost verneinen: Jane Austen hatte andere Vorstellungen vom Zusammenleben der Männer und Frauen, und sicher völlig verschiedene Vorstellungen davon, wie eine Frau leben sollte... Die Lebensverhältnisse und Biografien der beiden Frauen waren so unterschiedlich wie sie nur sein konnten, wenn man mal das Leben der Frauen der Unterschicht ausklammert...

Außer der möglichen Bekanntschaft über drei Ecken gibt es, wie die Autorin ganz richtig sagt, nix was einen Einfluss Mary Wollstonecrafts auf Jane Austen belegen könnte... (Dagegen gibt es einen Brief an Cassandra, in dem sich Jane Austen abfällig über William Godwin und seine Anhänger äußert, wie wir schon andernorts erwähnten.)

Auf die Idee, dass Menschen vernünftige Lebewesen sind, die ihr Leben auf vernünftige Art vollenden sollen, kamen vor Wollstonecraft schon andere, und dass auch die meisten Frauen irgendwie zu den Menschen zählen, war bei einigen gebildeten Menschen der damaligen Zeit auch schon bekannt... Ob Jane Austen diese Idee eines vernunftgesteuerten Lebens nun bei Mary Wollstonecraft fand oder von Locke, Pope und Johnson übernahm, sei mal dahingestellt...

Dass in Jane Austens Romanen die Frauen als mittelbar oder unmittelbar zu kurz gekommene oder vom anderen Geschlecht besonders unterdrückt werdende dargestellt werden, kann man ebenfalls nicht beweisen... Über die „Institution Ehe“ haben sich damals vor und nach Wollstonecraft andere Autoren geäußert: dass z.B. „eine arrangierte Ehe“ eine „Art von Prostitution“ sei, hatte Henry Fielding bereits 40 Jahre vor Mary Wollstonecrafts „Verteidigung der Rechte ...“ einen seiner Charaktere in „Tom Jones“ in den Mund gelegt...

Vielleicht hatte Jane Austen dann wenigstens gewisse Vorstellungen mit Mary Wollstonecraft gemeinsam, die Berufstätigkeit von Frauen betreffend? Jane Austen hätte sicher gerne als freischaffende Schriftstellerin gearbeitet und auch u.U. davon leben wollen (wenn ihre „Frauenrolle“ als Angehörige der Gentry ihr diese Idee nicht als zu abwegig erscheinen ließ)... Aber sie hat genauso sorgfältig versucht, ihre Identität als Autorin vor der Öffentlichkeit zu verschleiern...

Bruki

PS: FID... Ui, ich wette, die studierten Linguisten in aller Welt schreiben darüber bestimmt lange gelehrte Abhandlungen...

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BeitragVerfasst: Sonntag 1. Januar 2006, 23:53 
Interessant, das zu lesen. Wenn JA und Wollstonecroft Zeitgenossen waren, dann hat JA zumindest in der Zeitung mal kürzere oder längere Artikel über Wollstonecroft gelesen. Das hat JA möglicherweise zum Schreiben ermuntert. Das heißt ja nicht, dass JA so radikal sein musste wie Wollstonecraft (was sie auch nicht war).

Aha, Butler schrieb in "Jane Austen and the War of Ideas" dass JA eine stillschweigende Befürworterin der herrschenden gesellschaftlichen Ordnung war. Das glaube ich, wie es da steht.

Weiter habe ich in dem Artikel nicht gelesen, denn das Hin- und Herhüpfen zwischen Board, Artikel und LEO hat meine Notizen im Posting gelöscht. *schmoll*


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BeitragVerfasst: Montag 2. Januar 2006, 10:55 
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Archivarius

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Hazel hat geschrieben:
... Wenn JA und Wollstonecroft Zeitgenossen waren, dann hat JA zumindest in der Zeitung mal kürzere oder längere Artikel über Wollstonecroft gelesen. Das hat JA möglicherweise zum Schreiben ermuntert. Das heißt ja nicht, dass JA so radikal sein musste wie Wollstonecraft (was sie auch nicht war). ...


Intressante Idee. Ich les ja gerade Sam. Johnsons Leben von Boswell und man ist immer wieder erstaunt, wenn man feststellt, dass damals einfach jeder jeden persönlich kannte, der im öffentlichen Leben Londons eine Rolle spielte... Leute wie Boswell haben es sich geradezu als Lebensaufgabe gesehen, mit allen Leuten bekannt zu werden, die etwas zu sagen oder zu schreiben hatten... Also suchte Boswell mittels gemeinsamer Bekannter und Einladungen zum Essen mit allen möglichen Geistesgrößen oder Politikern Bekanntschft zu machen. Wahrscheinlich war das damnals, da es kein Fernsehen oder Radio gab, die einzige Methode... In der Entourage Johnsons, der auch sehr gesellig war, gab es auch einige Frauen, u.a. Mrs. Montague und diverse Misses... z.B. auch Miss Fanny Burney, die Romanautorin...

Aber die Zeitungen waren damals eher Instrumente, um politische Meinungen zu transportieren und waren auch sehr polemisch... Ich glaub deshalb nicht daran, dass die Austens ein Oppositionsblatt lasen, eher werden sie sich mit den regierungsfreundlichen Veröffentlichungen befasst haben und darin wurden die damaligen "Revoluzzer" wie Godwin und "Whiggisten" wie Fox eher heruntergemacht...

Ob Wollstonecraft Jane Austen zu ihren Werken inspiriert hat, glaube ich eher nicht. Grawe hat sich in seiner Austen-Biografie mit den möglichen Quellen ihrer Inspiration ausführlicher befasst und fand keine Wollstonecraft darunter...

Wobei noch zu bemerken ist, dass Wollstonecraft keine bleibenden literatischen Werke hinterlassen hat (ihr einziger(?) Roman soll eher von schlechter Qualität gewesen sein, weil sie der Methoden des belletristischen Schreibens nicht so recht mächtig sein sollte? ... was ich aber nicht genau weiß, da müsste man mal nachforschen...) und ihre "Verteidigung der Rechte..." ist dermaßen schwer zu lesen wegen der endlosen Wiederholungen und ihres immer wieder Umdenheißentellerherumgeredes ehe sie mal zur Sache kam... Die 400 Seiten kann man wirklich nicht mit Vergnügen lesen wie z.B. die Essays von Pope, Fielding, Goldsmith oder Adison...

Bruki

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BeitragVerfasst: Montag 2. Januar 2006, 11:01 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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Hazel hat geschrieben:
Wenn JA und Wollstonecroft Zeitgenossen waren, dann hat JA zumindest in der Zeitung mal kürzere oder längere Artikel über Wollstonecroft gelesen. Das hat JA möglicherweise zum Schreiben ermuntert. Das heißt ja nicht, dass JA so radikal sein musste wie Wollstonecraft (was sie auch nicht war).


das denke ich auch. man interessiert sich für vieles, diskutiert über vieles, was man vielleicht nicht befürwortet, aber was einen doch irgendwie beschäftigt. man muss ja nicht gleich ein fan von mary wollestonecraft sein und sich blaue socken anziehen, nur weil man einige ihrer argumente befürwortet.
und das hat jane austen meinem eindruck nach schon getan - auch wenn das, was sie in ihren romanen möglicherweise von mary wollestonecraft übernommen hat auch genausogut woanders her stammen kann, wie bruki schon sagte.
zum glück gibt es ja mehr als nur die zwei schubladen "befürworterin" und "gegnerin", ich bin sicher, jane austen war in einer der vielen dazwischen. dass sie ein ruhiges, zurückgezogenes leben geführt hat beweist in meinen augen gar nichts. es entsprach nicht ihrer lebenseinstellung, sich politisch oder gesellschaftlich einzumischen - das heißt nicht, dass sie diese themen nicht interessiert haben.
zumindest kann ich mir kaum vorstellen, dass jemand, der aus einer intellektuellen oder wenigstens geistig und literarisch angeregten familie stammt, so brav und unbeteiligt ist, wie es vielleicht nach außen hin wirkt.

und bezüglich FID - lese ich da etwas spott heraus, bruki? sicher muss man meine begeisterung darüber nicht teilen, aber schon als ich das erste mal darauf aufmerksam wurde, hat mir das richtig die augen geöffnet. es mag im rückblick vielleicht verstaubt und verknöchert wirken, aber für die damalige zeit war es revolutionär. für die literaturgeschichte ist es das auf jeden fall.


