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 Betreff des Beitrags: Dichter der Romantik
BeitragVerfasst: Mittwoch 20. August 2008, 23:13 
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Austenbegeistert
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Registriert: Mittwoch 25. Juni 2008, 16:30
Beiträge: 245
Teilt vielleicht jemand meine Leidenschaft für die Dichter der Romantik?


Über alles geliebter Keats.

Ode an die Nachtigall

Mein Herz schmerzt, und ein tauber Krampf durchfährt
Mein Hirn, als ob ich Schierling angerührt
Oder ein trübes Opiat vollends geleert
Grad hätte und zur Lethe sinken würd:
Nicht Neid ist’s auf dein glückliches Geschick,
Vielmehr des Glücks in deinem Glück zuviel —
Daß du, Dryas des Walds, dich leicht beschwingst
Am melodienreichen Knick
Aus Buchengrün und lauter Schattenspiel
Und ruhig aus vollem Hals vom Sommer singst.


O, einen Schluck des Weins!, der lang versteckt
Kühl im tief-ausgehöhlten Erdreich lag,
Nach Flora und den grünen Weiten schmeckt,
Tanz, Liedern der Provence, nach heißem Tag!
O einen Becher Süden, warm und rund,
Voll echter Hippokrene, rosigblaß,
Der blinkt am Rand, wo Perlenbläschen sind
Vorm rotgefleckten Mund,
Daß ich die Welt so ungesehn verlaß
Und mit dir fort, hinein ins Walddunkel verschwind —


Sich auflösen, verschwinden, und am Schluß
Vergessen, was im Laubwerk dich nie stört,
Die Qual, das Fieber und den Überdruß
Hier, wo ein jeder jeden stöhnen hört;
Wo letztes graues Haar vom Schlagfluß bebt,
Wo Jugend bleich und schemen-dürr verfällt;
Wo denken heißt, daß man vor Gram und Sorgen
Bleierne Lider hebt;
Wo Schönheit ihren Augenglanz nicht hält
Und neue Liebe dies nur schmerzt bis morgen.


Fort! fort! fliegen zu dir will ich fürwahr,
Nicht, daß mich Bacchus‘ Parderwagen trägt,
Nein Poesiens unsichtbares Flügelpaar,
Auch wenn das Hirn sich wirr und schleppend regt.
Und bin schon bei dir! Zärtlich ist die Nacht
Und thront vielleicht die Mondenkönigin
Im Haufen aller ihrer Sternenfeen;
Nur Licht scheint keines sacht
Als jenes, das vom Himmel Brisen dünn
Durchs dunkle Grün und Moos der Wege wehn.


Ich kann nicht sehn, was mir zu Füßen sprießt,
Noch welch Geruch mild auf den Ästen hängt,
Doch ich erahn, im Duft des Dunkels süßt
Der Monat alles zeitig und beschenkt
Das Gras, das Dickicht und den Obstbaum lind —
Läßt Weißdorn neben Heiderosen sein;
Rasch welke Veilchen ganz von Laub vermummt;
Und Mittmais ältstes Kind,
Die Moschusrose, bald voll Tau und Wein,
Den Ort, der sommernachts vor Fliegen brummt.


Umdunkelt lausch ich; ich hab manches Mal
Mich halbwegs in den leichten Tod verguckt,
Gab ihm erträumte Namen ohne Zahl,
Damit die Luft mein ruhiges Atmen schluckt;
Jetzt merk ich erst, wie köstlich Sterben ist,
Wenn mitternachts sich aller Schmerz verlor,
Da du dein Herz verströmst und ungehemmt
In solch Ekstase bist!
Du sängest weiter, und wär taub mein Ohr —
Ich ein Stück Rasen für dein Requiem.


Du stirbst nicht, Vogel, du lebst ewiglich!
Nein, dich zertritt kein hungriges Geschlecht;
Wie ich dich heute nacht, so hörten dich
In alten Tagen Kaiser schon und Knecht:
Vielleicht das gleiche Lied, das unverhofft
Ruth durch ihr Herz fuhr, als sie, ohne Trost,
Vor Heimweh, in dem fremden Kornfeld stand;
Das gleiche, das so oft
Magie in Zauberfenster trug, umtost
Vom Sturmmeer, im verlornen Märchenland.


