Julia hat geschrieben:
... bestätigt für mich fast eine der Theorien, die ich hier mal ein paar Seiten zuvor angebracht habe. Nämlich, dass Fanny als Charakter "nicht ernst gemeint ist". ...
Endlich, endlich, endlich... ich bin zwar bis über beide Ohren in Nasenfragen, der Wirkung heißer Kastanien in Hosenbünden und der Frage, wo Onkel Toby seine Verwundung empfing
(Lilliburlero) verstrickt, aber für eine Frage muss Raum sein: Was meinst Du mit "nicht ernst gemeint" sein? Doch hoffentlich nicht, das, was es bedeutet?!
Julia hat geschrieben:
... Dass man sie gar nicht so sympathisch finden und sich mit ihr identifizieren sollte, zumindest nicht so uneingeschränkt wie z.B. in P&P mit der Hauptfigur Lizzy. Und ich glaube, dass Unbehagen, das viele bei dem Buch haben ist genau dieser Zwiespalt. Fanny ist die Hauptperson und man will sich (automatisch) mit ihr identifizieren - kann es aber nicht. ...
... sagen wir mal so: Einige können, andere nicht... :aetsch:
Julia hat geschrieben:
... Vielleicht ist Fanny eher als kritisches Bild des damaligen weiblichen Ideals gedacht. ...
Ich würde bei keinem der Austenschen Hauptcharaktere sagen, sie illustrierten irgendeine Ideologie oder ein allgemeines Bild... Sie sind sicher "nach dem Leben" gestaltet, aber alles andere dichten wir heutigen ihnen nur an...
Und wenn schon Ideal, dann ein positives: Fanny ist einer der stillen Helden, die die Welt am drehen halten und die das Leben so vieler angenehm und erträglich machen und auf deren Grab niemand Blumen stellt... (Greif zu George Elliots "Middlemarch" und lies das am Schluss nach ... so eine wie die von GE gefeierte Heldin ist unsere Fanny... )
Fanny ist ein ebenso "runder" Charakter wie Jane Austens andere Heldinnen, ganz und gar natürlich und äußerst wahrscheinlich gebildet... den Mangel an Ernsthaftigkeit kann ich nicht sehen... außer man unterstellt Jane Austen ideologische Gründe, die ihr - wie ich das sehe - ganz und gar fern lagen... jedenfalls in der Plumpheit, wie wir das heute gerne machen und verstehen... :aetsch:
Julia hat geschrieben:
... was JA so an unabhängigen und offen sprechenden Heldinnen beschrieben hat, und wie sarkastisch und gnadenlos sie all die "vornehm zurückhaltenden" dargestellt hat, dann kann ich eigentlich kaum glauben, dass das "ernst" gemeint sein soll....
Ich behaupte, Fanny Price ist nicht weniger eigenständig als Elizabeth Bennet, ja sie muss sogar viel härter kämpfen, denn sie ist in eine Umgebung gestellt, die weit weniger Schutz bietet als die Bennetfamilie deren Töchtern... Fannys Stellung im Leben ist weit unsicherer als die Elizabeth' und ihrer Schwestern... und Fanny bewahrt sich und ihre Integrität sehr wohl gegen ganz reale existentielle Bedrohungen... die andere zum Einknicken gebracht haben würden... weder Drohungen, noch Schmeicheleien, noch Liebesentzug machen sie wanken... (na ja, das letzte etwas, wenn es um den lieben, guten, freundlichen Sir Thomas geht und um Edmunds Liebe... - Na ja, auch das nicht, das macht sie nur traurig und bringt sie zum Weinen
)
Julia hat geschrieben:
... Keine Ahnung, ob das nun wirklich so gedacht ist oder nicht, das wird man nicht mehr herausfinden können, aber mir hilft diese Sichtweise zumindest, das Buch für mich selbst besser zu verstehen.
(Dagegen spricht, dass JA's eigene Lieblingshelden aus ihren Büchern laut einem Brief an ihre Freundin Mr. Knightley und eben der gute Edmund waren. Ausgerechnet .)
Vielleicht sah Jane Austen ja in Edmund das Abbild ihrer Brüder vor sich...
Bruki