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BeitragVerfasst: Montag 2. Januar 2006, 14:41 
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Archivarius

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Hallo Julia,

ok, jetzt kommen wir zur Sache: ich behaupte, Mary Wollstonecraft hatte keinen direkten Einfluss auf Jane Austens Werke. Du siehst das scheinbar anders... und hast offenbar auch schon intensiv darüber nachgedacht... Also, leg mal los und erläutere, welchen Einfluss Mary auf Jane hatte. Wo in ihren Romane - und meinetwegen auch Briefen - findet mal solche Beziehungen? Da bin ich jetzt mal gespannt...

Bruki

PS: Ja schon etwas Ironie solllte dabei sein: Ich kann nicht erkennen, was an der Konstruktion "Mary hat ein weißes Lamm, dachte Edison." so fundamental bedeutsam sein sollte... :cool: (Na ja, womit ich nun nicht sagen will, dass die von mir verehrten "Group policies" allen Nichtconmputerfans das Höschen wegfliegen lassen muss... :rolleyes:)

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BeitragVerfasst: Montag 2. Januar 2006, 15:14 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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ich lass michlieber nicht dazu hinreißen, irgendwas zu behaupten, von dem ich keine ahnung habe. ich meine lediglich, dass der oben verlinkte artikel für mich sehr plausibel klingt und ich nicht nachvollziehen kann, wie man den einfluss einer person, die gesellschaftlich soviel aufgerührt hat auf eine andere denkende und an ähnlichen themen interessierte person so rundweg ausschließen kann.
das halte ich für noch unwahrscheinlicher, als dass jane austen heimlich mit mary wollestonecraft briefkontakt pflegte und ihr die entscheidenden argumente selbst lieferte. :wink:

du fragst nach beispielen. in diesem zusammenhang wird in allen artikeln zu dem thema immer besonders "mansfield park" zitiert und ich hab das ja damals beim group read auch schon in die runde geworfen.
die grundlage kann man dieser sichtweise zumindest nicht absprechen, oder?

ich vergleiche jane austens werke einfach mit denen ihrer zeitgenossen besonders den weiblichen schriftstellerinnen und stelle fest, dass ihr die geistige und finanzielle unabhängigkeit ihrer heldinnen ein großes anliegen war. ebenso betont sie immerwieder die wichtigkeit einer gleichberechtigten, von gegenseitigem respekt geprägten beziehung zwischen (ehe)mann und (ehe)frau, ja es ist sogar eine selbstverständlichkeit für das glück ihrer hauptfiguren. alle anderen personen in den romanen sind mehr oder weniger unvorteilhaft beziehungen eingegangen und wir sehen, wie sie darunter leiden und wie sehr es ihre schlechten charaktereigenschaften fördert.
alle heldinnen treffen die entscheidung über ihren ehepartner völlig selbständig und eigenwillig obwohl ihre finanzielle zukunft sehr unsicher ist - bestes beispiel dafür ist wohl elisabeth bennet.

jane austen selbst hat privat nie einen hehl daraus gemacht, dass sie ihre bücher nicht nur zum spaß und zum zeitvertreib schreibt, sondern geld und anerkennung damit verdienen will. folglich wird sie sich kaum in dem von ihrer gesellschaftsschicht gepflegten ideal der gehorsamen, sittsam schweigenden, nicht allzu gebildeten ehefrau und mutter wiedergefunden haben. sicher auch ein grund dafür, dass sie nie geheiratet hat. lukrative angebote hätte es gegeben.

das alles ist nicht radikal-feministisch und muss auch nicht so gesehen werden. genauso wie mary wollestonecraft's schriften (ihre lebensgeschichte lass ich mal außen vor) wirklich eher moderat waren und kaum über das oben beschriebene hinausgingen.


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BeitragVerfasst: Montag 2. Januar 2006, 20:03 
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Archivarius

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... na denn mal los: Was in MP war denn von MW bestimmt worden? Ich hätte gedacht, Du versuchst es mit Emma oder mit einigen der Minorcharakteren bei Austen... aber MP finde ich geradezu spannend, weil ich MP für das beste Beispiel dafür halte, dass JA nicht von MWs Ansichten geleitet wurde... (Ich hoffe, Du spielst mit dem Verweis auf MP auch nicht auf Mary Crawford an, die ja höchstens als negatives Beispiel für eine "ideale" Frau im Sinne MW dienen könnte?!)

Bruki

PS: Hehe, heimlicher Briefwechsel? Werden wir jetzt ironisch? oder verlassen wir den Boden der Wahrscheinlichkeit? :juggle:

PPS: Die These von der geistigen und finanziellen "Unabhängigkeit" der Austenschen Heldinnen wird ja in dem von Dir anfangs verlinkten Artikel aufgeworfen. Aber was soll das bedeuten? Ist Jane Austen nicht gerade das Beispiel dafür dass "Junge Damen" nicht nach ökonomischer Selbsständigkeit strebten, sondern durch die Bank nach einer Versorgungsehe? ... Ich will jetzt nicht einige auf die Palme bringen, aber das Thema der ökonomischen Selbstständigkeit (nämlich sich durch eigene Arbeit zu erhalten) und dem daraus zu ziehenden Selbstbewusstsein ist mir erstmalig bei den Brontes untergekommen ... und die Idee, dass Mary Bennet oder eine andere ihrer Haupt- oder Nebenheldinnen sich mit einer Schulleiterkarriere ein eigenständiges Leben schaffen könnte, lag unserer Lady noch völlig außerhalb der Betrachtung... Die Bauchschmerzen, die Jane Faifax anfielen, als eine Gouvernantentätigkeit dräute und sie zu einem Vergleich dieser "Arbeit" mit "Sklaverei" verführte - anstatt daraus eine Art Stolz zu beziehen, dass sie in der Lage wäre, ihren Unterhalt mit eigener Arbeit zu bestreiten - mal dahingestellt...

PPPS: Dazu noch ein Beispiel: Wie Du ja weißt, war Sophia Western ebenfalls nicht in der Lage ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, aber der drohenden Ehe mit einem ungeliebten Mann versuchte sie durch eine kühne Tat zu entgehen... War das nun auch von MW beeinflusst worden? :wink: (Naja, ein blödes Beispiel!)

