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BeitragVerfasst: Freitag 25. September 2009, 09:08 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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Ich kann noch eher nachvollziehen, dass ein enger Kontakt zur Familie die Situation für Fanny emotional noch kompliziert hätte. Sie wurde ihrer Familie entrissen - ihre Mutter hat sie aufgegeben, ohne sich offensichtlich ernsthaft dafür zu interessieren, wie es ihr geht. Warum sollte Fanny also schreiben, zumal die Verletzung, weggeschickt zu werden ziemlich groß gewesen sein muss, schätze ich. Nur William hat sich Kontakt zu Fanny gewünscht und ihn aufrechterhalten über all die Jahre. Offensichtlich hat ihren Eltern dieser indirekte Kontakt also genügt.

Für Sir Thomas ist dieses Experiment natürlich die moralisch ungefährliche Lösung: Er zwingt sie nicht, er macht ihr das Leben "nur" unangenehm, damit sie sich vermeintlich "frei" so entscheiden soll, wie er es gerne hätte. Zumindest nach heutigem Maßstab ist das eine ziemlich fragwürdige Manipulation
Spoiler: anzeigen
, vorallem wenn man bedenkt, wie lange Fanny in Portsmouth bleiben muss, ohne einen Termin für ihre Rückreise genannt zu bekommen. Sie selbst darf nicht über die Dauer des Besuches entscheiden und wird letztendlich nur zurückgeholt, weil sie als Unterstützung in der Krise gebraucht wird
.

Aber ist es nicht ironisch, dass er tatsächlich meint, Fanny müsse ihre abhängige und unsichere Situation noch bewusst gemacht werden??


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Verfasst: Freitag 25. September 2009, 09:08 


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BeitragVerfasst: Freitag 25. September 2009, 09:26 
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D'Arcy-Expertin mit Adelsaffinität
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Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 11:57
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Julia hat geschrieben:
Aber ist es nicht ironisch, dass er tatsächlich meint, Fanny müsse ihre abhängige und unsichere Situation noch bewusst gemacht werden??

Ich denke nicht einmal, dass es wirklich um "Abhängigkeit" geht, sondern um die verschiedenen Alternativen. Hat nicht ihre Mutter aus Liebe und "Kopflos" geheiratet und was hatte sie davon? Ist ihr Leben erstrebenswert? War ihre Entscheidung also richtig?

Ist es nicht manchmal doch vernünftiger mit Verstand zu entscheiden, auch wenn das Herz dagegegen spricht? Natürlich steht dabei das "versorgt sein" im Vordergrund, aber eben auch das "Er ist doch kein übler Kerl", eine Ehe mit Crawford könnte sie also nicht unglücklich machen. Jede Frau könnte sich glücklich schätzen, so einen "Kerl" an die Hand zu kriegen, das war doch die landläufige, wenn auch oberflächliche Meinung. Wozu auf die Liebe warten, die vielleicht nie kommt, oder mehr Unglück als Glück mit sich bringt, wenn man/Frau es sich gleich mit einem passablen Gentleman bequem machen kann ...

In keinem anderen Roman hat Jane Austen das Für und Wider Leidenschaft, Liebe und Vernunft so vielfältig, kontrastreich und umfassend herausgearbeitet wie hier. Vor allem auch die verschiedenen Positionen und deren Auswirkungen auf das Leben der verschiedensten Charaktere. Sogar Mrs. Norris und ihre Ehe, ihr Charakter wäre mit einzuberechnen. Lebte sie schlecht mit ihrem Gatten, lebte er schlecht mit ihr? Lebten sie schlechter als Tausende vergleichbarer Ehepaare?

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BeitragVerfasst: Freitag 25. September 2009, 14:29 
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Austenexperte
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Caro hat geschrieben:
In keinem anderen Roman hat Jane Austen das Für und Wider Leidenschaft, Liebe und Vernunft so vielfältig, kontrastreich und umfassend herausgearbeitet wie hier. Vor allem auch die verschiedenen Positionen und deren Auswirkungen auf das Leben der verschiedensten Charaktere. Sogar Mrs. Norris und ihre Ehe, ihr Charakter wäre mit einzuberechnen. Lebte sie schlecht mit ihrem Gatten, lebte er schlecht mit ihr? Lebten sie schlechter als Tausende vergleichbarer Ehepaare?


