Aber Jane Austens Romane sind doch nicht unpolitisch! Nun gut, sie greift keinen dramatischen, Weltbewegenden Probleme auf, diskutiert nicht über Weberaufstände, Armut und Kinderarbeit, aber man kann ihre Einstellung sehr wohl zwischen den Zeilen herauslesen. Dass sie über diese Themen nicht geschrieben hat, nun, ihr Prinzip nur über das zu schreiben, was sie kannte, schloß eben dramatische Umstände aus, weil sie diese selbst nie erfahren musste und deshalb glaubte, sie auch nicht ihrem Perfektionismus entsprechend nachempfinden und erzählen zu können.
Aber Tatsache ist, daß sie sich über die höhere Gesellschaft mokierte, weshalb alle Charaktere ab dem Knight (Sir Lucas) oder Baronet (Sir Middleton?) auch wenn sie herzensgut sind, doch ein wenig trottelig daherkommen, zumindest liebevoll spöttisch betrachtet werden.
In diesem Zusammenhang fällt auf (Nein, ich werde jetzt nicht wieder mit meiner Namens-Theorie anfangen!) daß zwei Mitglieder einer aristokratischen Familie zumindest ihren Namen hergaben. Lord Osborne, der auch bei Jane Austen als solcher auftritt, ist eine lachhafte Figur, der seinen Freund, so man ihn so bezeichnen kann, vorschickt um seine Herzensdame zu umwerben. Im wahren Leben heiratet Lord Osborne eine Darcy, die sich den gesellschaftlichen Regeln nicht beugt und der Liebe wegen nach Frankreich flüchtet. Bei Jane Austen ist es Fitzwilliam Darcy, der sich den Konventionen einer angeblich ausgemachten Heirat (und damals haben Eltern ihre Kinder nicht selten tatsächlich im zarten Alter versprochen und Eheverträge aufgesetzt, denen die Kinder entsprechen mussten, wollten sie nicht vor den Kadi gezogen werden und die Familie der Ehrlosigkeit beschuldigen lassen!) und dem angeblich unter seinem Stand heiraten nicht beugen will, der sich seine Gattin eben nicht nach wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Standpunkten aussucht, sondern wie Amelia Darcy (später) der Liebe den Vorzug gibt.
Seien wir einmal ehrlich, es war damals tatsächlich mutig, unter Stand zu heiraten und damit gegen gegen alle heimlichen und bekannten Regeln zu verstossen. Tatsächlich gab es genügend Fälle (wie Lady Catherine androht) in denen solche Ehen den Ausschluss aus der Gemeinschaft und den Abbruch familiärer und freundschaftlicher Beziehungen bedeuteten.
Noch mutiger war es in Lizzys Fall einen Ehemann bzw. Versorgung abzulehnen, in der Hoffnung vielleicht irgendwann auf die Liebe zu treffen! Eine Frau von der Mittelschicht aufwärts, war einfach abhängig davon, zu heiraten um versorgt zu sein. Eine Frau, die sich ihren Lebensunterhalt selbst erarbeiten musste (außer vielleicht als Zofe bei Hofe oder als Gouvernante eines Herzogs), stand ganz unten auf der Leiter, noch unter den Tagelöhnern! Weshalb Jane Austen ja unserer Jane Fairfax dieses (zur damaligen Zeit) bittere Schicksal erspart und eben auch Emma versucht für Harriet den "passenden" Gatten zu finden!
Und auch Colonel Fitzwilliam, der als jüngerer Sohn eines Earls, Lords, zum einen dem gesellschaftlichen Rahmen entsprechend zum Militär geht, damit einerseits seinem Land dient, anderseits die Möglichkeit hat sich seine Sporen (Titel, Reichtum, Karriere) zu verdienen, sich den Collinses und vor allem Lizzy gegenüber als Gentleman zeigt, sie mag, aber respektiert und ihr nicht zu Nahe tritt und aber offen klarstellt, daß er sich den Konventionen beugen wird und bestenfalls eine für den jüngeren Sohn eines Lords passable Gattin ehelichen wird, ohne dabei auf seine eigenen, offensichtlichen Gefühle Rücksicht zu nehmen. Alles in allem auch eine überaus gesellschafts-politische Figur, und durchaus sympathisch geschildert. Man neigt fast dazu, ihn zu bemeitleiden. Zumindest ging es mir so. Ich hatte stets das Gefühl, er hätte sich Lizzy genähert, wenn er (wie Darcy!) den Mut gehabt hätte, sich gegen die Familie und damit gegen die Gesellschaft und den Hof zu stellen.
Daß Jane Austen also einerseits der Liebe den Vorzug gibt, andererseits aber auch eine vernunftbedingte Beziehung gutheisst (sonst hätte sie Charlotte in der Ehe anders beschrieben und eben auch Colonel Fitzwilliam negativer gezeichnet), ist weil eine gesellschaftliche Frage, eben auch eine politische. Die Politik hat ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft, so wie die Gesellschaft die Politik bestimmt.
Und Jane Austen greift in ihren Romanen den beginnenden Wandel in der Gesellschaft auf, eben auch Ehen aus Liebe zu akzeptieren und andererseits die Stände sich vermischen zu lassen, Leistung als erstrebenswert anzuerkennen und erworbenen Reichtum (Admiräle, Colonels etc.) anzuerkennen, wenn schon nicht über ererbten zu stellen.
Sie hat über die verschiedenen Kriege und/oder Auseinandersetzungen vielleicht nicht in dem Rahmen geschrieben, den sich mancher gewünscht hätte, aber es ist doch in allen Romanen spürbar, wes Geistes Kind sie ist, wie man so sagt. Sie war eben keine die polternd auf den Tisch haute und ihre Stimme erhob, sondern die Meisterin der leisen Töne, die nicht minder ins Gewicht fallen.
_________________ Grüsse, Caro Avatar: Amelia Darcy (1754-1784) Für 1 Jahr säe einen Samen, für 10 Jahre pflanze einen Baum, für 100 Jahre erziehe einen Menschen. chin. Weisheit
Zuletzt geändert von Caro am Donnerstag 12. Juli 2007, 15:51, insgesamt 4-mal geändert.
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