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BeitragVerfasst: Montag 2. Januar 2006, 20:37 
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eine gouvernanten-tätigkeit bedeutete damals ganz und gar nicht "ökonomische unabhängigkeit". jane eyre bekommt bei charlotte bronte 50 pfund im jahr, kost und logis zusätzlich. ich wüsste nicht, wie da unabhängigkeit zu machen wäre. :roll:
eine möglichkeit des geldverdienens UND einer gesellschaftlich respektablen stellung gab es in der damaligen zeit für keine frau, warum sollte jane austen für ihre heldinnen also eine "erfinden"?
zumindest emma woodhouse und anne elliot sind keine versorgungsehen eingegangen, denn beide waren mehr oder weniger reiche erbinnen. (anne vielleicht weniger, aber ihre situation wird auch nicht als finanziell ausweglos geschildert... wenn ich da an "sense and sensebility" denke. da gehts ja ständig um geld. da passt dein argument bestimmt.).

bezüglich "mansfield park" hatte ich eher fanny im sinn, die sich in einer unsicheren und äußerst abhängigen situation befindet und trotzdem henry crawfords antrag ablehnt. obwohl so ziemlich alle ihr dazu raten, sogar edmund und bis zu einem gewissen punkt auch ihr eigener bruder.
außerdem wird gerade in mansfield park immerwieder die besondere beziehung zwischen fanny und ihrem bruder beschworen. nur bei ihm, kann sie "sie selbst" sein, offen sprechen und denken. ich habe das zumindest als sehr deutlichen hinweis darauf empfunden, welche art des zwischenmenschlichen umgangs jane austen am höchsten einschätzt.
nunja und über die parallelen in mansfield park zum sklavenhandel und zur "abolition" haben wir ja an entsprechender stelle auch schon gesprochen.die frauenbewegung entwickelte sich aus dieser stimmung heraus, hast du uns da nicht sogar drauf aufmerksam gemacht?? muss ich nochmal nachlesen...

wenn du die "vindications" gelesen hast, ist dir bestimmt noch in erinnerung, dass ein hauptaugenmerk auf die gleichwertige bildung von mädchen und jungen gelegt wurde. jane austen macht sich gnadenlos lustig über ungebildete frauen und in "emma" greift sie das damalige "schulsystem" sogar direkt an. erst in ihrem sarkasmus über mrs goddards etablissement und dann das lebende beispielergebnis harriet smith. süß, unschuldig, naiv - in emmas augen die perfekte frau und der wohlverdiente preis für jeden gutsituierten gentleman.


Zuletzt geändert von Julia am Montag 2. Januar 2006, 21:08, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Montag 2. Januar 2006, 20:54 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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Bruki hat geschrieben:
Ja schon etwas Ironie solllte dabei sein: Ich kann nicht erkennen, was an der Konstruktion "Mary hat ein weißes Lamm, dachte Edison." so fundamental bedeutsam sein sollte... :cool:


das seh ich jetzt erst. dein beispiel ist alles, aber kein beispiel für "free indirect discourse". dieser bedeutet, dass der leser die "ungefilterten" gedanken einer oder mehrerer hauptpersonen zu hören bekommt, so ungefiltert, das die grenze zwischen "erzähler" und "charakter" verschwimmt. ich finde es zumindest in unserem zusammenhang nicht ganz unwesentlich, dass jane austen scheinbar die erste in der englischen literatur war, die ihren weiblichen(!) heldinnen vom erzähler unabhängige persönliche gedanken zugestand, ja der erzähler sogar teilweise in den hintergrund tritt. richtig durchgesetzt hat sich das übrigens erst hundert jahre später mit virginia woolf und james joyce - "stream of conciousness" ist vielleicht ein begriff. (in deutschland war fontane da schon etwas schneller)

von wikipedia:

"Free Indirect Speech (or Free Indirect Discourse) is a style of narrating in the third person that uses syntactic and lexical features of the first person. Such passages are often ambiguous as to whether they convey the views of the narrator or of the character the narrator is describing."

aus dem oben erwähnten artikel:

Zitat:
The technique enabled Austen to portray her heroines maintaining the public appearance of propriety while privately evaluating the true nature of a situation, a clear mark of a thinking person. Thus, through free indirect discourse that we learn that Fanny Price is no dummy.


"emma" ist ein paradebeispiel dafür.


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BeitragVerfasst: Montag 2. Januar 2006, 21:19 
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Archivarius

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Das hier ist aus dem Vorwort zu meiner Ausgabe von „Verteidigung der Rechte ...“:

Die Schrift wurde noch im Jahre 1792 in die französische Sprache übersetzt und in den beiden folgenden Jahren in einer deutschen Übersetzung von dem bekannten deutschen Pädagogen Christian Gotthilf Salzmann in Schnepfenthal bei Gotha herausgegeben!
Während der folgenden Jahrzehnte war Mary Wollstonecraft nahezu vergessen. Sie war der konservativen Gesellschaft zu fortschrittlich, wurde abgetan als eine Person, die willentlich gegen die Gesetze der Gesellschaft verstoßen hatte. Das rasch gefällte vernichtende Urteil des alten Horace Walpole, eines geistreichen und witzigen Brief- und Memoirenschreibers Englands im 18. Jahrhundert, über die »hyena in petticoats« und die Weigerung Hannah Mores, das Werk Mary Wollstonecrafts auch nur zu lesen, eröffneten den Reigen der zunächst zwar vernichtenden, aber letztendlich doch vergeblichen Attacken. Hannah More war durch ihre Arbeiten zu moralischen und religiösen Fragen der Mädchenbildung berühmt geworden; und ihre Meinung hatte in der Öffentlichkeit Einfluß.
Erst 1840 werden Auszüge aus MW wieder in einem Werk von Flora Tristan zitiert, die „1840 nach unserer Kenntnis erstmalig Mary Wollstonecrafts Namen wieder publizierte und sie so vier Jahrzehnte nach ihrem Tod der Vergessenheit entriss“.

Schau mal auf diese Buchbesprechung, die ich zu Hannah Moore (1745-1833) im Internet fand:
Ford, Charles Howard: Hannah More: a critical biography. - New York [u.a.]: Lang, 1996
... Sie war eine Vielschreiberin und einflussreiche Schriftstellerin ihrer Zeit. Obgleich eine Anti-Heldin für die meisten Feministinnen, formulierte sie in ihrer konventionellen Schreibart feministisches Gedankengut. Ihre weiblichen Protagonistinnen sind alle Ladies, wie sie selbst, nichtsdestoweniger entsprachen sie nicht immer den traditionellen Weiblichkeitsidealen. Die Studie deckt die Geheimnisse von Mores Erfolg auf: die Präsentation von feministischen und anderen subversiven Ideen in politisch akzeptabler Manier.

Wenn ich mir das mit Hannah Moore so ansehe, scheinen mir da einige Parallelen zu Jane Austen möglich zu sein... :cool:

Bruki

PS: FID - ich versteh das trotzdem nicht so recht, was das FID ist. Gibt es diese Konstruktion überhaupt auf deutsch? Kannst Du mal ein paar Beispiele - meinetwegen auch von Fontane - dafür posten? :ja: - NB: Ich hab mal gelesen, dass Fielding den allwissenden Erzähler "erfunden" haben soll... Aber das FID ist mir neu...

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BeitragVerfasst: Montag 2. Januar 2006, 21:41 
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^ach, hannah moore... na also... glaubst du's jetzt?? :wink:

Auf einer Fachseite habe ich übrigens gerade gelesen, dass Henry Fielding und auch Ann Radcliffe(!) in Ansätzen auch schon FID benutzt haben, wenn wohl auch nicht so sehr als Stilmittel wie Jane Austen.

Die deutsche Entsprechung ist "Erlebte Rede", wurde aber erst Jahrzehnte später in Deutschland durch Flaubert's Werke bekannt.
Wikipedia sagt: Die Erlebte Rede ist ein episches Stilmittel, das zwischen direkter und indirekter Rede, zwischen Selbstgespräch und Bericht steht: Gedanken oder Bewusstseinsinhalte einer bestimmten Person werden - statt in direkter Rede oder im Konjunktiv der indirekten Rede - im Indikativ der 3. Person (...) ausgedrückt.

