Julia hat geschrieben:
Ja? Aber wodurch wird das denn in Deinen Augen unterstützt, abgesehen von dieser Episode? Die beiden Schwestern werden für mich eher als gedankenlos-harmlos dargestellt, abgesehen von einer gewissen Selbstbezogenheit geradezu liebenswert, jedenfalls sympathisch.
Mein Eindruck wird natürlich vor allem von dieser Szene hier unterstützt. Als ich sie gelesen habe, kam es mir gleich so vor, als ob Louisa
auch aus Eigennutz gehandelt habe.
Also die Ausgangslage war, dass beide in den Captain verschossen sind, dass nur ihre offenbar anhaltende Geschwisterliebe den Eindruck verhindern würde, dass sie Rivalinnen sind. Soweit, so gut. Hier auf dem Hügel überlegen sie, nach Winthrop runterzugehen, Henrietta will eigentlich nicht so recht. Louisa redet heftig auf sie ein, man einigt sich, dass Charles und Henrietta runtergehen. "Louisa war anscheinend vor allem für den Plan verantwortlich", heißt es im Text. Sobald Henrietta weg ist, greift sie sich den Captain und verschwindet mit ihm in den Büschen... Anne hört dann, wie Louisa zu Wentworth sagt, sie habe Henrietta "gezwungen", hinzugehen, offenbar mit der Begründung, man dürfe sich nicht so leicht vom (Liebes-)Weg abbringen lassen.
Für mich liest sich das so, als ob Louisa, die sehr wohl wissen musste, dass Henrietta sich auch in den Captain verguckt hat, ihre Schwester
ein wenig zu Charles Hayter zurückgeschubst hat, um freiere Bahn zu haben.
Vielleicht habe ich aber auch einfach nur einen falschen Eindruck vom weiblichen Intrigierpotenzial?
Denn ansonsten glaube ich auch, dass die beiden eigentlich arglos/nett rüberkommen. Trotzdem passt mein Eindruck zu meinem Bild von Louisa, weil ich sie als jemanden sehe, die einfach macht, was ihr gefällt, ohne sich groß Gedanken oder Sorgen zu machen: Sie möchte gerne mit dem Captain allein sein, also geht Henrietta zu Charles und sie sammelt Nüsse... (Gibt es im Englischen eigentlich auch die Bezeichnung, jemand sei eine "hohle Nuss"?).
Kerstin hat geschrieben:
Augenscheinlich achtet er unbewusst doch auf sie.
Das tut er ganz sicher. Da gibt es ja auch die Szene (Kapitel acht), in der alle tanzen, während Anne mit feuchten Augen Klavier spielt (fast ein wenig zu dick aufgetragen, finde ich, zu.... billig für Jane Austen?), und er fragt, ob sie denn nie tanze. Das ist wieder so eine von den vielen kleinen Stellen, wo man merkt, dass er sie noch genau im Blick hat. Ist ja auch nicht verwunderlich, oder? Würdet ihr nicht auch haargenau auf jeden Pieps eines Menschen achten, den ihr mal so doll geliebt habt, und den ihr nach langer Zeit wiederseht?
Was mir bei Louisa auffällt: Sie ist so alt wie damals Anne. Und sie verhält sich so, redet jedenfalls zwischen den Nüssen so, wie der Captain sich das so sehr von Anne gewünscht hätte. Im Grunde wird sie hier als die ideale Anne präsentiert, wie sie erzählt, dass sie für ihren Liebsten alles tun würde, überall mit ihm hingehen würde, sich niemals
überreden lassen würde, von ihm abzulassen usw.
Und während Anne über Herbst und vergangene Jugend/Schönheit sinniert, sagt der Captain zu Louisa: "Wenn Louisa Musgrove im November ihres Lebens schön und glücklich sein will, dann muss sie sich all ihre augenblickliche Charakterstärke bewahren." Also das klingt fast, als wüsste er, dass Anne hinter der Hecke zuhört... Tut er nicht, aber ich denke, er redet mehr zu sich oder im Geiste zu Anne, als zu Louisa (die seinen Spruch auch fast schon als Heiratsantrag deuten könnte, so innig und intensiv, wie er rüberkommt).
Dass übrigens die ganze Szene mit Büschen, Hecken, verstecken, weglaufen, sitzenbleiben, allein sein und ungewollt mithören etc. mehr oder weniger 1:1 aus
Mansfield Park gekupfert ist, hat hier doch bestimmt schon mal jemand erwähnt, oder?