Elanor hat geschrieben:
Als ich heute morgen das Kapitel gehört habe, war ich wieder beeindruckt von Miss Bates' Redefluß bzw. von JA, wie schreibt man so was.
Ja, finde ich auch. Vor allem, weil Austen wieder einmal durch Miss Bates` Redeschwall erzählt, was gerade so passiert. Man sieht das geradezu vor dem geistigen Auge, indem Miss Bates durch die Menge läuft, ohne Ende schwatzend. Die Figuren tauchen auf, werden durch andere ersetzt, man erfährt, was passiert, ahnt aber auch sehr genau, was die Leute über Miss Bates denken. Mir kommt das fast vor wie in einem Film. Und dann die kleinen Hinweise: Wie liebevoll Frank Churchill seiner Jane die Stola umgelegt haben mag, zugleich der Seitenhieb auf den Londoner Friseur und die nur scheinbar unterdrückte Enttäuschung über das Frikassee, das Mrs. Bates vorenthalten wurde, was Emma aber nicht erfahren soll, dafür aber gleich der ganze Ballsaal. Das ist unglaublich gut gemacht.
Zitat:
Wenn man das Ende schon kennt, gibt es hier auch viele Hinweise auf Franks wahre Gefühlslage, auch wenn er immer wieder tapfer versucht, sich zu "tarnen".
Ich bin jetzt überzeugt, dass das Lesevergnügen an Emma viel größer ist, wenn man das Ende kennt. So viele Details, versteckte Hinweise, die zu entdecken Spaß macht. In Bezug auf Frank und Jane und Emma finde ich die Szene besonders gelungen, in der Emma und Frank über Mrs. Elton flüstern. Emma merkt (wieder einmal) nicht, dass Frank vorher schon wg. Janes Ankunft so aufgeregt ist, hier glaubt sie, er sei in Gedanken versunken, tatsächlich hört er genau zu, was Mrs. Elton und Jane hinter ihm reden. Sie wird nicht mal stutzig, als er sich empört, dass Mrs. Elton Jane Jane nennt - genau so, wie sie sich empört hat, dass Mrs. Elton Mr. Knightley Knightley genannt hat. Wüsste sie, dass sie Mr. Knightley liebt, hätte sie sich hier ihren Teil denken müssen. Und sehr schön, wie die beiden aneinander vorbeireden: Frank denkt ja, dass Emma weiß, was er für Jane empfindet, da kriegt die Frage, ob er gegenüber Mrs. Elton undankbar ist, eine doppelte Bedeutung.
Das ganze Kapitel ist großartig, vielleicht eines der besten. Toll inszeniert. Allein der Auftritt von Mrs. Elton: Hier wird sehr deutlich, wie viel sie und Emma gemein haben, in spiegelverkehrter Form, wie Julia schrieb. Beide denken, für sie sei der Ball ausgerichtet worden, beide glauben auch, einen Anspruch darauf zu haben. (Die Ironie ist, dass Frank den Ball allein für Jane inszeniert haben dürfte....). Emma empfindet deutlich die Demütigung, vor Mrs. Elton zurücktreten zu müssen - wobei sie darüber aber, was sehr für sie spricht, noch halbwegs lachen kann. Und dann "verliebt" sich Mrs. Elton praktisch sofort in Frank Churchill - sie scheint auch einen ähnlichen Geschmack wie Emma zu haben. Als Äußerlichkeit hinzu kommt, dass beide wohl die bestangezogenen Damen des Abends sein dürften, auch wenn Emma auf Perlen verzichtet haben könnte.
Und deutlicher als irgendwo bisher zeigt sich hier, dass Emma ihren Knightley schon längst liebt: Ihre Beschreibung, wie er am Rand des Tanzsaals stehend alle Männer überstrahlt, ihre Glückseligkeit, als er Harriet rettet - das ist alles genau so beschrieben, wie eine Liebende ihren Liebsten anhimmeln würde. Was Emma halt nach wie vor fehlt, ist das Vermögen, sich selbst zu erkennen. Immerhin erkennt sie hier glasklar und gesteht es ein, dass sie Mr. Elton völlig falsch eingeschätzt hat. Was mich da kurz gewundert hat: Mr. Knightley sagt, sie solle zugeben, dass sie geplant habe, Mr. Elton mit Harriet zu verheiraten - ich dachte, das wäre zwischen den beiden schon längst klar. Deswegen hat er sie doch schon einmal ausgeschimpft. Und gewundert hat mich auch, dass Grawe "Brother" und "Sister" mit "Schwager" und "Schwägerin" übersetzt. Auch wenn das der tatsächlichen Verwandtschaft natürlich näher kommt.
Zitat:
Mr Elton betreffend: Sieht er eigentlich, wie unpassend seine Entschuldigung Mrs. Westen gegenüber ist, Ihr Mann, deutlich älter als er eröffnet mit seiner Frau den Ball und er selbst bezeichnet sie selbst als "old married man", um Harriet schneiden zu können.
Ob das absichtlich so eingebaut ist, was meint ihr, ist mir eben so bewusst geworden.
Vermutlich, weil bei Austen ja fast nichts ohne Absicht passiert.
Die Elton-Harriet-Szene finde ich auch sehr gut. Als Leser empfindet man nicht nur die Gemeinheit, sondern auch die Schadenfreude, als Mr. Knightley ihn abblitzen lässt, obwohl er sich gerade auf ein langes Gespräch mit seinem "Freund" eingerichtet hat. Und zugleich wird Mr. Elton auch wieder sprachlich abqualifiziert mit seinem wiederholten Gerede davon, dass seine "dancing days" vorüber seien. (Von Grawe ist das ganz gut übersetzt mit der Phrase "Ich habe lange genug das Tanzbein geschwungen.").
Ich glaube, das hier ist eines meiner Lieblingskapitel, es hat einfach fast alles auf einmal, was das ganze Buch so toll macht.