„Cranford“ war auch mein Einstieg in Gaskells Romane... Es war das einzige Buch, was auf Deutsch zu bekommen war... Ich hatte vorher schon ein wenig in ihren Erzählungen herumgeblättert und fand die nun nicht so bedeutend... Ein Vorurteil, was möglicherweise der Tatsache geschuldet war, dass ich mir aus ihren Erzählungen und Novellen kein wirkliches Bild von der Autorin machen konnte. Hm, ich meine, die Geschichten sind so verschieden: eine kommt daher wie eine mittelalterliche Geschichte, die an Hawthorne erinnert, mit Scheiterhaufen, Hexen, einem Haufen fanatischer Puritaner... eine andere dagegen wie ein moderne Reportage über die Wollerzeugung auf dem Lande... eine dritte wiederum wie eine sprudelnde Burleske, die auch ein Mark Twain erdacht haben könnte... oder eine weitere als eine vom tiefen christlichen Glauben durchdrungene Geschichte über die Entsagung, wie es George Eliot auch nicht besser hinbekommen haben mag...
Ihre „Sozialdramen“ kenne ich gar nicht, da sind Schlumeline und Johanna eher die „Kennerinnen“...
Aber „Cranford“ als Einstieg in Gaskells Werke kann ich nur empfehlen... Ich halte zwar viel von Julia, ihre tiefen Kenntnisse der englischen Literatur – besonders der Werke Jane Austens – kann man nur neidlos anerkennen, aber manchmal urteilt sie wie ein intellektueller Snob, vergisst das Herz und versucht, mit ihren Anmerkungen den ganzen Saal in Erstaunen zu setzen und formuliert dabei Verdikte, die als geflügeltes Wort der Nachwelt überliefert werden könnten (*hihihi* - eine Anspielung
)... Doch bei „Cranford“ irrt sie sich... Der besondere Humor Elizabeth Gaskells kommt in der Geschichtensammlung um die Bewohner einer englischen Kleinstadt wunderschön heraus: Die „Kuh in Flanellwäsche“ oder „der arme Peter“... oder den abendlichen Blick unters Bett – bzw. warum man lieber nicht darunter schauen sollte und stattdessen ein so wunderbarer Kniff erfunden wurde, um einen unter dem Bett versteckten Mörder zu entlarven... Ach, und die beiden übereinandergesetzten Hauben...
Wunderbar, herrlich... Nun ja, am Ende muss jeder selbst sehen, was er liest und was nicht...
Als Einstieg in „W&D“ taugt „Cranford“ sowieso: Man kann den „Haubenalarm“ der beiden Miss Brownings und die „Lady-Harriet-eilt-Molly-zur-Hilfe“-Aufregung in Hollingford erst so recht würdigen, wenn man das Gegenstück und den Vorläufer zu Hollingfort „Cranford“ kennt... Und falls man nach „Cranford“ keine Lust auf mehr Gaskell hat, was ich jedoch für unwahrscheinlich halte, kann man sich die Mühe, das viel dickere Buch „W&D“ zu lesen, ersparen...
NB: Jane Austen hat sich an solchen Cranford-/Hollingford-Leuten auch schon versucht, als sie ihre Miss Bates schuf... Und Elizabeth Gaskell hat dieses Thema mit der ihr eigenen – weniger schneidenden – Art von Humor wunderbar ausgearbeitet... Es lohnt also schon, diese beiden Darstellungen von „alten Jungfern“ zweier genialer Schriftstellerinnen zu vergleichen...
Bruki