Bingley hat geschrieben:
Auch fehlte dem Drehbuch der Witz und die Ursprünglichkeit, die doch gerade die meisten Jane-Austen-Romane auszeichnet. Wer denkt ähnlich ?
Der mangelnde Humor und Sprachwitz ist mir (und einigen anderen ja auch, so war mein Eindruck) besonders negativ aufgefallen, als ich mir den Film gestern endlich einmal anschaute. Ich musste kein einziges Mal lachen, und wenn's hochkommt, vielleicht ein oder zweimal schmunzeln --- und jedes Mal nicht wegen etwas, was Jane Austen von sich gab, was ich sehr bedauerlich finde.
Ich muss sagen, dass ich den Film gar nicht so schlecht fand, wie ich befürchtete. Da ich bereits wusste, wie frei da biografisch mit Jane Austens Leben umgegangen war, konnte ich mich entspannt zurücklehnen, anstatt mich von Anfang bis Ende aufzuregen --- und es überraschte mich eigentlich nichts mehr.
Anne Hathaway hat mir als Jane Austen eigentlich recht gut gefallen --- sie konnte ja nichts für das Drehbuch, das die Figur der Jane Austen so farblos und ohne jeglichen Humor und Wortwitz, der so typisch für Jane Austens Romane und auch ihre Briefe ist, zeichnete. Wäre der Charakter vom Drehbuch her lebhafter und geistreicher gestaltet worden, so bin ich sicher, hätte Anne Hathaway das auch prima umsetzen können. Es lag also nicht unbedingt an ihr. Man gab ihr ja keine Gelegenheit dazu.
In der Form, wie sie in diesem Film dargestellt wurde, hatte sie kaum etwas mit dem Bild der (jungen) Jane Austen gemein, das im Laufe meiner Jane-Austen-Erfahrung (also durch intensives Lesen ihrer Romane und Briefe) entstanden ist. Natürlich kann heutzutage niemand wissen, wie Jane Austen tatsächlich war (und ich will nicht behaupten, dass ich ihr jemals die Hand geschüttelt und sie persönlich kennengelernt hätte, und somit die Weisheit gepachtet habe
) doch in gewissem Maße charakterisiert sich ein Mensch schließlich durch seine eigenen Worte und Briefe selbst, und vermittelt dadurch der Nachwelt ein recht genaues Bild seines Charakters und Wesens.
Auf die Idee, die beiden Briefe Jane Austens im Film zu verwenden, in denen sie sogar selbst über Tom Lefroy schrieb, und durch die sie sich wie von selbst charakterisiert hätte, kam natürlich niemand.
Vermutlich, weil dann zu sehr aufgefallen wäre, wie falsch auch Tom Lefroy dargestellt wurde.
Ich muss sagen, dass Tom hier im Film eine Menge Charme hatte. Doch mir stellt sich ernsthaft die Frage, ob Jane Austen sich wirklich in einen solchen Filou verliebt hätte? Wäre sie dazu nicht viel zu vernünftig gewesen? Und lehnt sie in ihren Romanen solche Wickhams nicht vielmehr ab? Mein Eindruck war bisher, dass sie diesen Herren kritisch gegenüberstand --- es erscheint mir daher ziemlich unglaubwürdig, dass sie ihre "große Liebe" (und dass Tom die "große Liebe" für Jane blieb, wird im Film am Schluss (bei der Lesung) ja fünfmal fett unterstrichen) für den Buhmann beispielsweise in P&P verbraten hätte. Denn dass dieser Tom nicht das Vorbild für Darcy gewesen sein kann, ist ja eingermaßen klar... Oder?
Man weiß wenig über Jane Austen. Man weiß fast gar nichts über Tom Lefroy. Doch soviel weiß man, wenn man zumindest den zweiten Brief liest, den Jane Austen über Tom schrieb: Darin steht, dass Tom so verlegen war, weil man ihn in seiner Familie wegen Jane aufzog, dass er davonlief, als Jane bei den Lefroys zu Besuch kam. Würde sich der Tom, wie er im Film dargestellt wird, so verhalten? Nein, natürlich nicht. Und darum lässt man die Briefe einfach weg und ignoriert, dass dieses Verhalten eher zu einem sich durch Schüchternheit auszeichnenden Wesen passt, als zu einem Draufgänger, der sein Studium nicht ernst nimmt, Boxstunden nimmt, seine Nächte mit leichten Damen verbringt usw. Seufz!
Davon, dass Jon Spence angeblich der "historische Berater" war, ist nicht allzu viel zu spüren. Wo kommt dieser Wisley her? Und dass der arme John Warren als der "böse" Verehrer herhalten musste, der durch seinen Brief an Toms Großonkel, Benjamin Langlois (der eigentlich ja mit Toms Familie väterlicherseits verwandt war, nicht mütterlicherseits, wie im Film behauptet; ach, ja, und wurde überhaupt ein einziges Mal erwähnt, wie Toms Großonkel eigentlich heißt? Ich kann mich nicht erinnern...), Janes Glück zerstörte, fand ich schon geradezu unverschämt! Robert Fowle, Cassandras Verlobter, heißt ja eigentlich auch Tom mit Vornamen, doch vielleicht wäre das zu verwirrend geworden. Zu der Zeit, als die Sache mit Tom war, lebte Eliza de Feuillide meines Wissens schon lange nicht mehr in Steventon, sondern hatte mit ihrem Söhnchen ein Stadthaus in London bezogen. Und aller wissenschaftlichen Forschung nach sind sich Jane Austen und Mrs Radcliffe niemals persönlich begegnet...
Doch ich will nicht nur meckern, sonst würden mir noch zig Sachen einfallen, die unlogisch, unglaubwürdig oder nicht gelungen waren. Der seltsame Grund zum Beispiel, warum Tom in Ashe zu Besuch kam --- als Bestrafung?!?!? Oder dieses "Miteinander-Durchbrennen", zu dem Cassandra letztlich auch noch ihre Zustimmung gibt --- dabei muss man nur mal P&P aufschlagen und in ein paar Kapiteln nachlesen, was Jane Austen vom "Durchbrennen" hielt! Was soll's.
Die Kostüme waren toll, die Musik wunderschön, die Locations und Settings, und der Ball, eindrucksvoll. (Das Tanzstück vom Ball kam mir sehr bekannt vor? Kam das nicht schonmal in einem früheren Jane-Austen-Film vor?). Man ließ sich Zeit, filmte teilweise aus interessanten Perspektiven. Rein filmisch fand ich den Film gelungen.
Anna Maxwell Martin als Janes Schwester Cassandra fand ich sehr gut; schade, dass die Dame kaum zum Zug kam und dass Cassandras bedeutsame Rolle in Jane Austens Leben nur schwach zum Ausdruck kam.
Auch Julie Walters in ihrer pragmatischen, vernünftigen Art hat mir als Janes Mutter sehr gefallen.
Fazit: Als Liebesfilm fand ich den Film sehr schön (bis ergreifend), als Darstellung von Jane Austens Leben und ihren schriftstellerischen Anfängen ließ er sehr zu wünschen übrig.