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BeitragVerfasst: Freitag 25. September 2009, 11:16 
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D'Arcy-Expertin mit Adelsaffinität
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Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 11:57
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Erst durch die Überlegungen und Diskussionen des aktuellen MP-Groupreads wurde mir bewußt, dass sich Jane Austens eigene Einstellung zur Ehe im allgemeinen und im besonderen im Laufe der Jahre und Beobachtungen natürlich gewandelt hat, wie in ihren Romanen.
Persönlich, heisst es, bevorzugte sie die Liebesheirat, aber in einigen Romanen scheinen die älteren Liebesehen nicht ausgeprochen glücklich zu sein.

1. P&P
Mr. Bennet jedenfalls heiratet aus Liebe und scheint es zu bereuen. Bei den anderen älteren Ehen, wissen wir nichts Genaueres. Dennoch legt Jane Austen Wert darauf, dass Lizzy und Jane schliesslich aus Liebe (und äusserst vorteilhaft!) heiraten dürfen, und im Vorfeld darüber diskutieren ob Bingley Jane liebt oder nicht.
Auch Darcy entscheidet sich doch sehr früh (nach ein paar wenigen Treffen) um Lizzys Hand anzuhalten und spricht von heftiger Liebe. Es kann doch hier tatsächlich nur um Liebe auf den ersten oder zumindest zweiten Blick gehen, keine tiefere Betrachtung des Charakters.

Dann wären da noch lydia und Wickham. Wickham, der wie Willoughby und Crawford junge Damen und Mädchen in sich verliebt macht, allerdings seinerseits eine Vernunftehe anstrebt, um sich den Säckel zu füllen. Er schein sich tatsächlich in Lydia zu verlieben, die allen Uniformröcken nachzulaufen scheint, sonst würde er es nicht so weit kommen lassen, mit ihr durchzubrennen. Beide scheinen sich geliebt zu haben, denn JA schreibt davon, dass sich die Gefühle (wohl auch wegen Geldmangels) schnell abkühlen, wobei Lydia länger an ihm hängt, als er an ihr.


In S&S, das wohl ein Jahr vorher geschrieben wurde, lässt sie Marianne und Willoughby trotz Liebe scheitern und dennoch zuvor ein gerüttelt Maß an Intimität und Leidenschaft erfahren. Erst die reife Liebe zu Brandon, die sich langsam entwickeln musste (manche Leser sogar in Abrede stellen) bringt Marianne wirklich Erfüllung.
Gerade diese "gereifte" Liebe würde aber zur gesellschaftlichen Meinung passen, wo es heisst "Liebe müsse sich entwickeln und gerade die Vernunftehe böte dazu eine Chance". Erinnern wir uns daran, wie Marianne über Brandon lästerte und ihn schätzen und lieben lernte!

Dann Northanger und Mansfield Park. Vor allem Mansfield Park, wo wir die verschiedensten Beziehungen und Ehen erleben. Sir Thomas hat eindeutig aus Liebe geheiratet, aber ist seine Ehe besser als die von Mr. Norris oder Mr. Price? Er hat die finanziellen Vorteile, alle Möglichkeiten ein bequemes und gesellschaftliches Leben zu führen, aber hier geht es um die Ehe und die Beziehung zu seiner Frau. Hat Sir Thomas nicht im Grunde schlecht gewählt, ebenso wie Mr. Bennet?
Nicht zu vergessen seine Tochter Maria, die eine sogenannte Vernunftehe eingeht, aber das wohl vielmehr aus Trotz, weil sie Crawford nicht kriegt. Der kriegt Fanny nicht und bandelt (ebenfalls aus Trotz!) mit der inzwischen verheirateten Maria an und eskaliert einen Skandal. Interessant hier, dass Maria aber an und mit der Liebe scheitert, denn es kommt zwar zur Scheidung, aber Henry heiratet sie nicht. Wozu auch, er hat ihre Früchte ja bereits vorher genossen! Ich finde es erstaunlich, dass man ihn nicht zur Ehe zwingt, das war nicht unüblich. Aber gut, Jane Austen hält nichts davon. Aber seien wir ehrlich, würde Maria damit besser oder schlechter fahren, als in der Einöde, zu der sie verdammt wird? :gruebel:

Knightley und Emma, die selbst gar nicht heiraten will, wozu auch und sich dann verliebt und freudig in die Hand des "Oberlehrers" begibt. Hier ist das Paar interessanterweise erstmals vom gesellschaftlichen Status bzw. familiären Hintergrund her besehen völlig gleichberechtigt.
Auch hier die Frage: Liebe gewiss, aber kann das gutgehen?