Und doch kann jede Figur nur nach ihrem Wissensstand entscheiden: Vielleicht hätte Fannys Mutter sich anders entschieden, wenn sie gewußt hätte, wie sehr ihr Zukünftiger dem Alkohol zusprach und dann kam ja noch das Pech der Dienstuntauglichkeit dazu. Wieviel anders wäre ihr Leben verlaufen, wenn ihr Gatte soviele Prisen eingefahren hätte, wie Kapitän Wentworth. Und wie auch JA schreibt, wäre Mrs. Norris so geworden, wenn sie selbst ein paar Kinder gehabt hätte und sie ihre ganze Energie nicht in die groteskesten Sparmaßnahmen hätte stecken können.
Sir Thomas würde sicher anders über Crawford denken, wenn er den selben Wissensstand wie Fanny hätte. Tragisch, daß sich keiner traut, ihm davon zu erzählen.

Etwas OT:
Genauso, wie Mrs. Dashwood die Freundschaft ihrer Tochter mit Willoughby sicher nicht zugelassen hätte, hätte es irgendwelche Andeutungen für ungentlemanhaftes Benehmen gegeben.
Lady Russell ist ja auch unbedingt für eine Ehe mit Mr. Elliot, sie weiß nichts von seinen unangenehmen Charakterzügen. Zum Glück sieht Anne da ja klarer.

Elanor

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BeitragVerfasst: Freitag 25. September 2009, 21:46 
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Was den Kontakt zur Familie betrifft, so habe ich den Eindruck, dass wir da nur spekulieren können. Denn soweit ich mich erinnere, steht im Buch nirgendwo explizit, dass Fanny null Kontakt zur Familie hatte. Wenn der hier geschriebene Brief der allererste seit 8 Jahren oder überhaupt gewesen wäre, hätte JA das vielleicht irgendwie betont? Ich finde aber schon, dass Sir Thomas darauf hätte achten können, dass Fanny ihre Familie sagen wir 1-2x im Jahr mal sieht (denn dass sie sich nie gesehen haben, schreibt JA ja). Die Umstände der Trennung waren doch nicht so schrecklich, dass man einen radikalen Bruch hätte begrüßen müssen. Edward Austen wurde doch auch weggegeben, adoptiert von den Knights - trotzdem war der Kontakt zur Familie offenbar sehr gut. Aus heutiger Sicht finde ich das merkwürdig, da JA aber darüber nichts schreibt, wird das damals wohl nicht ungewöhnlich gewesen sein.

Caro hat geschrieben:
Ist es nicht manchmal doch vernünftiger mit Verstand zu entscheiden, auch wenn das Herz dagegegen spricht?

Nicht in der Romanwelt von Jane Austen... Die entschiedenste Vertreterin der von Dir genannten Position ist wohl Charlotte aus P&P - und was ihr widerfährt, wissen wir ja (und ich finde das nach wie vor gemein von JA :wink: ).


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BeitragVerfasst: Samstag 26. September 2009, 03:17 
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Begeistertes Missionierungsopfer
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Ganz sicher wusste Fanny durch den Kontakt mit ihrem Bruder, was in den Jahren ihrer Abwesenheit in Portsmouth passiert war. Allerdings wird er die Situation als "normal" empfunden haben, und es auch Fanny gegenüber so dargestellt haben.

Das Sir Thomas Fanny ausgerechnet jetzt zu ihrer Familie zurückschickt - ich weiß nicht, ob das nun positiv oder negativ zu sehen ist. Es soll ihr helfen, die Dinge anders zu sehen.
Aber weiß er überhaupt ,wie "schlimm" die Umstände nun sind ?
Es passt aber zu ihm, er ist ein Patriarch, der meint, alle dirigieren zu können. So oder so.
Mit - oder eher ohne Erfolg. :wink:

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BeitragVerfasst: Samstag 26. September 2009, 08:50 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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Die folgenden beiden Kapitel gehören irgendwie zusammen, deshalb mache ich mal in Riesenschritten weiter (wir können ja verlängern, falls sich Bedarf abzeichnet :wink: ):

Kapitel 38 und 39

Fanny und William kommen in Portsmouth an und der erste gemeinsame Abend wird beschrieben. Fanny ist schockiert von den Zuständen dort und vergleicht Mansfield und Portsmouth miteinander.