Verlorn! — das Wort schon ruft wie Glockenklang
Zurück von dir mein einsam Ich mir jäh!
Adieu! — die Phantasie täuscht nicht so lang
Wie man ihr nachrühmt, trügerische Fee.
Adieu! adieu! — dein Klagelied verklingt
Jenseits nahn Wiesen, überm stillen Bach,
Hangaufwärts; und ins nächste Tal gräbt’s sich
Tief ein jetzt und versinkt:
War es Vision? Ein Traum und ich doch wach?
Fort die Musik — Wach oder schlafe ich?

_________________
Allen ist das Denken erlaubt. Vielen bleibt es erspart.
Curt Goetz


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Mittwoch 20. August 2008, 23:13 


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 Betreff des Beitrags: Re: Dichter der Romantik
BeitragVerfasst: Freitag 5. September 2008, 09:36 
Ich würde meinem Pseudonym Unrecht antun, wenn ich länger mit ansehen würde, dass hier jemand einen Ball wirft, niemand ihn aber auffängt. Mir war dieses schöne Gedicht nicht bekannt. Es handelt sich ja um eine Übersetzung. Ich habe eine etwas andere Version entdecken können, die, wei ich persönlich empfinde, der Romatik gerechter wird:

Ein Herz tut weh, und schläfriges Erlahmen,
Als hätt ich Gift getrunken, quält mich sehr.
Betäubte mich ein Trank aus giftigen Samen?
Mich hüllt Vergessenheit, ich weiß nichts mehr.
Doch ist's nicht Neid auf dein so glücklich Los –
Nur füllt so schwer mit Glück dein Glück mich an:
Daß du, des Walds beflügelte Dryade,
In lieblich kühlem Schoß,
Im Schatten, den das Buchengrün dir spann,
Der Freiheit jubeln kannst, der Sommergnade.

O Wein jetzt! Jungen Wein, den Erde kühlte,
Den dunkelkühl ein langes Jahr gereift,
Der sonngebräunten Frohsinn tanzen fühlte,
Und der des Provençalen Lied begreift;
O einen Becher warmen Südens jetzt!
O Hippokrene, die zum Rande schäumt
Und gern und gut Begeisterung bereitet
Mit Lippen rot benetzt,
Dich will ich trinken, daß ich ungesäumt
Zum Wald entschweben kann, von dir geleitet.

Entschweben, ganz vergehn – und ganz vergessen,
Was du in deinem Walde nie gekannt:
Die Menschennot, die Mühen unermessen,
Das Sorgenfieber, das die Herzen bannt;
Du weißt nicht, wie gelähmtes Alter stöhnt,
Wie Denken immer nur Sich-härmen heißt,
Wie Jugend bleicht und schleicht und siecht und schwindet,
Und wie Verzweiflung höhnt,
Wo Schönheit, wenn ihr Blick das Leben preist,
Um Liebe weinen lernt und bald erblindet.
Hinweg! Zu dir! Doch soll nicht Bacchus Wagen
Mit Pantherkraft mich ziehn, nein! Poesie
Soll mich auf unsichtbaren Schwingen tragen,
Drückt auch dies Hirn noch müde Apathie.
Schon bin ich bei dir! Milde ist die Nacht,
Und Luna thront mit lächelndem Gesicht
Und überblickt ihr Sternenvolk voll Gnade,
Doch hat sie hier nicht Macht:
Nur manchmal bläst ein Windhauch etwas Licht
Durch grüne Dämmernis auf moosige Pfade.

Ich sehe nicht, was blüht zu meinen Fußen,
Welch süßer Balsam rings an Zweigen hängt;
Doch auch im Dunkel ahn ich, was an süßen
Duftwellen atmend in die Mainacht drängt
Aus wildem Beerenbaum und Gras und Strauch:
Ich atme Weißdornduft und Rosenblühn
Und Veilchen, die in Blätterbetten sterben,
Und Moschusrosen auch,
In denen morgens bunte Tropfen glühn
Und abends Sommerfliegen sich umwerben.

Im Dunkel lausche ich; und wie Verlangen
Mich oft schon faßte nach dem stillen Grab,
Wie ich dem Tod, mich herzlich zu umfangen,
Schon oft in Liedern liebe Namen gab,
So scheint mir Sterben jetzt besonders schön.
Ach, schmerzlos mich zu lösen in die Nacht,
Indeß dein Sang in heiligen Ekstasen
Beschüttet Tal und Höhn
Und doch mein Herz nicht höher schlagen macht,
Das nur als Duft noch schwingt im blumigen Rasen.

