Ich kann die Kritik hier absolut verstehen und klar ist die dritte Staffel eine Staffel, an der sich die Geister scheiden. Sie polarisiert sehr, verständlich.
Der Guardian z.B. fand sie auch nicht so toll. Die Fälle geraten in den Hintergrund und es geht mehr um Sherlock und John selbst als ihre Fälle. Ich muss sagen, ich fand die Folge fantastisch und sie hat alle Voraussetzungen, meine Lieblingsfolge zu werden oder zumindest nahe dran.
Ich fand den Fokus auf John und Sherlock als Charakter fantastisch. Natürlich liegt das auch an den hervorragenden Darstellern, aber es macht im Moment auch einfach viel Sinn. Ich verstehe es so, dass Sherlock - nachdem er zwei Jahre weg war - irgendwie außen vor ist. Er kehrt in eine Welt zurück, die er nicht kennt. Er war früher schon der "Merkwürdige", aber zum ersten Mal gibt er sich wirklich Mühe, sich einzugliedern. Ich finde, er wächst als Mensch sehr stark und das hat man gesehen. Ich meine, bei dieser Folge hätte so viel schief gehen können: Sherlock hätte wirklich der grauenvollste Best Man der Geschichte werden können. Im Gedanken hatte mich mir schon weinende Brautjungfern und äußerst... ähm... irritierte Gäste vorgestellt. Außerdem hat Sherlock in der Vergangenheit ja immer alles versucht hat, um Johns Beziehungen zu sabotieren - sei es nun bewusst oder unbewusst (man bedenke nur die arme Dame in "A Scandal in Belgravia"), mittlerweile macht er es nicht mehr. Ich finde, Sherlock ist als Charakter stark gewachsen und mir macht es gar nichts aus, das zu sehen und nicht den perfekten Fall. Ganz ehrlich, das potenzielle Opfer hatte ich schon ziemlich schnell raus und dass es niemand aus der Wedding Party war (die Sherlock ja fast (?) alle höchstpersönlich überprüft hatte), hat zwar etwas länger gedauert, war aber nicht mehr überraschend.
Was überraschend war, war, dass Sherlock sich gekümmert hat! Er hat sich Gedanken um die Chief Bridesmaid gemacht, sogar so sehr, dass er am Ende einen Tanz mit ihr in Betracht gezogen hat. Er hat gemerkt, dass John und Mary ihn in einem gewissen Sinn gehandhabt haben, quasi wie ein kleines Kind (sie haben ja jetzt Übung

). Er hat total überkompensiert bei der Planung (er hat Serviettenfalten auf YouTube geschaut!). In einem gewissen Sinn mache ich mir auch Sorgen um Sherlock - er ist sich seiner eigenen Menschlichkeit und Einsamkeit bewusst geworden. Die kalkulierende Maschine, die er einmal war, ist nicht mehr - und er ist jetzt angreifbar. Ich glaube, das ist eher das, was sie mit dieser Staffel beabsichtigen: Wie hat der "neue" Sherlock Einfluss auf die Fälle und inwiefern beeinflusst der menschliche Faktor seine Fähigkeit, Fälle zu lösen - ganz gleich wie aufwendig oder leicht sie auch sein mögen.
Ich bin auch immer noch überzeugt, dass es einen größeren Plan in diesem allem gibt, der uns spätestens oder hoffentlich dann nächsten Sonntag klar wird. Die Spuren waren da. Ich meine, erst die Erwähnung von Marys Status als Waise und dann ein sehr pointiertes Telegramm von einem CAM (Charles Augustus Magnussen), in dem explizit erwähnt wird, dass es doch so toll wäre, wenn ihre Familie mit dabei wäre.
Aber ja, ich kann die Kritik vollkommen verstehen. Die Plots sind leichter geworden und sehr charakterzentriert. Und wenn man weniger gute Darsteller hätte, dann wäre das ganz schön in die Hose gegangen. Ich bin aber froh, dass sie es machen. Denn wenn sich die Charaktere nicht entwickeln würden, dann wäre Sherlock irgendwann nur noch das "Detective Drama", in dem das sozial total unfähige Genie mit dem weniger genialen aber treuen und menschlichen Sidekick wunderbar aufwendige Fälle lösen würde. Und auch das kann man nur so weit treiben.