Beispiel:

Der Konsul ging (...) umher. Er hatte keine Zeit. Er war bei Gott überhäuft. Sie sollte sich gedulden.
(aus den "Buddenbrooks" von Thomas Mann)

Die Gedanken stehen weder in Anführungszeichen, noch steht "dachte er" dahinter, noch "er fand, er habe keine Zeit und sie solle sich gedulden" Die Gedanken der Person sind somit erzähltechnisch gleichwertig mit der Schilderung der Handlung durch den Erzähler.

In "Emma" wird das exzessiv genutzt um den Leser auf eine falsche Fährte zu führen. Wir sehen das Geschehen durch Emmas Augen und nicht durch das des Erzählers - werden durch ihre Gedanken und Interpretationen also mit fehlgeleitet.

Hier ist es anhand einer Passage aus "Persuasion" erklärt.

Ich hoffe, es ist jetzt ein bißchen verständlicher.


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BeitragVerfasst: Montag 2. Januar 2006, 22:12 
Das mit der "erlebten Rede" ist interessant. Habe gar nicht bemerkt, dass sie in "Emma" verwendet wurde.


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BeitragVerfasst: Dienstag 3. Januar 2006, 10:32 
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Julia hat geschrieben:
^ach, hannah moore... na also... glaubst du's jetzt?? :wink: ...


ha ha, Hannah More... Was soll ich glauben? :gruebel: :help: - Hannah Moore ist ja nicht Jane Austen? oder? :P

Und wie die oben zitierte Buchbesprechung suggeriert, hat man den geheimen subversiven Charakter der Werke Mores scheinbar auch erst nach fast 200 Jahren entdeckt... wahrscheinlich mittels jahrelanger intensiver Forschung? :eek:

Bruki

PS: Jane Austen hat den trocken-pedantisch-lehrhaften Stil dieser Hannah More übrigens in einem ihrer Juvenilia als "Beispiel für eine fromme, aber langweilige Lektüre" verspottet... sagt Grosvenor Myer in ihrer Jane-Austen-Biografie... :D

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BeitragVerfasst: Dienstag 3. Januar 2006, 23:49 
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Bruki hat geschrieben:
Julia hat geschrieben:
^ach, hannah moore... na also... glaubst du's jetzt?? :wink: ...


ha ha, Hannah More... Was soll ich glauben? :gruebel: :help: - Hannah Moore ist ja nicht Jane Austen? oder? :P


nein, aber diese von dir zitierten sätze könnten auch aus einem text über jane austen stammen, meine ich.


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BeitragVerfasst: Mittwoch 4. Januar 2006, 12:35 
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Julia hat geschrieben:
... aber diese von dir zitierten sätze könnten auch aus einem text über jane austen stammen, meine ich.


Hallo Julia,

na klar, könnten sie, Papier ist geduldig und Unsinn wird mehr als genug geschrieben... Abenteuerliche Thesen kann jeder phantasiebegabte Schreiberling aufstellen... ;D

Ich vermute, solche Thesen werden vor allem um den Absatz zu fördern (oder um ein bestimmtes wissenschaftliches Clientel zu bedienen) geschrieben. Aber wo bleiben die Beweise für die Behauptungen? - Ja, gut die Autoren müssten eben noch 10 Jahre Stipendien und Fördermittel kassieren, um in Ruhe an ihren "bahnbrechenden" Entdeckungen forschen zu können... :wink: und nach 20 Jahren kann man seine Thesen dann gegenseitig zitieren und schon hat man die handfeste Grundlage für eine Professur zusammen... :rolleyes:

Ich ordne solche "bahnbrechenden Erkenntnisse" in die Schublade ein, in der ich auch die "Entdeckung" der Bilder von Raumschiffen in mexikanischen Pyramiden oder die "sensationelle Voraussage" der 9-11-Anschläge in Nostradamos Kritzeleien stecke...

Bruki

PS: Kommt es Dir nicht komisch vor, dass man erst 200 Jahre nach der Veröffentlichung der Bücher Hannah Mores deren "revolutionären" Gehalt endeckte? Nicht mal so qualifizierte zeitgenössische Leserinnen wie Jane Austen kamen zu Lebzeiten der Autorin auf den subersiven Subtext in deren Schriften... Jane Austen empfand sie als "fromm und langweilig"...

Wir sollten vermeiden unsere heutige Weltsicht auf die Autoren der Regency-Zeit übertragen... Sonst kommen nur solche oben zitierten "femministischen" Fehleinschätzungen dabei heraus... :juggle:

Also nochmal: Wo sind die Beweise im Werk Jane Austens oder in ihren Briefen?

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Archivarius

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Hallo Julia,

ein paar Anmerkungen zu Deinem obigen Posting:

1. Gouvernanten-Tätigkeit bedeutet sehr wohl „ökonomische Unabhängigkeit“: Das war damals sogar die einzige Möglichkeit für eine Angehörige der Gentry sich einen angemessenen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Ansonsten gab es schon eine Menge Tätigkeiten für Frauen in der damaligen Zeit... Wenn man mal von der aufkommenden Industrialisierung absieht, die den Frauen erstmalig massenhaft Berufslaufbahnen eröffnete, die von Ehe und Familie unabhängig ausgeübt werden konnten... MW war z.B. Gouvernante, leitete zeitweilig ihre eigene Schule... Weibliche Bedienstete in den Haushalt waren üblich, aber nicht „gesellschaftlich“ anerkannt. Der Londoner Verlag, in dem James Gillray seine Karikaturen veröffentlichen ließ, wurde z.B. von einer Frau geleitet... Es gab einige Schriftstellerinnen, deren Ansehen in der Gesellschaft sich gerade zu verbessern schien, so dass Jane Austen sicher eines Tages in den Salons Londons herumgereicht worden wäre, wie andere ihrer Zeitgenossinnen und Nachfolgerinnen... wenn sie nicht so früh gestorben wäre... :nein:

2. 50 Pfund pro Jahr waren damals ein mehr als akzeptables Gehalt. Du darfst dabei nicht den Wert der heutigen Pfund ansetzen... Damals waren 50 Pfund ca. das 10fache des Einkommens einer Köchin oder das 50 fache des Jahresgehaltes eines Hausdieners. 50 Pfund waren das Geld, dass auch die Bennet-Schwestern nach dem Ableben Mr. Bennets bekommen hätten – allerdings ohne dafür arbeiten zu müssen. Ich denke LeFaye hat mal den Umrechnungsfaktor 250 für JA-Pfund in heutige Euro angesetzt: Also, würde eine Gouvernante so ca. 12.500 Euro bekommen, bei freier Kost und Logis kein so schlechtes Einkommen, scheint mir... Die „armen“ Dashwoods hatten 500 Pfund pro Jahr... Also, auch die waren nicht „ärmlich“ (aber das habe ich anderswo schon mal ausführlicher ausgebreitet). Mit 50 Pfund im Jahr konnte eine junge Frau damals sehr wohl „unabhängig“ Leben. Viele junge Mädchen mussten damals mit einem jährlichen Einkommen von 1 Pfund oder weniger auskommen... Aber der Punkt ist nicht die Höhe des Einkommens, sondern, dass es mit eigener Arbeit verdient wurde: Das war für MW ein Kriterium für die Unabhängigkeit einer jungen Frau: ein eigenes Einkommen.

3. Was bedeutet die Ablehnung eines Antrages in MP? Welche Parallele kannst Du damit zu MW ziehen? Die Ablehnung einer „Versorgungsehe“ zugunsten einer Liebesheirat (und der anschließenden Versorgung durch den geliebten Ehemann) hat doch nicht unbedingt etwas mit der These MW zu tun, dass eine Frau sich selbst zu versorgen in der Lage und nicht vom Geld des Mannes abhängig sein sollte (2. Beispiel bei JA: Elizabeth Bennet und Mr. Collins :wink:).

