Ich dachte, ich wechsle mal in diesen Thread - er ist neutraler, hat jedenfalls nicht so einen suggestiven Titel wie "Was haltet Ihr von Mansfield Park", das unterstellt ja irgendwie schon, dass man den Roman nicht gut finden kann.
Beim noch mal Grübeln über MP sind mir zwei Sachen aufgefallen (ich weiß nicht, ob das schon irgendwo mal angesprochen wurde, hab jetzt nicht
alles nachgelesen, was zu MP hier schon geschrieben wurde...).
Einmal zu Fanny (ich hoffe, das wird jetzt nicht zu wirr...). Hier im Thread hat Julia ja schon geschrieben, das Fanny möglicherweise viel weniger ernst zu nehmen ist, als man denken könnte. Tatsächlich kann man leicht darauf kommen, sie als moralinsaure künftige Pastorenfrau zu veralbern. Aber was man zumindest im Kern wohl ernst nehmen muss, ist die Empfindsamkeit, das Leiden und die Gefühlsintensität bei Fanny. Da gibt es vielleicht ein paar Übertreibungen, die fast ulkig wirken (spontan fällt mir die Stelle ein, wo sie ein Gedicht zitiert, als vom Bäumefällen die Rede ist), im Grunde ist das aber alles "echt".
Dann muss Fannys Not schon sehr groß sein, wenn man bedenkt, dass sie ja ausgerechnet Edmund unsterblich liebt, der für sie als fast unerreichbar gelten könnte, der zumindest keinerlei Anzeichen erkennen lässt, sie auch anders als eine Cousine zu lieben, sich vielmehr einer anderen Frau zuwendet. Worauf ich hinaus will, ist die Frage, was für ein Modell einer Liebesbeziehung hier vorgestellt wird. Julia hat geschrieben, dass die hilfsbedürftige, passive Frau damals offenbar eine bemerkenswerte Anziehungskraft auf Männer hatte. Umgekehrt ist es hier ja so, dass der erfahrene, sichere, gebildete Mann, der Hilfe geben kann, der in Fanny und Edmunds Fall fast so etwas wie eine Vaterfigur ist, auch seine Anziehungskraft ausübt - jedenfalls auf Fanny. Dieses spezielle Verhältnis, ob nun Vater-Tochter oder besser Lehrer-Schülerin (diese Konstellation kennen wir ja von
Emma auch, in Ansätzen sehe ich sie auch in
Northanger Abbey und
S&S) führt irgendwie dazu, dass zumindest ich das Verhältnis von Fanny zu Edmund als irgendwie ziemlich asexuell wahrgenommen habe. Aber vielleicht ist das ganz falsch? Vielleicht begehrt sie ihn mit einer Leidenschaft, die ständig zu unterdrücken für sie noch eine weitere Form der Hölle ist (neben der geringen Hoffnung auf Erfüllung, der Einsamkeit, der Marter durch Mrs. Norris und dem bestenfalls gleichgültigen Umgang der anderen Bertrams mit ihr)? Wobei dann interessant ist, dass das Unterdrücken, das korrekte und tugendhafte Verhalten, am Ende tatsächlich belohnt wird.
Wie man leiden kann, wenn man die Falche liebt/begehrt, sieht man übrigens ja an Edmund, der aber immerhin den Vorteil hat, in Fanny jemanden zu haben, dem er sein Leid ansatzweise schildern kann. Jedenfalls: Wenn ich so darüber nachdenke, wird mir Fanny irgendwie sympathischer.
Jetzt bin ich mir aber nicht sicher, ob rübergekommen ist, was ich meinte - hier sind es gerade so etwa 35 Grad, da neigt das Hirn dazu, seinen Aggregatzustand zu verändern, Miss Hamilton könnte sicher auch näher erklären, was das bedeutet.
Ach ja, was ich noch loswerden wollte, jetzt aber nur noch kurz: Ist Mansfield Park der einzige Roman von JA, der fast bis zuletzt, als Edmund endlich seine Liebe zu Fanny entdeckt, keinen eindeutigen männlichen Helden hat?