Persuasion:Auch bei Anne und Wentworth die Frage. Sie liebten sich, sie lieben sich noch immer und dürfen sich endlich kriegen. Hm, dies fast schon wirklich eine Liebesgeschichte, die mit den Konventionen brechen soll. Tatsächlich? Anne und Wentworth kriegen sich erst, als ER finanziell in trockenen Tüchern ist. Jane Austen lässt es nicht darauf ankommen, dass Anne eine Ehe führt wie Mrs. Price. Das dann doch nicht. Wentworth muss sich erst würdig erweisen und zeigen, dass er eine Familie ernähren kann; das ist die Kerze der Venunft. Was hilft alle Liebe, wenn's nix zum Essen gibt, wenn man knausern muss und den Haushalt ohne Hilfe führen muss? So weit absteigen lassen, soll die Liebe die Frau dann doch nicht. Sich einem Mann für nichts unterwerfen, dann doch nicht. Das ist alle Liebe nicht wert.

Die Watsons:
Emma Watson wiederum entscheidet sich gegen die Vernunftehe bzw. Lord Osborne und für Mr. Howard, den Hauslehrer der Osbornes und damit ebenfalls für die Liebe, auch wenn ihr die andere Verbindung gesellschaftlich gesehen weitaus mehr Vorteile gebracht hätte. Allerdings hat Jane Austen selbst diesen Roman nicht vollendet, sondern nur die ersten fünf kapitel geschrieben. Was hätte sie daraus gemacht? Warum hat sie ihn nicht vollendet? :gruebel:

Um ehrlich zu sein, man merkt schon, dass JA die Liebesehe bevorzugt, weil sie ihren Helden diesen "Preis" für Charakterarbeit zuerkennt, aber mir scheint sie an dieser Stelle nicht vorurteilsfrei zu sein.
Wenn argumentiert wird, Mr. Bennet und Sir Thomas hätten sich kopflos in eine Liebesehe unter Status gestürzt, wie kann sie uns glauben machen, dass eine solche Ehe zwischen Darcy und Lizzy gut gehen wird? Müssen sie nicht ebenso scheitern? Oder will sie damit nur sagen, wenn man aus Liebe heiratet, kann man die schlechten Seiten der Ehe (des Partners) bzw. den gemeinsamen Alltag besser ertragen?
Wir wissen ja nicht, wie sich unsere geliebten Liebesehen entwickeln. Jane Austen schenkt uns zwar kurze Einblicke in die Zukunft, aber nie wirklich ein Wissen um die gemeinsame Ehegestaltung. Wird es bei den Ferrars, Brandons, Bertrams, Knightleys, Bingleys, Darcys etc. gut laufen, oder ist es nur so, dass wir und vor allem Jane Austen uns das wünschen? :gruebel:

_________________
:blume: Grüsse, Caro

Avatar: Amelia Darcy (1754-1784)

Für 1 Jahr säe einen Samen, für 10 Jahre pflanze einen Baum, für 100 Jahre erziehe einen Menschen. chin. Weisheit


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Verfasst: Freitag 25. September 2009, 11:16 


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BeitragVerfasst: Freitag 25. September 2009, 15:51 
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Austenexperte
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Beiträge: 926
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Da hast du ja wirklich interessante Überlegungen angestellt.
Auffällig ist ja wirklich bei gerade den "gescheiterten Beziehungen" das die Leidenschaft über Vernunftüberlegungen gesiegt hat. Zumindestens teilweise, denn Wickham hätte sich ohne die finanzielle Überredung wohl eher nicht für eine Ehe mit Lydia begeistern können. Und warum Sir Thomas auf eine Heirat Crawfords mit Maria verzichtet hat??? Vielleicht hat er ja auf seine eigene Ehe und deren Fehler zurückgeblickt.
Ich denke das Gespräch zwischen Elizabeth und Jane in de P&P 95 (Teil 1)bringt die Sache in etwa auf den Punkt:
Zitat:
JANE: (Smiling) Oh Lizzie! (Thinking) A marriage where either partner cannot love or respect the other -- that cannot be agreeable, to either party. (Eine Ehe in der sich beide Partner nicht lieben oder einander respektieren, kann für beide Seiten nicht annehmbar sein)