4. Das besondere Verhältnis von Fanny und ihrem Bruder? Du meinst jetzt William, oder? Was hat das mit MW zu tun? Wo hat MW die „brüderliche“ Liebe beschworen? :eek:

5. Die Abolitionisten waren eine Volksbewegung in England, die auf breiter Basis der Gentry, aber insbesondere der klerikalen Kreise und der diversen intellektuellen Zirkeln beruhte... und die eine immense öffentliche Wirkung entfaltete... Man stelle sich diese Bewegung so vor, wie heute die sogenannten „Bürgerbewegungen“ (vielleicht so wie „Greenpeace“ oder die „Eine-Welt“-Gruppen). Es deutet nicht unbedingt auf eine besondere Beziehung zu den Anschauungen MWs hin, wenn Jane Austen – was im übrigen nicht bewiesen werden konnte, da JA sich dazu nie explizit äußert – die Sklaverei ablehnt...

6. In Emma könnte man ja eher darauf verfallen, anzunehmen, JA wollte uns in der Figur der Emma Woodhouse zeigen, was einem jungen untätigen, gelangweilten Mädchen passiert, wenn es seine Energie anstatt in nützliche Tätigkeiten in unproduktiven, ja geradezu gefährlichen Unsinn ableitet... Aber es würde der Vielschichtigkeit JA doch Gewalt angetan, wenn man behauptete, sie hätte damit MW These von der Notwendigkeit einer produktiven Beschäftigung der Frauen untermauern wollen... Le Faye sagt zu Mrs Goddards Schule: „Jane Austen schildert Mrs Goddard voller Sympathie...“ – und ob mal aus der leicht ironisch gefärbte Anmerkung von der „zusammengekratzten Bildung“ ein frauen-bildungs-kritisches Programm ableiten kann, bezweifele ich erst mal...

7. Und die arme Harriet Smith? Nun ja, lassen wir mal die Kirche im Dorf: Sie bekommt von JA einen „Bauern“ als Mann, da sie für einen „echten Gentleman“ wie Mr. Knightley oder sogar für einen Emporkömmling wie Mr. Elton zu „niedriger“ Herkunft ist... Wo bleibt denn da die Gleichwertigkeit der Frauen? :rolleyes:

8. Dein Hinweis auf die „gleichwertige Bildung“ von Frauen und Männern ist sehr interessant, hat doch MW den Hauptteil ihres Essays damit angefüllt (neben den unentwegten Beispielen für weibliche Putzsucht, weibliche Eitelkeit, weibliche Verschlagenheit und weibliche Dummheit – heute würde so was wahrscheinlich als „politisch nicht korrekt“ unter das Verdikt der EMMA fallen...), aber das war ja für sie nur die Voraussetzung für die Unabhängigkeit der Frau in der Gesellschaft: Männer besitzen mehr Körperstärke. Doch gäbe es nicht diese falschen Schönheitsauffassungen, dann würden die Frauen ihren Körper genügend stärken, um sich ihren Lebensunterhalt verdienen zu können, da allein das die wahre Unabhängigkeit bedeutet.

@Julia: eine möglichkeit des geldverdienens UND einer gesellschaftlich respektablen stellung gab es in der damaligen zeit für keine frau, warum sollte jane austen für ihre heldinnen also eine "erfinden"?

Genau das ist der Knackpunkt bei Jane Austen und zugleich ihre Grenze: Warum sollte sie so etwas eklig-unweibliches beschreiben, wie eine Frau, die von ihrer eigenen Hände Arbeit lebte? :wehe: Sei es nun eine Gouvernante, eine Köchin, eine Fabrikarbeiterin oder eine Verlagsleiterin? Über diese Hürde konnte Jane Austen noch nicht springen, das lag für sie noch außerhalb der Realität...

Bruki

PS: Die Unterstellung des „wenn du die "vindications" gelesen hast...“ am Beginn Deines letzten Absatzes nehme ich Dir übel... :< :aetsch:

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BeitragVerfasst: Mittwoch 4. Januar 2006, 17:40 
Bruki hat geschrieben:
Hallo Julia,

ein paar Anmerkungen zu Deinem obigen Posting:

1. Gouvernanten-Tätigkeit bedeutet sehr wohl „ökonomische Unabhängigkeit“: Das war damals sogar die einzige Möglichkeit für eine Angehörige der Gentry sich einen angemessenen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Ansonsten gab es schon eine Menge Tätigkeiten für Frauen in der damaligen Zeit... Wenn man mal von der aufkommenden Industrialisierung absieht, die den Frauen erstmalig massenhaft Berufslaufbahnen eröffnete, die von Ehe und Familie unabhängig ausgeübt werden konnten... MW war z.B. Gouvernante, leitete zeitweilig ihre eigene Schule... Weibliche Bedienstete in den Haushalt waren üblich, aber nicht „gesellschaftlich“ anerkannt. Der Londoner Verlag, in dem James Gillray seine Karikaturen veröffentlichen ließ, wurde z.B. von einer Frau geleitet... Es gab einige Schriftstellerinnen, deren Ansehen in der Gesellschaft sich gerade zu verbessern schien, so dass Jane Austen sicher eines Tages in den Salons Londons herumgereicht worden wäre, wie andere ihrer Zeitgenossinnen und Nachfolgerinnen... wenn sie nicht so früh gestorben wäre... :nein:


Berufslaufbahnen? Die Frauen, die massenhaft beschäftigt waren, hatten, glaube ich, keine Berufslaufsbahn vor sich. Die haben einfach nur Geld verdient, entweder für sich, oder für die Familie, wenn der Mann nicht genügend verdiente.
Frauen, die einen Verlag leiteten, waren wahrscheinlich auch sehr selten. Vielleicht hatte diese Frau den Verlag von ihrem Vater übernommen, und war so an diese elitäre Stellung gekommen.
Dies sind nur meine Ideen zu diesem erstem Abschnitt. Wissenschaftlich belegt ist in meiner Antwort nichts, eher lebend erfahren (oder Lebenserfahrung?).


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BeitragVerfasst: Mittwoch 4. Januar 2006, 17:51 
Bruki hat geschrieben:
7. Und die arme Harriet Smith? Nun ja, lassen wir mal die Kirche im Dorf: Sie bekommt von JA einen „Bauern“ als Mann, da sie für einen „echten Gentleman“ wie Mr. Knightley oder sogar für einen Emporkömmling wie Mr. Elton zu „niedriger“ Herkunft ist... Wo bleibt denn da die Gleichwertigkeit der Frauen? :rolleyes:


Für Jane Austen war der "Stand" sehr wichtig. Das hat sie aber aus ihrem Umfeld so gelernt. Interessant wäre nun tatsächlich, ob sich JA von etwas anderem als ihrem Umfeld hat inspirieren lassen. Ich könnte mir vorstellen, sie war auf dem Weg dorthin.


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BeitragVerfasst: Mittwoch 4. Januar 2006, 17:57 
Bruki hat geschrieben:
Doch gäbe es nicht diese falschen Schönheitsauffassungen, dann würden die Frauen ihren Körper genügend stärken, um sich ihren Lebensunterhalt verdienen zu können, da allein das die wahre Unabhängigkeit bedeutet.

Wahre Unabhängigkeit: Seinen Lebensunterhalt zu verdienen, bedeutet auch Auseinandersetzung und Ärger. Ob das JEDER als DIE wahre Unabhängigkeit betrachtet?

