Liebe J.-Austen-rFreunde, Ich freue mich sehr, auf solch einem Board mitschreiben zu können. Ich bin 64 Jahre alt bin Arzt, in Lörrach bei Basel. In meiner Studienzeit hatte ich kurz eine Dozentin für literatur und Schriftstellerin (Leamington) kennengelernt, und ich hatte sie damals gebeten, mir eine Reihe englischer Romane zu nennen, die sie besonders schätzte. Dabei waren Persuasion , Wuthering Heights, To the Lighthouse, Moll Flanders, Middlemarch, etc. Ich habe seither nicht aufgehört, englisch zu lesen, wenn ich etwas fand. Virginia Woolf hatte eine Revolution bei mir, und später auch bei meiner Frau ausgelöst. Wuthering heights hatte ich damals mit großer Begeisterung gelesen, letztes Jahr aber kam es nach der Lektüre von Maletzkes Bronte- Biographie bei mir zu einem Fieber für die ganze Bronté- Familie.Ch.B. konnte ja J. Austen nicht gut leiden, gelinde gesagt. Ich hatte damals Emma gelesen, hatte das Buch geliebt, hatte mich damals aber durch das Englisch vielleicht etwas mühsam durchgeschlagen. Jetzt hatte ich schließlich doch zu Persuasion gegriffen, ich glaube, auch nach einer J.-A.- Verfilmung (die mich allesamt , besonders die neueren, nicht so berührt hatten, anders ist das z.B. mit den Ivory- Verfilmungen von E.M. Forster). Ich war so erstaunt! Welche Vollkommenheit!, in jeder Hinsicht! Ein so vollkommenes Sprachgebilde, dass man fast sagen kann, es ist leicht zu lesen, weil das Ausgesagte in all seinen Feinheiten und Wendungen in einer derart tragenden Konstruktion aufgehoben ist, dass es wie selbstverständlich wirkt. Mir kommt die Assoziation einer gotischen Kathedrale...und dann, mit ebendiesem Gefühl, immer wieder einmal das ganz leichte Gefühl, Proust zu lesen. Ich meine das mit vollem Ernst, als jemand, zu dessen Leben Proust fest dazugehört. Warum das? Ich denke, dass das bei W. Benjamin steht, dass sich bei Proust das Geschwätz niedergeschlagen hat. Ebenso kam mir bei Persuasion immer wieder so etwas in den Sinn, dass bei Jane Austen der Gossip seine höchste literarische Form in der englischen Literatur gefunden hat. Zu schreiben, nicht nur von den jeweiligen Empfindungen und Gedanken, sondern vor allem immer gleichzeitig, oder vor allem, was die Leute denken und sagen -was, und wie "man" so denkt, spricht, was damit schon in der Sprache selbst ausgedrückt ist. Das fand ich auch später, bei Forster, Woolf, immer wieder vor, dieses Verhaftetsein am Idiomatischen, womit immer eine allgemein gebräuchliche Redeweise etwas über das soziale Klima aussagt. Das eigene Gefühl und Urteil kommt dann bei Jane Austen nur ganz subtil, unterschwellig durch, und wird oft unterdrückt Ich verfiel dann natürlich gleich auf den Aufsatz "regulatet hatred". Das andere Gefühl, was mir den Eindruck machte, bei Proust zu sein: Das erzählende Subjekt, dass sich ständig unter Menschen befindet, einsam, sehr, sehr sensibel, ganz anders als alle anderen. Ob wir auf einer Gesellschaft in Bath sind, oder auf der Soirée bei den Guermantes in le temps retrouvé. Überhaupt auch, wie hochentwickelt die Schilderung des städtischen Lebens, in dieser Zeit.
Liebe Freunde, ich muß schließen, hoffentlich bad wieder! Wolfgang
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