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BeitragVerfasst: Samstag 26. September 2009, 18:29 
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Um an das letzte Thema anzuknüpfen: Es fällt schon auf, dass die Begrüßung völlig frei von irgendwelcher Befangenheit ist, die man annehmen könnte, wenn man davon ausgeht, dass hier ein Kind der Familie entrissen worden ist und dass dieses Kind den Eltern deshalb möglicherweise lange böse war. Stattdessen ist alles ganz herzlich - und nur für Fanny merkwürdig, weil die Prices halt ihre besonderen Verhaltensweisen haben. Irgendwie merkwürdig. Vielleicht ist JA diese Szene einfach nicht recht geraten? Ich meine, sie ist ja gut und schön, aber passt halt nicht zu dem, was man vielleicht erwarten könnte.
Ich denke übrigens, dass Sir Thomas nicht voll klar war, wo er Fanny da hingeschickt hat, also jedenfalls nicht, dass es soo "schlimm" sein würde. Ob Sir Thomas jemals bei den Prices war? Wohl kaum, die Schwestern hatten den Kontakt ja abgebrochen.
Und Fanny? Man kann immerhin feststellen, dass Sir Thomas´ pädagogische Absicht funktioniert - sie sehnt sich nach Mansfield Park und spürt sehr genau den Unterschied. Ich glaube nicht, dass er Fanny ihre abhängige und unsichere Situation klarmachen wollte, sondern wohl eher nur den Unterschied zwischen einem Leben in Wohlstand (das sie mit Henry haben kann) und einem in relativer Armut.


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BeitragVerfasst: Samstag 26. September 2009, 18:50 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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Udo hat geschrieben:
Es fällt schon auf, dass die Begrüßung völlig frei von irgendwelcher Befangenheit ist, die man annehmen könnte, wenn man davon ausgeht, dass hier ein Kind der Familie entrissen worden ist und dass dieses Kind den Eltern deshalb möglicherweise lange böse war. Stattdessen ist alles ganz herzlich - (...) Vielleicht ist JA diese Szene einfach nicht recht geraten? Ich meine, sie ist ja gut und schön, aber passt halt nicht zu dem, was man vielleicht erwarten könnte.


Herzlich? Ich empfinde das ganz anders und auch die ganze Szene so ernüchternd wie es nur geht nach Fannys Erwartungen.
Ihre Eltern wechseln kaum zwei Sätze mit Fanny, alle sind viel mehr davon eingenommen, dass Williams Schiff startklar gemacht wurde, als dass Fanny nach 10 Jahren Abwesenheit "nach Hause" kommt.
Klar, frei von Befangenheit ist die Begegnung schon, aber doch nur weil sie frei von jeglichem tiefergehndem Interesse ist.


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BeitragVerfasst: Samstag 26. September 2009, 18:58 
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Im 38. Kapitel heißt es:
"... in den Armen ihrer Mutter, die sie dort mit einem Ausdruck echter Herzlichkeit und mit einem Gesicht empfing, dass Fanny um so mehr liebte, als es sie an ihre Tante Bertram erinnerte..."
Beide Seiten scheinen frei von Vorbehalten zu sein. Mrs. Price behandelt sie allerdings praktisch sofort wie alle ihre Töchter: Mit einer gewissen Gleichgültigkeit. William ist der Star, dann kommen die anderen Söhne, dann lange gar nichts und dann die Töchter. Ist nun mal so bei Mrs. Price, das hat aber mit Fanny im Besonderen nichts zu tun. Erstaunlich ist das schon, aber man kann auch sagen, Fanny wird sofort voll integriert als Gleiche unter Gleichen. Klar, auch da würde man was anderes erwarten, aber dafür gibt es halt eine realistische Erklärung, scheint mir, die zugleich viel über Mrs. Price aussagen soll.


