Becci hat geschrieben:
aber man kann denke ich sein Werk nicht ganz von sich abkoppeln. Da sind immer Sachen, die einen mit einem selbst verbinden und wenn es nur sowas Banales wie ein bestimmter Schreibstil ist.
Die Frage lautet, weshalb will man auch so "verzweifelt" versuchen sich selbst aus einer Geschichte aussen vor zu lassen? Was ist dagegen einzuwenden, sich selbst in die Geschichte einzubringen? Womit ich jetzt ganz klar nicht an die charakterliche Authentzität einer Figur denke. So nach dem Motto: "Die ist jetzt wirklich genauso wie ich mich selbst sehe",sondern ich denke dabei an den Versuch, sich möglichst zu verstellen. Etwas ganz anderes vorzugeben, zu leben, Meinungen zu vertreten die absolut nicht die eigene widerspiegelt usw. Abgesehen davon, dass ich bezweifle, dass man/frau das über lange Strecken aushalten würde, die zweite Frage dabei wäre, weshalb das Bedürfnis da ist. Wie schon erwähnt, was man schreibt, wird vom Leser sowieso in connaction zum Autor gebracht, ob ihm das Bild was da entworfen wird nun entspricht oder nicht. Da möcht ich dann schon lieber für etwas wo ich dahinter stehen kann angegriffen, bzw. anerkannt werden, als für etwas was meinem Naturell vollkommen widerspricht.
Bezzy hat geschrieben:
Frage: Würdet ihr "unpopuläre" Dinge schreiben, auch auf die Gefahr hin, dass der Leser Geschichte und Autor in dem Fall miteinander gleichsetzt?
Eine sehr interessante Frage, die eine Gegenfrage provoziert:
Wie sicher bin ich mir selbst? Kenne ich meine dunklen Seiten? Habe ich mich meinen geheimen, vielleicht gesellschaftlich unkonformen Wünschen schon gestellt oder verdränge ich diesen Teil meines Lebens?
Um gleich Missverständnissen vorzubeugen: Ich meine damit absolut nicht, dass wenn jemand z.B. eine Vergewaltigung ausführlicher beschreibt, dass er/sie heimlich solche Fantasien hegt. Absolut NEIN! Das muss nicht im geringsten der Fall sein.
Aber, wenn ich meine Abgründe, meine geheimen Seiten kenne, wirklich kenne, dann kann ich mich auch möglicher Kritik wesentlich besser stellen.
Dieses sich selbst kennen gibt enorme Stabilität. Stellt die wahre Form von Selbstvertrauen dar.
Bezzy hat geschrieben:
In einem Autorenforum habe ich gelesen, dass eine Autorin sehr, sehr böse Leserbriefe erhalten hat, weil sie eine fiese, brutale Szene beschrieb und diese Leser glaubten, das wäre ihre persönliche Meinung, was natürlich nicht der Fall war.
Die Frage wäre jetzt was genau das Problem war?
Bei FF's ist es ja so, dass ich mit einer gewissen Grunderwartung an die Geschichte herangehe; will heissen: Wenn ich z.B. eine P&P Story lese und mir da ein brutaler, schurkenhafter, vergewaltigender Darcy über den Weg laufen würde, dann wäre ich mehr als nur angewidert. Nicht weil eine solche Charaktere so verwerflich ist, dass ich die nicht aushalten könnte, sondern weil die Persönlichkeit eines mir wohlbekannten Protagonisten vollkommen entstellt worden ist. So etwas macht wütend weil es enttäuscht.
Eine andere, ähnliche, Möglichkeit ist, wenn der Grundtenor einer Geschichte entstellt wird.
Angenommen, es gäbe eine FF zur Heidi Geschichte und ich müsste mich darin plötzlich mit einem Mord auf der Alm auseinandersetzen. Da würde es mir ebenfalls ablöschen, weil ich bei einer Geschichte rund um Heidi mich jetzt einfach nicht mit Mord und Totschlag auseinandersetzten will, auch wenn ich sonst sehr gerne Krimis lese.
Die dritte Möglichkeit ist, dass die Autorin/Autor vielleicht einen Wunden Punkt berührt. Sagen wir z.B. das Thema Kindsmisshandlung/-missbrauch. Ein sog. Un-Thema welches, je nach dem wie in eine Geschichte eingewoben und beschrieben, naturgemäss sehr starke Reaktionen hervorruft. Eine, grundsätzlich, gesunde Reaktion wie ich finde.
Wenn man eine dieser sog. Un-Themen (oben gennanntes, Vergewaltigung, Frauenmisshandlung, homosexuelle Vergewaltigung, Frauen die Männer schlagen u.ä.m.) in eine Geschichte einfügen möchte, muss man/frau sich einfach bewusst sein, dass es heftige Reaktionen auslösen wird. Dabei würde es dann wieder darum gehen, wie selbstbewusst der/die Autor/in wirklich ist und ob die Geschichte die man schreiben wollte als Provokation gedacht war.
Hier ginge es wieder um das bewusste Schreiben.
Wie bewusst bin ich mir, dass ich nicht einfach nur eine Geschichte schreibe, sondern dass ich damit immer auch Emotionen in einem, mir unbekannten Publikum heraufbeschwöre, welches diesen Emotionen mehr oder minder taktvoll und qualifiziert Ausdruck verleihen wird.
Ich persönlich möchte den Spiess mal dahingehend umdrehen, dass man sich ja auch grundsätzlich geschmeichelt fühlen könnte, wenn man eine solch starke Reaktion mit seiner Beschreibung auslösen konnte. Es könnte ja zumindest auch bedeuten, dass man das Beschriebene so real vor des Lesers Auge gezeichnet hat, dass es starke Emotionen aufwühlen vermochte.
Diese Aussage ist aber sehr relativ, da sie, wie schon erwähnt, sich an gewissen Grund-Gesetzte halten muss.
Becci hat geschrieben:
...aber man sollte auch nicht aus Furcht vor der Leserschaft alles glätten, was zu glätten geht. Das ist auch nicht die richtige Taktik denke ich.
Das finde ich grundsätzlich auch, aber eben, man muss auch einstecken können, wenn man austeilt und hier sollte man immer bewusst mit einbeziehen, dass die Leserschaft sich mehr oder weniger mit "meinen" Figuren identifizieren will.
Hier empfinde ich es übrigens besonders gut und hilfreich, wenn man den Leser etwas vorwarnt auf was er sich beim Lesen der FF einlassen wird. So wird er auch nicht einfach überrumpelt von Inhalten die er nie lesen wollte.
Kleines Kompliment hier am Rande an euch alle. Ich wurde bis jetzt noch von keiner eurer FF's heimlich überrumpelt und in scheussliche emotionale Tiefs gerissen.
Das rechne ich euch hoch an! Die kurzen "Warnrufe" am Anfang der Geschichte, z.B. Bezzys berühmter Zimperlisenalarm, ist ein solches Beispiel um den geprüften Leser vor schwerwiegenden Schocks zu schützen
Gruss
MJ