Bruki hat geschrieben:
... und gestern "Jude" (nachdem ich von einer gewissen Person nachdrücklich darauf hingewiesen wurde, mir den unbedingt mal anzusehen
)... Vorher hab ich mir aber sicherheitshalber "Engel und Insekten" (nach Byatt) angeschaut, denn letztens war ich 3 Tage lag schwer depressiv, nachdem ich "Tess" (mit Justine Waddel
) sah... Bei Hardy kann man einfach nicht anders... Obwohl ich ja wusste, wie's ausgeht...
Na ja... Aber "Jude" war lang nicht so schön-schlimm wie "Tess", obwohl da Kate Winslet mitspielte und eigentlich am Ende hinreißend schön hätte sterben können... So konnte man nur den erhängten Sohn und ihre beiden erstickten Babys ansehen... der Rest wurde uns gnädigerweise erspart - und bei Jude mit einem kleinen Hustenanfall lediglich angedeutet... Aber ihre Darstellung des Wandels von der kecken, kämpferischen zur schwer depressiven, gebrochenen Sue Bridehead war schon verstörend mitanzusehen... Obwohl ich sagen muss, dass mir schon beim Lesen des Buches damals der tiefere Sinn dieses Zusammenbruchs nicht so recht einleuchten wollte. Ich komme aus einen atheistischen Elternhaus und religiöse Zwänge haben ich immer eher mit Voltairescher Skepsis gesehen als mit wirklichem Verständnis nachvollziehen gekonnt... Also, waren mir der plötzliche Zusammenbruch der Sue immer ein Rätsel geblieben... Doch es war eine andere Zeit und offenbar war es für die Viktorianer wichtig, die "richtige" Religion - oder Moral - zu haben / oder vorzuspiegeln? Wer versucht, "in der Wahrheit zu leben" hatte es schon immer schwer in unserer von Opportunisten bevölkerten kleinen Welt
... Ansonsten kam das Hardysche Skandalbuch gut in dem Film wieder (mal abgesehen davon, dass die Vorführung diverser sexueller Freiheiten oder die Umgehung religiöser Eheriten vor der Kopulation heute ja schon lange nicht mehr skandalös erscheinen
)...
Der für eine Hardy-Roman-Verfilmung geradezu optimistisch-kämpferische Schluss ist ja nicht das gewesen, was Hardy gedichtet hat... Da kam Arabella weit weniger glimpflich davon...
Aber bei "Tess" hieß es ja auch nur im Abspann "... wurde verurteilt und erhängt" ... Gibt es eigentlich einen Hardy-Roman, wo die Protagonisten am Ende nicht sterben?
Bruki
PS: "Jude" ist vielleicht eher ein Frauenfilm? Ich meine wegen Christopher Eccleston?! - ich kenn mich da nicht so aus...
Also ich weiß wirklich nicht, was an diesem Schluss optimistisch kämpferisch ist?!?! Ich habe selten einen Lebenden gesehen, der so tot war und vor allem aussah (ohne Überspitzung). Da ist nicht nur ein bisschen Hüsteln und "a little trifeling cold people do not die of." Und dass Sue (und ja auch Jude) keinen Heldentot stirbt sondern weiteleben muss macht die Sache nur noch unerträglicher, wenn Du so willst. (Soviel mal zu dem Motto: "Es ist nicht wie im Film, da stirbt der Held zum Schluss, damit man nicht zu lange ohne ihn auskommen muss). Ich habe des finale Finale bei Tess noch nicht durch (kann da also noch keine Vergleiche ziehen), aber an Jude gefällt mir die rauhe, mitunter aber eben trotzdem versöhnliche Stimmung so gut. Das gibt allein schon die Beleuchtung herrlich wieder. Es wird nie süßlich märchenhaft in güldenes Abendlicht getaucht, es ist immer hartes Tageslicht. Wenn überhaupt mal die Sonne scheint. Und trotzdem kenne ich keine so symbolisch treffende gleichwertig befreiende Szene wie die Algenschlacht am Strand.
Und der Scriptautor hat eben doch noch ein paar sympatische, nicht so dick aufgetragene Humorpunkte miteingebastelt ("Do I irritate you?" - "No." - "Not even if I try to prove how much cleverer (?) than you I am?" - "You are." - "Don't say that." - "Why not?" - "Because it's not the sort of thing you should admit to." - Why not if its true?" [Eigentlich wollte ich jetzt nochmal den Wortlaut überprüfen und Ms. Winslets herrlich ratlosen Blick einfügen, aber ich hab doch glatt ins leere Regal gegriffen...
]).
Und noch schöner: Ich musste mich bei dem Film nicht unbedingt von dem attraktiven Hauptdarsteller mitreißen lassen, weil dass auch so funktioniert hat. Attraktiv im klassischen Sinne finde ich den eh nicht. Also nicht mit "Schmachtfaktor", oder wie auch immer man das ausdrücken mag. Obwohl er sicher weit charismatischer und männlicher wirkt als der Mann auf der Hülle der
BBC-Verfilmung von JUDE
Und zu dem Zusammenbruch: Ich dachte immer der Sinn bestünde bei Hardy darin, dass es keinen Sinn gibt/hat? Und ich weiß auch nicht, was auf eine religiöse Begründung hindeutet? Die Religion - besser den Katechismus kann man hier doch auch als bloßes Ausdrucksmittel verstehen, oder? Ist das denn nicht sogar negativ behaftet dargestellt? Also Sue zunächst als freidenkerische junge Frau mit atheistischen Anleihen und zum Schluss gebrochen und frömmelnd?