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BeitragVerfasst: Montag 28. September 2009, 17:18 
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Aber ich glaube, gerade dass Fanny gleich so vollkommen integriert wird ist so schockierend für sie. Dann die Lautstärke (die sofort Kopfschmerzen auslöst, das muss ja furchtbar gewesen sein damals mit der Gesundheit eines Fräuleins), und vor allem - keiner interessiert sich wirklich für sie, ausser William, der das ja auch schon immer tat. Hier freute sie sich darauf, endlich jemanden zu treffen der sie "von Haus aus lieb haben" sollte, und wird so bitter enttäuscht. Vor allem den Vater finde ich hier schrecklich...Man ist nicht an ihr interessiert, niemand fragt sie etwas, möchte sich mit ihr unterhalten oder wissen wie es ihr geht. Ihre Mutter fängt gleich an, von ihrer furchtbaren Situation zu erzählen, und Fanny bekommt wohl echt zu recht Kopfschmerzen dadurch.
Ernüchternerndes Kapitel. :/

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BeitragVerfasst: Montag 28. September 2009, 20:17 
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Ich frage mich gerade, warum JA die Prices so negativ dargestellt hat, wie ihr sie empfindet (ich finde das nicht soo schlimm, aber ich komme auch aus einer sehr großen Familie, vielleicht liegt das daran ;D ). Klar, um den Gegensatz zu Mansfield Park darzustellen. Aber musste sie Papi Price gleich soo miesmachen? Interessanterweise ist es aber ja trotz aller extrem widriger Umstände die prollige Familie Price, die mit Fanny, William und vielleicht noch ein oder zwei weiteren sehr gut geratene Kinder hervorgebracht hat - während die Prices auf MP drei mehr oder weniger missratene Kinder großgezogen haben. Ob das irgendwas zu sagen hat?


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BeitragVerfasst: Montag 28. September 2009, 21:36 
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Austenbegeistert
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Ich glaube, wenn sie Mr. Price nicht so übel dargestellt hätte dann hätte sich der Leser eventuell fragen können ob man ihm nicht doch damals eine Chance hätte geben sollen oder ob die Entscheidung der Mutter, für diesen Mann alles gehen zu lassen, nicht vielleicht doch richtig war. Ob das nicht zu kompliziert gewesen wäre?
Ausserdem finde ich passt er so ja perfekt ins Bild dass JA von der Familie zeichnet, oder?

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BeitragVerfasst: Montag 28. September 2009, 22:03 
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Julia hat geschrieben:
Hier sind die Kapitel, die wir bisher besprochen haben:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 9 & 10, 11, 12, 13, 14 & 15, 16, 17 & 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26 und 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38 und 39


Das sehe ich jetzt erst - toller Service! :top:


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BeitragVerfasst: Dienstag 29. September 2009, 10:16 
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D'Arcy-Expertin mit Adelsaffinität
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Udo hat geschrieben:
Ich frage mich gerade, warum JA die Prices so negativ dargestellt hat, wie ihr sie empfindet (ich finde das nicht soo schlimm, aber ich komme auch aus einer sehr großen Familie, vielleicht liegt das daran ;D ). Klar, um den Gegensatz zu Mansfield Park darzustellen. Aber musste sie Papi Price gleich soo miesmachen? Interessanterweise ist es aber ja trotz aller extrem widriger Umstände die prollige Familie Price, die mit Fanny, William und vielleicht noch ein oder zwei weiteren sehr gut geratene Kinder hervorgebracht hat - während die Prices auf MP drei mehr oder weniger missratene Kinder großgezogen haben. Ob das irgendwas zu sagen hat?


Es gab und gibt leider genügend und viel zu viele solcher Gestalten, die sich ihr Leben schön saufen und nix auf die Reihe kriegen. Das Leben ist hart aber (un)gerecht. :wink:
Wäre ihr Dad nicht so ein Looser gewesen, wär Fanny nicht bei den Bertrams gelandet und hätte nicht als Preis für ihre Charakterstärke (im Gegensatz zu DAD) einen Edmund bekommen. ;D

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BeitragVerfasst: Dienstag 29. September 2009, 20:34 
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Ich habe gar nicht den Eindruck, dass Mr. Price so ein Totalversager ist. Um die Belange seiner Söhne scheint er sich durchaus zu kümmern. Und er kann auch anders, wie wir noch sehen werden... Und eins der Kinder hat ja sogar einen Admiral als Paten - wie erklärt sich das? In meiner Übersetzung heißt es übrigens, Mrs. Price sei eine "Schlampe" - ist das richtig übersetzt? Ganz schön hart...

