Julia hat geschrieben:
Im Einleitungstext steht Samstag ...
Stimmt! Beim letzten Groupread nach der alten Methode war es Sonntag, ich hab aber einen älteren Einleitungstext von Dir kopiert. Egal, dann also Samstag.
Julia hat geschrieben:
Ja, unehelich ist natürlich nicht gut. Aber Emma gehts ja eher um den sozialen Hintergrund der Eltern - allerdings kommt das erst im nächsten Kapitel, glaube ich.
Aber vor allem geht es ihr doch um die Verheiratungsfähigkeit von
Harriet. Da scheint sie keine Skrupel zu haben, ein uneheliches Kind ausgerechnet mit dem Pastor zu verheiraten. Man könnte auf die Idee kommen, dass das Probleme geben könnte... Aber dass sie das nicht denkt, könnte auch dafür sprechen, dass man das in der vorviktorianischen Zeit so schlimm doch nicht fand? Im Zweifel denke ich, dass Emma daneben liegt.
Zitat:
Egoismus und Selbstsüchtigkeit finde ich bzgl. Emmas "Begeisterungsfähigkeit" etwas zu hart. Klar,
Emma ist von Aufmerksamkeit und dem Wissen um ihre geistige Überlegenheit (dazu kommt ja später noch mehr) verwöhnt und verhält sich entsprechend - aber das macht sie noch nicht zu einem schlechten Menschen.
Ohne Emma jetzt übertrieben in Schutz nehme zu wollen: Meiner Meinung & Erfahrung nach, ist das Bedürfnis jemandem zu "helfen" oder "Gutes" zu tun, mit der Überzeugung von der eigenen Überlegenheit verknüpft, also mit mehr oder weniger Eitelkeit. Was das Bedürfnis ja nicht von Haus aus kritikwürdig macht. Kritisieren kann man natürlich, was Emma unter "Hilfe" und "Gutes tun" versteht. Aber da sind wir ja noch nicht.
Egoistisch ist sie bestimmt. Inzwischen glaube ich, dass der
erste Satz tatsächlich eine besondere Bedeutung hat, vielleicht sogar doch schon ein Beispiel für einen Perspektivwechsel: "Schön, aufgeweckt und reich, bei einem sorgenfreien Zuhause und einem glücklichen Naturell..." - das ist mit Sicherheit genau das, was
Emma von sich denkt, es entspricht ihrem Selbstbild.
Jemandem zu helfen, kann natürlich damit verbunden sein, sich ihm überlegen zu fühlen, oder mit Eitelkeit. Aber nehmen wir mal Mr. Knightley, oder sogar Miss Bates - beide sind ziemlich selbstlos, immer freundlich, immer hilfsbereit gegenüber jedermann. Knightley kann sich mit Recht überlegen fühlen, das ist dann aber einfach eine nicht zu leugnende Tatsache, eitel ist er kaum. Und Miss Bates ist sicher weder überlegen noch eitel, aber selbstlos und
sie hat sicher ein "glückliches Naturell"! Emma dagegen bildet sich viel ein auf ihren Status, sie hat ein sehr ausgeprägtes Standesdenken, man könnte sogar von Dünkel sprechen, so wie sie hier die Martins abqualifiziert (die Knightley hoch schätzt!). Eitel ist sie allemal, siehe die Szene in Kapitel 1, in der sie nach Knightleys Komplimenten fischt. Es wird hier schon sehr deutlich, warum Emma helfen will, wo es wenig zu helfen gibt: Miss Taylor ist weg, sie hat Langeweile, sie sucht sich ein Spielzeug, das sie nach ihren Wünschen formen kann. Sie kümmert sich dabei nicht um Harriets Bedürfnisse, oder fragt sich, was wirklich gut für sie ist, sondern geht einfach davon aus, dass es für Harriet das Beste ist, von ihr, Emma, erwählt und erhoben zu werden. Emma denkt nie kritisch darüber nach, was sie tut. Würde sie es tun, käme sie darauf, dass ihr angeblicher Verkupplungserfolg bei Miss Taylor/Mr. Weston am Ende für sie zu nichts Gutem geführt hat - das zeigt zwar, dass sie in dem Punkt selbstlos gehandelt hat (wenn sie es getan hat und die Folgen für sich nicht einfach unterschätzt hat), aber sie könnte drauf kommen, dass man, wenn man vermeintlich Gutes tun will, an anderer Stelle auch Schaden anrichten kann. Also ich würde ihre Begeisterung für ihre Idee, Harriet aus den sozialen Niederungen zu erheben, vor allem als Ausdruck ihrer Überheblichkeit deuten.
Aber ich finde auch, dass Emma kein schlechter Mensch ist, ganz im Gegenteil, sie ist im Kern ein sehr guter Mensch. Ihr Impuls, zu helfen, ist tatsächlich nicht schlecht. Und sie hilft ja auch an manchen Stellen sehr uneigennützig und selbstlos (vor allem in Bezug auf ihren Vater). Ich finde es interessant, wie Austen Emmas Charakter einführt - und dabei gleich verschiedene Deutungen zulässt. Sie verurteilt Emmas Verhalten nicht einfach, sondern überlässt es dem Leser, sich ein Bild zu machen. Austen streut nur Hinweise. Der wichtigste ist bestimmt, dass man erfährt, durch welche Fehler in der Erziehung Emma praktisch so werden musste, wie sie geworden ist. Mir ist Emma daher von Anfang an sympathisch. Ich sehe sie irgendwo in einer Reihe mit Catherine Morland aus Northanger Abbey und Marianne Dashwood aus Sense & Sensibility. Alle drei sind überschwenglich und von einer Idee besessen: von Schauerromanen, romantischer Liebe und Ehestiften. Und alle drei scheitern, lernen dazu und werden (mehr oder weniger) belohnt.