Au weia, das ist ja ne Menge, was ihr hier einzuwenden habt... Doch gegen wir mal langsam und bedächtig vor.
Lasst uns erst mal die Übereinstimmung feststellen. Also, ich denke, wir sind uns einig, dass bei dem missglückten Antrag in Hunsford die Karten neu gemischt wurden. Mr. Darcy kann, nachdem Elizabeth ihre „Anklage vor seine Tür legte“, endlich mit etwas handfestem dealen... Sein Brief beginnt und man spürt seine Verletzung und den Ärger, den sie auslöste... doch der Ton ändert sich zum Ende hin, wo er seine Hand zur Versöhnung ausstreckt... das deutet darauf hin, dass er seinen Ärger viel schneller in den Griff zu bekommen scheint, als Elizabeth, die ja beim Lesen des Briefes genau von der Autorin beobachtet wird...
Mr. Darcy hat jetzt einige Dinge zu erledigen: 1. Er hat Miss Bennet und seinem Freund Mr. Bingley Unrecht getan... Das ist zu korrigieren. 2. Er hat Elizabeth zu zeigen, dass er nicht dem Bild entspricht, dass sie von ihm hat... Damit hat er in seinem Brief schon begonnen...
Jetzt stehen wir erst mal im Dunkeln, was seine weiteren Pläne anbelangt... Doch dann kommt das unverhoffte Treffen in Pemberley und die Dinge überschlagen sich geradezu... (Man merkt es nicht so direkt, aber es geschehen nebeneinander so viele Sachen, kaum zu sagen, was alles...) Er stellt Elizabeth seiner Schwester vor... lädt sie nach Pemberley ein... Und Elizabeth ist sich völlig im Klaren darüber, was das bedeutet... nämlich die Erneuerung seiner Werbung um sie (bzw. wenn ihr so wollt, der Beginn...) – Und weil Jane Austen eine große Künstlerin ist und es uns nicht ganz so leicht machen will, kommt es zu einer ernsten Verwicklung – und, jedenfalls aus Elizabeth’ Sicht, geht nun alles schief, was schief gehen kann... Unser Mr. Darcy hat eine neue Aufgabe, ehe er seiner Hochzeit mit Elizabeth näher kommen kann: Er muss „die Ehre“ der Bennets retten...
Am Freitag (es ist die erste Augustwoche) erreichen Janes Briefe Elizabeth in Lambton... die drei reisen am selben Tag ab, schon einen Tag später (am Sonnabend) verlässt Mr. Darcy Pemberley in Richtung London, wo er vermutlich am Montag ankommt, am Mittwoch oder Donnerstag hat er Wickham gefunden, am Freitag ist er bei Mr. Gardiner, den er jedoch erst am Sonnabend (nach der Abreise Mr. Bennets) antrifft... An nächsten Montag ist die Sache mit Wickham geregelt und Lydia zieht in das Haus der Gardiners um...
Wie wir sehen, verlässt Darcy Pemberley nur einen Tag nach den Gardiners und fährt nach London, Lydia und Wickham zu suchen... handelt so ein von Zweifeln und Skrupel geplagter Mann? Einer der sich den Kopf zerbricht, ob er oder ob er nicht? Nein, Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, um seinen Freunden zu helfen, das ist „sein Ding“, „dafür wurde er geboren“...
Die nächsten zwei Wochen sind wichtig, da das Aufgebot so lange dauert, ohne das eine Ehe nicht rechtskräftig geschlossen werden kann... Mr. Darcy ist zur Hochzeit wieder da, speist anschließend bei den Gardiners und reist einen Tag später nach Pemberley... Das ist Ende August...