Klar, Fanny ist natürlich bis ins Mark erschüttert, sie hat ja auch vom wirklichen Leben absolut noch nichts mitbekommen - bzw. es nach den vielen Jahren vergessen/verdrängt. Wobei ich es sehr heiter finde, dass sie sich an Mansfield so erinnert: "Alles nahm in heiterer Ordnung seinen Lauf; jeder hatte seinen ihm zukommenden Platz; auf jedermanns Gefühle wurde Rücksicht genommen..." Da muss in ihrem Gedächtnis (das sie ja schon mal so hoch gepriesen hat) aber gewaltig was durcheinander geraten sein... :wink:

Kleines Detail: Habe in Park Honans Biografie gelesen, dass der "Turner", bei dem William seine Ausrüstung bekommt, tatsächlich existiert hat. Kommt glaube ich nicht so oft vor, dass JA reale Figuren benutzt (hier im Buch ja auch noch wie erwähnt Mr. Repton).


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BeitragVerfasst: Dienstag 29. September 2009, 21:06 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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^Ja, das war ein damals bekanntes Geschäft für "Seemannsbedarf" in Portsmouth. Finde ich aber nicht so ungewöhnlich - auch in "Persuasion" und "Sense and Sensibility" werden Geschäfte erwähnt, die es damals in Bath/London tatsächlich gab.

Udo hat geschrieben:
Wobei ich es sehr heiter finde, dass sie sich an Mansfield so erinnert: "Alles nahm in heiterer Ordnung seinen Lauf; jeder hatte seinen ihm zukommenden Platz; auf jedermanns Gefühle wurde Rücksicht genommen..." Da muss in ihrem Gedächtnis (das sie ja schon mal so hoch gepriesen hat) aber gewaltig was durcheinander geraten sein... :wink:


Ja, ich finde das auch bemerkenswert. Besonders im Zusammenhang mit der Aussage bei dem Gespräch, was Du erwähnst: Da sinnierte sie ja bei Mary über die Unberechenbarkeit des Gedächtnisses, wie willkürlich es gewisse Dinge ausblendet oder andere überbewertet. Und Fanny tut es innerhalb des Romans unentwegt. Hier besonders deutlich, sozusagen von Kapitel zu Kapitel.

Zitat:
In meiner Übersetzung heißt es übrigens, Mrs. Price sei eine "Schlampe" - ist das richtig übersetzt? Ganz schön hart...


Die Stelle heißt: (...) her mother was a partial, ill-judging parent, a dawdle, a slattern, (...) und "slattern" bedeutet schon "Schlampe", wenn es auch hier nicht so gebraucht wird wie wir das heute tun würden, sondern wohl eher im Sinne von "schlampig, unordentlich, nachlässig" gemeint ist, denke ich.
Diese ganze Passage über Mrs Price finde ich ganz schön hart. Deutliche Worte.
Interessant aber wiederum, wie sie mit ihren Schwestern verglichen wird ... ich kann mir auch gut vorstellen, dass Mrs Norris so eine Lebenssituation besser gemeistert hätte! Und dass Lady Bertram ebenso hilflos und unfähig wäre. Interessant auch deshalb, weil hier so klar verdeutlicht wird, wie die Anlagen die Umstände mitbestimmen - was ja auch mit Blick auf die Bertrams und Crawfords ein großes Thema im Buch ist.


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BeitragVerfasst: Dienstag 29. September 2009, 21:24 
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Julia hat geschrieben:
Interessant auch deshalb, weil hier so klar verdeutlicht wird, wie die Anlagen die Umstände mitbestimmen - was ja auch mit Blick auf die Bertrams und Crawfords ein großes Thema im Buch ist.

Meinst Du wirklich "die Anlagen die Umstände"? Die Stelle hier kann man ja auch so deuten, dass die Umstände die Anlagen von Mrs Price und Lady Bertram unterschiedlich entwickelt/verstärkt haben. Und bei Mary betont Edmund ja auch gern, dass sie die zweittollste Frau der Welt wäre, wenn das Leben beim Admiral sie nicht ein wenig verdorben hätte.


