@Emma W. Schön dass Du dabei bist!
Und auch gerade im richtigen Moment - ich hatte schon Sorge, der Groupread versickert in der sommerlichen Hitze.
zu Frank & Emma: Ich denke nicht, dass Emma so naiv ist, dass sie nicht weiß "was Liebe ist" oder "wie sich verliebt sein anfühlt". Sie mag es vielleicht noch nicht selbst erlebt haben, und bzgl. Harriet und Mr Elton auch eine etwas abstrakte, irgendwie roman-hafte Vorstellung davon haben. Und auch ihre Selbstanalysefähigkeiten mögen etwas verwaschen sein - aber sie macht sich nichts vor bzgl. Frank. Er
flirtet mit ihr, ist doch klar, dass das einer jungen, halbwegs lebenslustigen Frau gefällt und ihr auch schmeichelt. Zumal Highbury diesbezüglich nicht viel zu bieten hat. Und deshalb auch logisch bzw. passend, dass sie nicht routiniert damit umgeht bzw. es ganz rational einordnen kann. Sie weiß, dass sie Frank nicht liebt, aber sie versteht nicht warum - dass wird ja im aktuellen Kapitel ganz deutlich. Ich finde das sehr nachvollziehbar & menschlich sympathisch dargestellt.
zu Frank & Jane: Dieses Kapitel, also der Pseudo-Antrag von Frank, unterstreicht für mich ganz deutlich, dass Frank sich einbildet, Emma wisse zumindest teilweise, was zwischen ihm und Jane ist. (Das könnte man eigentlich
ihm als Selbstbezogenheit ankreiden - ich glaube Mr Knightley tut das später - warum sollte Emma ihn durchschaut haben??) Deswegen eiert er ja so herum, als er von seinem Abschiedsbesuch bei den Bates spricht. Diese ganze Szene ist großartig gemacht finde ich - man kann sie mit Emmas Augen lesen und es passt alles zusammen, und man kann sie auch aus Franks Sicht lesen und alles ist stimmig. Er ist kurz davor, ihr von Jane zu erzählen (wie er ja auch am Ende des Buches in seinem Brief bestätigt) und Emma meint, er ist kurz davor, ihr seine Liebe zu
ihr zu gestehen.
Wichtig finde ich auch den Hinweis am Ende des Kapitels,
Jane wäre es einige Tage nicht gut gegangen. Diese Hinweise auf den Zusammenhang zwischen ihrer Gesundheit und Franks Kommen/Gehen/Verhalten sind ja gut verstreut im Roman. Sie scheint wirklich auch körperlich unter dieser unsicheren und v.a. für sie extrem schwierigen Situation zu leiden (- umso kaltschnäuziger wirkt Frank Churchills Verhalten).
Der Autor von "Jane Austen and the Body", dass ich hier im Groupread schon mal bezüglich der Bedeutung von Gesundheit und Krankheit im Roman erwähnt habe, stellt dazu eine interessante Analogie her. Er vergleicht Janes psychisch bedingtes Unwohlsein bzw. der Umgang damit mit der späten Diagnose von
Neurasthenie in China, die erst in den 1980er Jahren begonnen hat. Zu der Zeit war dieses Krankheitsbild in der westlichen Welt schon längst vergessen, man beschäftigte sich bereits mit Depressionen, Burn-out usw. Aber in China, traditionell eine Gesellschaft, die das Ausleben von starken Emotionen wie Trauer, Wut, Einsamkeit und Verzweiflung unterdrückt, wurde diese Diagnose erst zu dieser Zeit zu einer respektierten Erklärung für viele Krankheiten, die so erstmals auf dauerhaft unterdrückten mentalen oder psychischen Stress zurückgeführt wurden bzw. durch akzeptierte, physische Symptome überhaupt erst "verstanden" wurden.
Zu Jane Austens Zeit hatte man in England bzw. Europa zwar schon damit begonnen, auch die mentalen und psychischen Faktoren des menschlichen Körpers medizinisch einzuordnen, aber man kann eben u.a. in "Emma" sehr schön nachvollziehen, wie damit umgegangen wurde. Später im Buch, wenn Emma auf Mr Perrys Rat hin, Jane mit Pfeilwurz von Hartfield versorgen will, wird das noch deutlicher. Aber schon ab jetzt gibt es mehrere Szenen im Buch, wo Jane Fairfaxes "äußerer" Gesundheitszustand ein Indikator für ihre mentales Befinden ist. Auch wenn der Zusammenhang nicht explizit analysiert wird.
Hier kann man die Stelle im Buch (S. 140/141) nachlesen.
Und wieder spielt
Mr Knightley eine präsente Rolle in Emmas Gedanken - zumindest ist es einer ihrer ersten, dass
er sicher nicht böse darüber ist, dass der Ball abgesagt ist.