Sorry für die vielen Postings. Ich KONNTE sie nur nacheinander beantworten.

Hazel


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BeitragVerfasst: Mittwoch 4. Januar 2006, 18:06 
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Unabhängig? Die Bezahlung der Frauen in den Fabriken war lausig, sie verdienten trotz gleicher Arbeit weniger als Männer, die Näherinnen mußten schuften bis zum Umfallen, abgesehen davon durften sie von ihrem geringem Lohn auch noch Materialkosten zahlen und neben der Arbeit gehörte meistens noch das Führen eines Haushaltes mit einer großen Kinderschar dazu, ohne die Annehmlichkeiten der heutigen Haushaltsgeräte. Ich würde mal sagen, die Damen, die gut heirateten, waren eindeutig im Vorteil.

Abgesehen davon dürfte MW wohl nicht die Landbevölkerung im Hinterkopf gehabt haben, wo die Frauen genauso körperlich arbeiten mußten wie die Männer und kaum Gelegenheit für Putzsucht hatten.
Grüße,
Kerstin

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BeitragVerfasst: Mittwoch 4. Januar 2006, 20:05 
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nun bruki ... anscheinend willst du mich mal wieder absichtlich missverstehen. ich stelle keine behauptungen auf, ich vermute lediglich. ich bin kein wissenschaftler und habe keine beweise wo es keine geben kann. was ich hier (und auch anderswo) immerwieder ins gespräch zu bringen versuche, sind verschiedene ansatzpunkte und sichtweisen, von denen ich nicht behaupte oder überzeugt bin, dass sie die richtigen und einzig wahren sind. ich finde sie lediglich interessant.
warum also immer gleich so kämpferisch? kannst du nicht einfach eine sichtweise annehmen und so stehen lassen mit einem "ja, kann sein. oder auch nicht."??
du scheinst alles rundweg abzulehnen, in den boden stampfen zu wollen.
ich bin trotzdem mal so gnädig, und gehe auf deine punkte ein. :wink:

zu 1. & 2. haben hazel und kerstin schon geschrieben. dass 50 pfund damals mehr waren als heute ist mir bekannt und hatte ich jetzt einfach auch als bekannt vorausgesetzt. allerdings waren die lebenshaltungskosten damals auch wesentlich höher.
sicher kann man davon überleben, aber "unabhängigkeit" ist was anderes. zumindest für eine frau, die aus einer gutsituierten, gebildeten familie stammt. diese klassenunterschiede mögen einem gefallen oder nicht, sie waren damals die regel und auch jane austen akzeptierte sie. es wäre also tatsächlich (in ihren augen) ein großer abstieg, ein desolater zustand gewesen für eine frau wie jane fairfax.
es gibt sicher gegenbeispiele, adelige wissenschaftlerinnen z.B. gab es damals auch schon, aber die waren die absolute ausnahme und hatten es sehr schwer in ihrem umfeld.

zu 3. das hat nichts miit mw zu tun, wo habe ich das gesagt? es ging mir um die eigenständige entscheidung ansich in so einer wichtigen frage. fanny beharrt gegen alle widerstände darauf, obwohl sie ihre situation kennt. sicher nicht selbstverständlich in ihrer lage.

zu 4. hat auch nichts mit mw zu tun, wieso? es ging mir um gleichberechtigung, gegenseitigen respekt, siehe mein beitrag:
Zitat:
nur bei ihm, kann sie "sie selbst" sein, offen sprechen und denken. ich habe das zumindest als sehr deutlichen hinweis darauf empfunden, welche art des zwischenmenschlichen umgangs jane austen am höchsten einschätzt.

es geht nicht explizit um "brüderliche" liebe, sondern um eine begegnung auf gleicher augenhöhe.

zu 5. nein tut es nicht. es ist eine möglichkeit, die nicht auszuschließen ist. und man kann an vielen sachen lesen, dass jane austen für die abschaffung der sklaverei war, sie zumindest befürwortete, dazu braucht man kein politisches statement in einem brief o.ä.
so ziemlich alle kritiker sind sich in diesem punkt einig. haben sie alle unrecht??

zu 6.wo hast du denn das lefaye-zitat her? ich zitiere mal aus dem buch:
Zitat:
but a real, honest, old-fashioned Boarding-school, where a reasonable quantity of accomplishments were sold at a reasonable price, and where girls might be sent to be out of the way, and scramble themselves into a little education, without any danger of coming back prodigies.

"angemessene bildung (...) ohne gefahr zu laufen, als genie zurückzukommen"
für mich klingt das nicht nach einer art schule, die eine intelligente frau, die sich alles was sie an bildung hatte selbst und durch ihren vater angeeignet hat befürwortet.

zu 7. wie schon erwähnt, die klassenunterschiede. bevor emma auffällt, dass mr knightley zu gut für harriet ist (warum wohl?), hat sie allerdings keinen zweifel, dass sie genau das richtige für mr elton oder mr churchill ist. aber emma ist auch nicht jane austen.

ich weiß nichts über hannah moore, mir kam nur diese sichtweise bekannt vor. egal ob sie stimmt oder nicht - es steckt allgemein mehr in büchern, als einem beim ersten lesen entgegenspringt. und oft hat eine nachfolgende generation einen klareren blick als eine die mittendrin steckt. wenn ich daran denke, wie lange es gedauert hat, bis sich die erkenntnis über die ironie und tiefe in jane austen's werk durchgesetzt hat...

übrigens finde ich es ziemlich dumm(dreist), rundweg alle literaturwissenschaftler als phantasiebegabte schreiberlinge abzutun, die auf ihrem lehrstuhl einschlafen und irgendwas zusammenfaseln, um ihre position zu rechtfertigen. so ein stammtisch-niveau wird dir sicher nicht gerecht.


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BeitragVerfasst: Freitag 6. Januar 2006, 23:29 
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Hazel hat geschrieben:
Wahre Unabhängigkeit: Seinen Lebensunterhalt zu verdienen, bedeutet auch Auseinandersetzung und Ärger. Ob das JEDER als DIE wahre Unabhängigkeit betrachtet?


Juhu, Hazel... Das würde der armen MW jetzt aber das Herz brechen, wenn sie erführe, dass einige 200 Jahre nach ihrem feministischen Manifest immer noch die Versorgung durch einen reichen Ehemann (oder Vater) einem unabhängigen, aus eigener Arbeit finanziertem Leben vorziehen... :lach: Und „Auseinandersetzung und Ärger“ gibt es auch außerhalb der Arbeitswelt mehr als genug... Man sollte immer beide Seiten sehen: Es gibt euch schöne Momente bei der Arbeit! :ja:

Kerstin hat geschrieben:
Ich würde mal sagen, die Damen, die gut heirateten, waren eindeutig im Vorteil. Abgesehen davon dürfte MW wohl nicht die Landbevölkerung im Hinterkopf gehabt haben, wo die Frauen genauso körperlich arbeiten mußten wie die Männer und kaum Gelegenheit für Putzsucht hatten.


Stimmt, das ist zweifellos einer der Schwachpunkte bei MW: Sie redete unentwegt von „gleicher Bildung für Frauen und Männer“, und blendete dabei völlig aus, dass der Grossteil der Frauen und Männer der damaligen Zeit überhaupt keine „Bildungschancen“ hatten...

Ich finde, ein junges verhungerndes Mädchen war damals vielleicht froh, sich in einer Nähstube das Geld für Essen und Unterkunft verdienen zu können... Wir können nicht in jedem Fall unsere (luxuriösen) Verhältnisse und (hohen) Ansprüche auf das damalige (eher karge und gefährliche) Leben anwenden... Für Jane Austen war es Luxus, wenn sie morgens heißen Toast bekam... und eine Schale Erdbeeren waren das Himmelreich auf Erden für sie... Ich weiß nicht, ob viele von uns heute solche Genüsse nicht schon als selbstverständliches Menschenrecht ansehen?