Du Vöglein wurdest nicht zum Tod geboren!
Nein, dich zertritt kein hungerndes Geschlecht.
Was diese Nacht mir tönt, sang in die Ohren
Dem ersten König schon, dem ersten Knecht,
Und ist vielleicht derselbe Sang, der tief
Der heimwehkranken Ruth zum Herzen klang,
Als sie in Tränen schritt durch fremde Gassen,
Derselbe Sang, der tief
Bezaubernd sich um Märchenschlösser schwang
Und Feenreiche, die nun längst verlassen.

Verlassen! Ach, dies Wort ist wie das Klingen
Trostloser Glocken, das zu mir mich mahnt!
Auch Phantasie kann nicht Erlösung bringen,
Wenn ihr nicht Hoffnung einen Weg gebahnt.
Lebwohl! Lebwohl! Dein Schmerzgesang entschwebt
Zum Wiesengrund aus Waldes hohem Dom,
Ins Tal hinab und schweigt am dunklen Bache.
Ward mir ein Traum belebt?
Betrog die wachen Sinne ein Phantom?
Wer sagt mir, ob ich schlafe oder wache!

Quelle: Keats, John: Gedichte. Leipzig [1910], S. 12-15.


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 Betreff des Beitrags: Re: Dichter der Romantik
BeitragVerfasst: Freitag 5. September 2008, 11:18 
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Austenbegeistert
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Registriert: Mittwoch 25. Juni 2008, 16:30
Beiträge: 245
War er nicht einfach unglaublich? :danke:

Als Kind liebte ich es wenn mein Vater diese Ballade zitierte:

Nächtlich am Busento lispeln, bei Cosenza, dumpfe Lieder,
Aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es wider!

Und den Fluß hinauf, hinunter, ziehn die Schatten tapfrer Goten,
Die den Alarich beweinen, ihres Volkes besten Toten.

Allzufrüh und fern der Heimat mußten hier sie ihn begraben,
Während noch die Jugendlocken seine Schulter blond umgaben.

Und am Ufer des Busento reihten sie sich um die Wette,
Um die Strömung abzuleiten, gruben sie ein frisches Bette.

In der wogenleeren Höhlung wühlten sie empor die Erde,
Senkten tief hinein den Leichnam, mit der Rüstung, auf dem Pferde.

Deckten dann mit Erde wieder ihn und seine stolze Habe,
Daß die hohen Stromgewächse wüchsen aus dem Heldengrabe.

Abgelenkt zum zweiten Male, ward der Fluß herbeigezogen:
Mächtig in ihr altes Bette schäumten die Busentowogen.

Und es sang ein Chor von Männern: Schlaf in deinen Heldenehren!
Keines Römers schnöde Habsucht soll dir je dein Grab versehren!

Sangen's, und die Lobgesänge tönten fort im Gotenheere;
Wälze sie, Busentowelle, wälze sie von Meer zu Meere!


August Graf von Platen

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Curt Goetz


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 Betreff des Beitrags: Re: Dichter der Romantik
BeitragVerfasst: Montag 22. September 2008, 16:11 
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Austenbegeistert
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Registriert: Mittwoch 25. Juni 2008, 16:30
Beiträge: 245
Küsse die man im Dunkeln stiehlt


Heinrich Heine

Küsse, die man stiehlt im Dunkeln
Und im Dunkeln wiedergibt,
Solche Küsse, wie besel'gen
Sie die Seele, wenn sie liebt!

Ahnend und erinnrungsüchtig
Denkt die Seele sich dabei
Manches von vergangnen Tagen,
Und von Zukunft mancherlei.

Doch das gar zu viele Denken
Ist bedenklich, wenn man küßt; -
Weine lieber, liebe Seele,
Weil das Weinen leichter ist.


Heinrich Heine

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BeitragVerfasst: Dienstag 30. April 2013, 12:08 
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Austenfrischling
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Registriert: Freitag 17. Februar 2012, 09:30
Beiträge: 20
Wohnort: Schönbühl (Bern)
richtiger Name: Wolfgang Paul
Ein wahrer Diamant der deutschen Sprache, funkelnd, gliternd, immer wieder neu und strahlend; wie mans auch wendet.



Clemens Brentano

Hörst du wie die Brunnen rauschen,
Hörst du wie die Grille zirpt?
Stille, stille, laß uns lauschen,
Selig, wer in Träumen stirbt.
Selig, wen die Wolken wiegen,
Wem der Mond ein Schlaflied singt,
O wie selig kann der fliegen,
Dem der Traum den Flügel schwingt,
Daß an blauer Himmelsdecke
Sterne er wie Blumen pflückt:
Schlafe, träume, flieg', ich wecke
Bald Dich auf und bin beglückt.


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