Themrys hat geschrieben:
Ich würde sowieso in Zweifel ziehen, dass sich viele Frauen einen Mr. Darcy wünschen. Er mag, wenn man ihn vom Standpunkt einer heutigen Frau betrachtet, gute Manieren haben - aber auch ein Mr. Bingley stand damals auf, wenn eine Dame den Raum betrat. Und selbst die Umgangsformen von Wickham sind nicht die Schlechtesten - auch er hätte wohl, vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, den Charme eines altmodischen Gentleman.
Würde Mr. Darcy heute leben, so wäre er ein Partymuffel, könnte nicht tanzen, und wäre alles in allem eine typische Spaßbremse.
Vermutlich gibt es eine ganze Menge Männer die ihm ähneln, und nie eine Freundin finden, weil ihre Schüchternheit als Arroganz missdeutet - oder als unmännlich angesehen wird.
Ich stelle die Behauptung auf: Die meisten Frauen würden sich, vor die Wahl gestellt, wohl eher für einen Mr. Bingley entscheiden.
Immer diese Äußerlichkeiten und die Spaßgesellschaft.
Für mich sind nicht die Menschen, mit denen ich im Beruf, Alltag und in der Freizeit den größten Spaß habe wertvoll, sondern solche, mit denen man gut arbeiten und leben kann, auf die man sich in jeder Hinsicht verlassen kann, die auch für dich einstehen.
"Melde dich, wenn du Hilfe brauchst, ich bin für dich da." Wer hat den Satz nicht schon gehört, und als man dann Hilfe gebraucht hätte, war keiner da.
Ein Darcy fragt nicht groß und sabbelt leere Luft; er handelt.
Und wegen seiner Borniertheit, kenne ich auch andere, die Klassenkameraden nicht nur als "minderwertig" abtun, sondern sogar mobben, drangsalieren und ähnliches mehr.
Darcy lebte in einem recht starren Klassensysthem. Da ist es verständlich, dass seine erste Regung bezüglich des allgemeinen Verhaltens auf dem Ball nicht gerade euphorisch war.
Er war eben das ländliche, recht ausgelassene Treiben, das vor allem die Bennets an den Tag legten nicht nur nicht gewohnt, sondern war darüber schockiert.
Er empfand sie halt verständlicherweise als
Landpomeranzen, im Gegensatz zu Bingley, dessen Geist ja nun auch nicht wirklich weit geht, und dem einfache Freuden, wie ausgelassenes Rumgehüpfe mehr Spaß macht als zu lesen. Dabei darf man nicht vergessen, dass Darcy seinen Freund nur begleitete, weil dieser ihm mit dem Ball zuvor in den Ohren gelegen hatte. Ist doch klar, dass sich Darcy in seiner Ablehnung nun bestätigt sieht und lieber mit einem guten Buch am Kamin sitzen würde.
Um ehrlich zu sein habe ich mich immer ein wenig gefragt, was Darcy wohl an Bingley findet. Hat er während der Ausbildung an Darcys Beschützerinstinkt apelliert und ihn dann mit Gutmütigkeit und Großzügigkeit zum Freund gewonnnen?
Ich würde Bingley übrigens weder als Freund, noch als Gatten wollen. Mich nerven Leute, die ihre Entscheidungen von Dritten absegnen lassen müssen, die sich von Außen dreinreden lassen, und die so gutmütig sind, dass ihnen das Personal auf der Nase rumtanzen kann.
Wickham ist ein Spieler, Zocker und Betrüger. Da bleibt von Begriffen wie Anstand, Ehre und zweifellosem Ruf nicht mehr viel übrig, was einen Gentleman ausmacht. Wickham gilt nur als Gentleman, weil er keinem Beruf nachgeht, der das gesellschaftliche "Aus" bedeuten würde. Ich wüsste nichts an ihm, das erstrebenswert wäre, wenn man das Aussehen weglässt. Ich wäre im Gegenteil, bei allzu charmanten Plauderern generell vorsichtig, denn die Erfahrung zeigt, dass zuviel leere Luft in ihren Worten ist und sie einen nur "einwickeln" wollen..
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Grüsse, Caro
Avatar: Amelia Darcy (1754-1784)
Für 1 Jahr säe einen Samen, für 10 Jahre pflanze einen Baum, für 100 Jahre erziehe einen Menschen. chin. Weisheit