(Mir schwebte bei der Erwähnung des Fabrikmädchens in meinem Posting eine Szene aus Gaskells N&S vor, in der eine junge Dame sich zum Entsetzen der Köchin strikt weigert, als Dienstmädchen im Hause der Hales zu arbeiten, weil sie in der Fabrik bei regelmäßigerer Arbeitszeit viel mehr verdienen könne. Fabriken, Industrie und Fortschritt haben unser Leben schon einigermaßen angenehmer gemacht.)

Julia hat geschrieben:
... das hat nichts mit mw zu tun, wo habe ich das gesagt?


... im Mary-Wollstonecraft-Thread? ... ;D

Julia hat geschrieben:
... sondern um eine begegnung auf gleicher augenhöhe


... das sah – wie ich oben gezeigt habe – MW anders als Jane Austen...

Julia hat geschrieben:
... haben sie alle unrecht??


... das weiß ich nicht, darüber kann man nur spekulieren, da es keine expliziten Aussagen Jane Austens zu diesem Thema gibt.

Julia hat geschrieben:
... wo hast du denn das lefaye-zitat her? ich zitiere mal aus dem buch: ... "angemessene bildung (...) ohne gefahr zu laufen, als genie zurückzukommen"


... das ist aus JAs „Emma“, oder? Ich hab mein Zitat aus Deirdre LeFayes Buch „Jane Austen und ihre Zeit“ entnommen (Seite 266, 3. Absatz). Ich zitiere mal weiter aus „Emma“ über Mrs. Goddard: „...Haus und Garten waren weiträumig, und sie gab den Mädchen reichlich gesunde Nahrung, ließ sie im Sommer viel draußen frei herumlaufen und behandelte im Winter eigenhändig ihre Frostbeulen.“ ... und jetzt vergleiche mal diese Schule mit der in „Jane Eyre“ geschilderten Zuchtanstalt für junge Mädchen, in der Jane Eyre ihre Kindheit verbringen musste... Wer schilderte „die Zustände“ nun „kritisch“?

Ich meine, Jane Austen liefert eine leicht amüsierte Schilderung der Zustände in Mrs. Goddards Institut, aber nicht übermäßig kritisch... Die Mädchen bekommen eine „angemessene“ Bildung zu einem „angemessenen“ Preis und sie laufen nicht Gefahr als „Wundertier“ aus der Schule herauszukommen... (Ein entsprechender Versuch hätte bei Harriet Smith wahrscheinlich nicht besonders erfolgreich geendet, befürchte ich... :rolleyes:)

Julia hat geschrieben:
... übrigens finde ich es ziemlich dumm(dreist), rundweg alle literaturwissenschaftler als phantasiebegabte schreiberlinge abzutun ... so ein stammtisch-niveau wird dir sicher nicht gerecht....


Genau... das finde ich auch! – Doch wie kommst Du dann darauf, jemanden „dumm(dreist)“ zu nennen und zu behaupten, er hätte „alle literaturwissenschaftler als schreiberlinge“ abgetan? Solche unbegründeten Behauptungen könnte der betreffende evtl. übel nehmen... :zunge:

Bruki

PS: bzgl. des von Julia angesprochenen „kämpferischen“ Tons: Was ist am kämpferischen denn so schlecht? :fight:

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Zuletzt geändert von Bruki am Freitag 6. Januar 2006, 23:32, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Freitag 6. Januar 2006, 23:31 
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Hallo Julia,

Ich denke, beim Thema „Einfluss MW auf JA“ kommt eh nicht viel Substantielles raus! – Wir würden eine Weile herumspekulieren, wie ich es ja z.B. im MP-Groupread zum Thema Sklaverei und JAs Meinung dazu schon getan habe... Aber es ist recht nett, wenn man sich ab und zu auch mal mit ein paar Tatsachen befassen kann... – Ich kann mich nicht an jeder unbewiesenen These begeistern, dazu habe ich in meinem Leben schon zuviel Nonsense als „wissenschaftlich unwiderlegbar bewiesene Tatsache“ zur Kenntnis nehmen müssen... also lass mich ruhig weiter alle möglichen schillernden Thesen hinterfragen... Manchmal kommen dabei neue Gesichtspunkte heraus, die bestehen bleiben, und manchmal fällt die Blase auch nur in sich zusammen und es bleibt ein unansehnlicher Fleck zurück... :ja:

Bruki

PS: Ein Auszug aus A.D.s Essay zu MW und Jane Austen:

Jane Austen once described her own writing as "... the little bit (two Inches wide) of Ivory on which I work with so fine a Brush...". Mary Wollstonecraft beat the war drum. Jane Austen almost defined what we mean with the phrase "a strong sense of irony". Mary Wollstonecraft was humorless. Jane Austen was shy and silent in the presence of strangers and was no more regarded by them than was a poker or candlestick or any other thin, mute object. Mary Wollstonecraft's presence was so strong that it was said "her mood preceded her into a room"; and when Mary herself arrived, she was the center of attention. Jane Austen published anonymously and died largely unknown in this world. At the moment of her death, Mary Wollstonecraft was a celebrity from North America to Western Europe. When members of the Austen family received news of Jane's death, they wept and grieved, and resolved to declare her honor and to secure her fame. I imagine that when members of the Wollstonecraft family learned of Mary's death, they grew sad and contemplative and resolved to remember only the good things. I ask you now - which woman is the better known today?

Jane Austen ranged from Portsmouth to London to Kent and everywhere she went, she moved under the protection of a brother or a nephew. Mary Wollstonecraft ranged from Britain to Sweden to Portugal and everywhere she went, she traveled alone. Jane Austen may have visited the lake country in the north of England, but Mary Wollstonecraft certainly stood before the falls and cataracts at Frederikstad. And yet, within the sphere of the human mind, heart, and soul, Jane was the far traveler and Mary the blinded prisoner - blinded by her father and imprisoned by her American lover. If you think that Mary achieved the greater freedom, then you must acknowledge that she gained the "freedom" to walk that half-hour in the rain upon Putney Bridge. She walked in this way to soak her clothing through in order to weigh herself down. But when she jumped into the Thames, she did not sink and she would remember struggling to pull her clothes more closely about her, to make herself more compact so that she would sink. Mary failed in this suicide attempt and so she failed in a way her daughter Fanny - her first born - her beloved "babe" - would succeed. (Fanny would choose the more certain method, an overdose of opiates.)

I think you should let Mary Wollstonecraft and William Godwin supply your warnings and let America's current culture and recent experience provide you with updated examples; I suspect that if you want personal fulfillment, then you should pick up the pieces of ivory and ignore the excitement and spectacle of the drums.

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BeitragVerfasst: Freitag 6. Januar 2006, 23:38 
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Soso, und Ashton Dennis weiß natürlich mehr über Jane Austen als jeder andere "Literaturwissenschaftler".... :rolleyes:

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BeitragVerfasst: Samstag 7. Januar 2006, 09:51 
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ich habe nicht dich als "dumm(dreist)" bezeichnet, sondern deine aussagen weiteroben und schon anderswo in diesem forum, wenn jemand irgendetwas aus einem buch oder einem essay zitiert.

Zitat:
Abenteuerliche Thesen kann jeder phantasiebegabte Schreiberling aufstellen...

