Udo hat geschrieben:
Willst Du andeuten, dass JA die Ehe als bürgerliche Zwangsinstitution zur Unterdrückung der Frau gesehen hat? Das wäre mal ne radikale Form der Sozialkritik, erinnert mich irgendwie an Alexandra Kollontai.
Udo, das ist nicht wirklich von der Hand zu weisen, nachdem sie selbst lieber Gouvernante geworden wäre, als eine "normale" Ehe einzugehen und ihre Verlobung umgehend wieder gelöst hat.
Über die Gründe lässt sich spekulieren, und es sind nicht immer die, die man vorgibt zu haben …
Andere Frage: Kannst du dir eine Jane Austen in einer der üblichen Ehen vorstellen, unter einem Patriarchen, dem sie "gehorchen" muss, selbst wenn sie ihn liebt? Das geht für mich gar nicht.

Und seien wir ehrlich, in ihrer Zeit waren alle Männer (auch gesetzlich!) Patriarchen, denn die Frauen waren ihnen untergeordnet. Eine Ehefrau durfte übrigens ohne Erlaubnis des Gatten nicht auf Reisen gehen, nicht einmal zu den Eltern fahren; Er hatte dann das Recht sie notfalls auch mit Gewalt heimzuholen.
Dass es zu allen Zeiten Männer gab, die sich von einer häuslichen Xanthippe den Schneid abkaufen ließen, ist ein anderes Thema …
Die Frage war eigenlich nur noch, ordne ich mich mehr oder weniger freiwillig, vielleicht sogar in Liebe unter, oder tue ich das notgedrungen, und hasse ihn und meine Eltern dafür …
Oder bin ich sogar so gewitzt wie Charlotte Lucas-Collins und manipuliere meinen Gatten, ohne daß der Gute auch nur den Hauch von einer Ahnung hat. Aber bei Collins geistiger Kapazität wohl auch einfacher, als z.B. bei einem Darcy ...
Es wäre sicher interessant zu sehen, Wer in in den unterschiedlichen Paarungen wohl das sagen hat, oder manipuliert wird. Welcher Gatte sich vielleicht sogar freiwillig nach seiner Frau richten wird ...
@Kerstin
Die Crofts sind wirklich das perfekte Bild eines innigen Paares. Nur, bleiben IHM auf Schiff ja nicht viel Möglichkeiten sich anderen Frauen zuzuwenden und bei Landgängen ist Mrs. Croft dabei … Gelegenheit macht Diebe bzw. Liebe … Was uns zu Anne und Wentworth bringt. Ihre erste Liebe hatte gar keine Chance sich im Alltag abzunutzen. Und verbotene Früchte sind die Süßesten. Anne hatte zwar "nein" gesagt, aber es war eine reine Kopfentscheidung unter dem Druck der Umgebung, und je weiter Wentworth entfernt war, umso mehr Raum hatte die Sehnsucht, ob nun offen oder versteckt. Annes Hauptaufgabe war ja sich über ihre Familie hinwegzusetzen und Wentworth "wiederzugewinnen", wobei ich mich frage, ob sie sich tatsächlich dazu durchgerungen hätte, Liebe hin oder her, wäre er nicht als "gemachter Mann" zurückgekehrt ...
Vielleicht liegt hierin ein Grund, weshalb man bei Jane Austen allgemein ungern von Sozialkritik spricht, sie vielleicht sogar zu vermissen glaubt: Sie zeigt sich nicht kämpferisch. Sie verlangt von Anne Elliot nicht der Liebe wegen und arm wie eine Kirchenmaus mit einem Mann ohne Zukunft nach Gretna Green zu gehen und mit Familie und Freunden zu brechen. Nein, als Preis für die Abnabelung und für die ersten Flügelschwinger, gewinnt sie den Geliebten wieder.
Jane Austens Kritik kommt auf leisen Sohlen und hintenrum, doch sie lässt es nie wirklich auf einen gesellschaftlichen Skandal und Kampf ankommen, von Maria Bertram-Rushforth einmal abgesehen und da ist das Stigma ja auch im Sinne JAs.

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Grüsse, Caro
Avatar: Amelia Darcy (1754-1784)
Für 1 Jahr säe einen Samen, für 10 Jahre pflanze einen Baum, für 100 Jahre erziehe einen Menschen. chin. Weisheit