Heutzutage ist es ja wesentlich einfacher als damals, eine nichtfunktionierende Ehe zu beenden, aber manchmal hat man das Gefühl, viele Ehen werden doch überstürzt, bzw. nicht gut überlegt eingegangen. Oder man meint, wir lieben uns ja, da wird sich alles andere schon ergeben. Eine Ehe bedeutet ja auch immer Kompromiss, zwei Meinungen sind in Übereinstimmung zu bringen, den Anderen leidenschaftlich zu lieben bedeutet ja noch lange nicht, daß ich jede Macke auf Dauer ertrage, zumindest sollte ich darauf vorbereitet sein, das mich Dinge am Partner nerven könnten und das genau das auch meinem Partner passieren kann.

Leider erfährt man bei JA wenig über die Anbahnungsgeschichte der Ehen die funktionieren, wie die der Gardiners, der Crofts oder von Emmas Schwester. Bei den Westons wird es ja wohl doch etwas ruhiger und gesetzter zugegangen sein, hat man jedenfalls den Eindruck.
Im Allgemeinen scheint es mir so, daß JA den kopflos eingegangenen Verbindungen nicht den Vorzug gibt, um es so vorsichtig auszudrücken. Auch die Freundin von Mary Crawford von der wir lesen, daß sie sich drei! Tage Bedenkzeit zur Antragsannahme ausgebeten hat und jeden der daher kam, um Rat gefragt hat, scheint ja nicht gerade als Vorbild in Sachen glückliche Ehe zu gelten.
Wohingegen die Heldinnen, die ja meist eine Menge an Entwicklung durchmachen (selbst Fanny), zumindest den Vorteil haben, schon mal charakterlich an sich gearbeitet zu haben und damit persönlich besser vorbereitet in das Abenteuer Ehe gehen.

Elanor

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[During the 1960s] I think there was more sex in those old films than in all that thrashing around today. I'm tired of sex scenes.
Claudette Colbert

sadly enough, this is more than true in our times


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BeitragVerfasst: Freitag 25. September 2009, 22:09 
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Administrator und Captain a.D. of HMS Groupread
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Registriert: Mittwoch 9. April 2008, 15:07
Beiträge: 3093
Caro hat geschrieben:
... wurde mir bewußt, dass sich Jane Austens eigene Einstellung zur Ehe im allgemeinen und im besonderen im Laufe der Jahre und Beobachtungen natürlich gewandelt hat....

Woher weißt Du das? Gibt es dafür in Briefen o.ä. irgendwelche Belege?

Zitat:
Um ehrlich zu sein, man merkt schon, dass JA die Liebesehe bevorzugt, weil sie ihren Helden diesen "Preis" für Charakterarbeit zuerkennt....

Ja, unter anderem darum, dass man sich zum Positiven entwickelt und sich damit reif zeigt für eine vernünftige Liebesheirat, geht es nicht selten bei JA. Dann wird geheiratet und fertig. Ehrlich gesagt ist es mir egal, wie es bei den glücklichen Paaren weitergeht. Da statistisch gesehen 30 bis 50 % aller Ehen scheitern (die damaligen Zahlen kenne ich nicht, möglicherweise waren sie noch schlechter, aber das fiel ja nicht so auf, weil Scheidung war ja schwierig), schätze ich mal, dass JAs Traumpaare nach 20 Jahren auch die Nase voll voneinander gehabt haben können. Darüber kann dann ja mal jemand anders ein Buch schreiben... :wink: (Tucholsky hat mal darüber geschrieben, warum Liebesfilme immer mit der Heirat enden - weil kein Mensch Lust hat, sich Alltag, Nerv und Frust einer Ehe anzusehen und dafür auch noch Eintritt zahlen zu müssen...)
Bei JA heiraten Leute unter ihrem Stand, über ihrem Stand, auf gleichem Niveau - aber glücklich geheiratet wird nur, wenn man ineinander verliebt ist, wenn diese Liebe "vernünftig" ist, wenn beide Seiten sich zumindest grundsätzlich moralisch einwandfrei verhalten (deshalb wäre es für Sir Thomas undenkbar, Henry und Maria zu verheiraten....). Mr. Bennets Ehe läuft nicht so gut, weil er Mrs. Bennet überstürzt geheiratet hat, ebenso Lydia oder Sir Thomas oder Mrs. Price usw.


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