Ich vermute, solche Thesen werden vor allem um den Absatz zu fördern (oder um ein bestimmtes wissenschaftliches Clientel zu bedienen) geschrieben. Aber wo bleiben die Beweise für die Behauptungen? - Ja, gut die Autoren müssten eben noch 10 Jahre Stipendien und Fördermittel kassieren, um in Ruhe an ihren "bahnbrechenden" Entdeckungen forschen zu können... und nach 20 Jahren kann man seine Thesen dann gegenseitig zitieren und schon hat man die handfeste Grundlage für eine Professur zusammen...

Ich ordne solche "bahnbrechenden Erkenntnisse" in die Schublade ein, in der ich auch die "Entdeckung" der Bilder von Raumschiffen in mexikanischen Pyramiden oder die "sensationelle Voraussage" der 9-11-Anschläge in Nostradamos Kritzeleien stecke...


^^darauf bezog ich mich.

du machst es fast immer mehr oder weniger sofort lächerlich, schwingst die feminismus-keule oder fragst nach "beweisen". in der literatur gibt es keine beweise, lediglich thesen, theorien, die mehr oder weniger schlüssig belegt werden. es gibt kein "richtig" und kein "falsch". kann es nicht geben. wir sprechen hier nicht über mathematische oder physikalische formeln und gesetzmäßigkeiten, sondern über kunst.

mir ging es mit diesem thread nicht darum, zu "beweisen", dass jane austen mit mary wollstonecraft sympathisierte, sondern darum, ihr werk aus diesem blickwinkel zu betrachten, zu überlegen, ob es parallelen, ähnlichkeiten gibt. dass es keine übereinstimmungen gibt, dürfte ja eh klar sein. beide hatten ganz unterschiedlich ansätze. trotzdem glaube ich, einflüsse zu spüren. was kein großes wunder ist, denn es entsprach einfach dem geist der zeit (unabhängig von mw) sich mit diesen themen auseinanderzusetzen.

nochmal zu mrs. goddard/bildung: vielleicht mag es verglichen mit den zuständen in "jane eyre" schon ein gewinn sein, wenn mrs. goddard ihre schülerinnen nicht halb verhungern lässt, aber mir ging es um die vermittelte bildung. und ich denke jane austen auch (charlotte bronte hatte ein ganz anderes thema und ziel im auge, mit ihrer schilderung - das kann man nicht vergleichen, finde ich). sonst würde sie sich darüber nicht so lustig machen und harriet smith als "ergebnis" so vorführen. wohlgenährt und rosig ist sie ja, dass ihre grammatik zu wünschen übrig lässt stört emma anscheinend auch nicht, denn sie sammeln ja lieber rätsel als bücher zu lesen (auch dazu gibt es in "emma" einen sehr ironischen absatz). so eine frau ist dann wohl auch alles, was sich ein country gentleman für sein glück wünschen kann, denn wir wissen ja schon seit "northanger abbey", dass "für den größeren und anspruchsloseren teil des starken geschlechts schwachsinn den weiblichen charme wesentlich erhöht", aber es unter ihnen doch einige gibt, "die zu vernünftig und aufgeklärt sind, um sich von einer frau überhaupt etwas anderes als geistige schlichtheit zu wünschen".
die ironie kann einem doch gar nicht entgehen...

was ich von ashton dennis und seinen "essays" halte, weißt du ja schon. interessant, dass er für dich so eine autorität zu sein scheint (wo keiner weiß, wer sich eigentlich hinter diesem pseudonym verbirgt - der schreibstil lässt allerdings nichts großes erahnen), und alle anderen es scheinbar nicht mal wert sind, sich richtig auf sie einzulassen.


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BeitragVerfasst: Samstag 7. Januar 2006, 13:23 
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Ehrlich gesagt, wenn man den Text von A.D. liest, geht es doch gar nicht um den Einfluß von MW auf JA bzw. den Nichteinfluss, sondern nur auf beider Wirkung auf ihre Umwelt, ihre Reisen und dann den Selbstmordversuch Mary Wollstonecrafts. Diese Selbstmordversuch scheint ja für A.D. ein wirklich schlagkräftiges Argument zu sein, um M.W. unter J.A. zu stellen. Ansonsten lese ich dort nichts, was unsere Diskussion weiterbringen könnte.

Ich nehme übrigens zurück, dass MW nichts vom Landleben wußte.
Zitat:
Mary wird als zweites Kind (von sieben) des Webers und Landwirtes Edward John Wollstonecraft und seiner Ehefrau Elizabeth Dickson geboren.

Ihr Vater war Landwirt...
Und sie selber hat als Gesellschafterin, Lehrerin und Gouvernante gearbeitet. Augenscheinlich waren ihre Theorien über Frauenarbeit dann doch nicht nur rein theoretisch. ;)
Zitat:
I ask you now - which woman is the better known today?

Nun, da Mary Wollstonecraft starken Einfluss auf die Frauenbewegung hatte, dürfte diese Frage wohl ein wenig einfältig sein... vor allem, wenn sie ein Austenliebhaber stellt. Genauso gut könnte ein Verehrer von Mary Wollstonecraft fragen, was Jane Austen den Lesern heute noch sagen kann. Und dann würde man sich in einer endlosen Diskussion ergehen, wer nun "mehr Recht" hat.... :rolleyes:
Virginia Woolf schrieb 1929: “she is alive and active, she argues and experiments, we hear her voice and trace her influence even now among the living”
Grüße,
Kerstin

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BeitragVerfasst: Samstag 7. Januar 2006, 15:46 
Kerstin hat geschrieben:
Virginia Woolf schrieb 1929: “she is alive and active, she argues and experiments, we hear her voice and trace her influence even now among the living”
Grüße,
Kerstin

Bezog sich Virginia Woolf da auf Jane Austen?


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BeitragVerfasst: Samstag 7. Januar 2006, 16:12 
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ja, sie war eine große bewunderin von jane austen. in ihrem "a room of one's own" (darin geht es um die notwendigkeit, finanziell und überhaupt ökonomisch unabhängig zu sein um kreativ sein/schreiben zu können) gibt es einen ganzen langen absatz über jane austen. darin kommt auch das schon mal erwähnte "she is the most difficult one to catch in the act of greatness" vor.


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BeitragVerfasst: Samstag 7. Januar 2006, 16:17 
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Kerstin hat geschrieben:
Soso, und Ashton Dennis weiß natürlich mehr über Jane Austen als jeder andere "Literaturwissenschaftler"....


Hallo Kerstin,

... eine sehr schmeichelhafte Schlussfolgerung, die Du aus dem „kleinen“ Auszug seines langen Textes über Mary Wollstonecraft und Jane Austen ziehst... :rolleyes: Und sicher stimmt Dir Julia darin zu, die – so scheint es – die Literaturwissenschaft für keine exakte Wissenschaft hält, sondern eher für eine Art „Schwatzbude“, wo jeder bunt herumspekulieren darf, ohne jemals seine Behauptungen belegen zu müssen... :eek:

Ich glaube, Ashton Dennis ist in der Frage etwas bescheidener: Er betonte in seinen Postings öfter, dass er keine akademische Sicht auf JA vertrete, sondern eher dem gesunden Menschenverstand folge... Ich hab eben noch mal geschaut, ob seine Website wieder läuft, leider ist sie immer noch nicht wieder hergestellt, so dass ihr euch nicht selbst von der Qualität seiner Aussagen überzeugen könnt...

Bruki

PS: Er erwähnt übrigens auf seiner Website, dass die encyclopedia Britannica unter dem Stichwort "Mary Wollstancraft" einen Link auf seinen Essay gesetzt habe... (Leider ist die Site seit Okt. 05 offline... :( )

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