Jetzt kann er sich um seinen Freund Bingley kümmern... Also, erst mal wird dessen lästige Verwandtschaft abgehängt... und den Besuch Lydias und Wickhams auf Longbourne... – Kaum sind die weg, geht’s schnurstracks nach Netherfield... Das ist Mitte September – ca. 14 Tage nach der Heirat Lydias... Besuch bei den Bennets (drei Tage nach der Ankunft, was, wie ich vermute, die kürzestmögliche Zeit ist, einen höflichen Besuch zu machen)... Dann das Essen... Mr. Darcy ist sich nun sicher, er gesteht Bingley seinen Irrtum... Bingley ist „beleidigt“ (eine ironische Wendung Jane Austens möchte ich meinen, doch mit fehlen die feinen Ironiemerker, die andere hier besitzen...
). Ich meine, Bingley wird sich wohl eher über die Intrigen seiner Schwestern „geärgert“ haben, denn die hatten anders als Darcy selbstsüchtige Motive... Na jedenfalls, Darcy hat sein Werk getan, den Rest bekommt Mr. Bingley allein in den Griff, Darcy fährt nach London... Wie ganz richtig bemerkt wurde: „in einer besonderen geschäftlichen Angelegenheit“...
Wenn man bedenkt, dass die Fahrt zwischen Meryton und Pemberley ca. 2 Tage dauerte, war er reichlich auf der Straße in diesen Wochen...
Also, die morschen Knochen ausgeschüttelt und mit den Londoner Anwälten über „besondere geschäftliche Angelegenheiten“ gesprochen... Die dritte Aufgabe muss schließlich gut vorbereitet werden... was sollte er auch sonst in London tun – während der Jagdsaison, wo jeder anständige Mann auf dem Lande war und so viele Vögel zu schießen versuchte, wie er erwischen konnte... Jedenfalls gibt es einen recht guten Hinweis darauf, was ein Mann in diesen Tagen in London tut (außer Lydia zu retten natürlich):
"I was surprised to see Darcy in town last month. … I wonder what he can be doing there."
"Perhaps preparing for his marriage with Miss de Bourgh," said Elizabeth. "It must be something particular, to take him there at this time of year."
"Undoubtedly. ..."
Ohne Zweifel – preparing for marriage ist „eine besondere Angelegenheit“... Nur die Braut war falsch geraten...
btw. Miss Elizabeth hat mittlerweile ihr helles Köpfchen genutzt und aus der guten Tante Gardiner die Wahrheit bezüglich Darcys Rolle bei der Rettung der Bennets herausgekitzelt (was der Tante die Gelegenheit zu einer kleinen Neckerei gab).
Nun bekommt sie allerdings langsam kalte Füße und Schweißausbrüche, sie schläft nachts nicht mehr so gut und zerbricht sich ganz schrecklich den Kopf, was wohl mit diesem schweigsamen Darcy los ist... Was sie noch nicht weiß: Ein schweigsamer Mann kann durchaus eine Menge Gefühle haben... Wie Julia so ganz richtig zitiert: Mr. Darcy ist schüchtern!!!! Wie das so ist: Ein Mann kann gleichzeitig schüchtern sein und entschlossen...
Nun, jetzt hat Lady Catherine de Bourgh ihren großen Auftritt: “Are the shades of Pemberley to be thus polluted?”- Das gibt der armen Elizabeth nun den Rest, jetzt kann sie ihre ganze Hoffnung nur noch an einen Nagel hängen... Und beinahe hat sie schon resigniert... Doch Mr. Darcy reagiert so: „Anders als meine Tante meinte, wurde mein Mut und meine Entschlossenheit nur größer... Meiner Erwartungen auf ein gutes Ende wuchsen höher, als ich es mir selbst je einzugestehen wagte...“ Also, ich behaupte mal, er hatte einen ganzen Berg Hoffnung, Erwartung, Entschlossenheit – auch ohne seine ihn unterstützende gütige Tante... Also, jetzt aber, los geht’s, auf nach Longbourn...
Wie er und Bingley den Heiratsantrag schließlich einfädeln, und ob Elizabeth ihn diesmal erhört, könnt ihr selbst nachlesen…
Bruki