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BeitragVerfasst: Dienstag 29. September 2009, 22:03 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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Naja, wie gesagt: Mrs Norris hätte sicher dafür gesorgt, dass der Tee pünktlich und in sauberen Tassen serviert wird. :wink: In dem Fall sind es schon die Anlagen, die die Umstände bestimmen, auch wenn die Beeinflussung generell natürlich in beide Richtungen funktioniert.


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BeitragVerfasst: Mittwoch 30. September 2009, 08:05 
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@Udo
Das mit den "reichen" Paten war Usus damals gerade bei kinderreichen und armen Familien. Ausserdem tranken Seeleute gern einen übern Durst, wie allgemein bekannt ist. Nicht umsonst gab es an und um die Häfen die übelsten Spelunken.
Na ja, für einen Trinker, der Kinder produziert, für die er nicht sorgen kann und der allenfalls ein besserer Handlanger ist, fällt mir keine bessere Bezeichnung ein als Looser.

Und wegen Mrs. Prices Schlampigkeit: Wie schnell wird denn heute jemand als "Schlampe" bezeichnet? Dabei gebe ich zu bedenken, dass sie ständig neue Kinder produzierte und es bei sooo vielen Kindern ohne nennenswerte Hilfe kaum machbar ist, alles in Ordnung zu halten. :tot: Im Vergleich zu den Bertrams leben sie sicher wie in einem Schweinestall. :rolleyes:

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BeitragVerfasst: Mittwoch 30. September 2009, 20:19 
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Ich glaube, du übertreibst die Zustände bei den Prices. Wenn es so schlimm wäre, wäre Fanny mindestens sofort in Ohnmacht gefallen, wahrscheinlicher jedoch ins Koma. Die Prices können nicht am untersten Rand der Gesellschaft angesiedelt sein, immerhin haben sie sogar Bedienstete.

40. Kapitel

Fanny bekommt Post von Mary und erfährt, dass Henry auf Reisen ist. Sie entdeckt den guten Kern und das Potenzial von Susan. Sie schlichtet familiären Streit und leiht sich erstmals in einer Leihbücherei Bücher aus.


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BeitragVerfasst: Donnerstag 1. Oktober 2009, 07:11 
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Udo hat geschrieben:
Ich glaube, du übertreibst die Zustände bei den Prices. Wenn es so schlimm wäre, wäre Fanny mindestens sofort in Ohnmacht gefallen, wahrscheinlicher jedoch ins Koma. Die Prices können nicht am untersten Rand der Gesellschaft angesiedelt sein, immerhin haben sie sogar Bedienstete.

Haben sie Bedienstete? :gruebel: Ich kann mich nicht daran erinnern ...
JA beschreibt die Zustände recht anschaulich. Und im Vergleich z.B. zu den Bennets oder den Dashwoods sind die Prices eine Kategorie tiefer, wie ja auch im ersten Kapitel anklingt. Vom gesellschaftlichen Status her gesehen ergibt sich folgende Reihenfolge: Lady Bertram, Mrs. Norris, Mrs. Price. Es ist nun einmal ein einfaches, armes Haus. Hat sich Mrs. Price nicht um Hilfe bittend an die Geschwister gewand, weil sie fast jährlich gebar, nicht aus noch ein wußte und ein Neues war bereits unterwegs? Welche Zustände sollte man da wohl erwarten? :gruebel: :wink:
Genau dieser Kulturschock war es doch, den Sir Thomas im Sinn hatte und zu Recht erwartete, als er Fanny zu den Eltern schickte. ;D

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BeitragVerfasst: Donnerstag 1. Oktober 2009, 07:42 
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Caro hat geschrieben:
Udo hat geschrieben:
Die Prices können nicht am untersten Rand der Gesellschaft angesiedelt sein, immerhin haben sie sogar Bedienstete.

Haben sie Bedienstete? :gruebel: Ich kann mich nicht daran erinnern ...


:?: Sie werden doch in dem Kapitel mehrmals erwähnt, sogar namentlich.

Ich denke, es ist gar nicht sosehr die Armut, die hier schocken soll, sondern das Missmanagement und die sozialen Zustände im Hause Price. Die Eltern kriegen nichts auf die Reihe, salopp gesagt. Wie ja auch in Kapitel 38 am Rande erwähnt: Entsprechende Organisation hätte die Familie zwar auch nicht reich gemacht, aber zumindest respektabel.


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BeitragVerfasst: Donnerstag 1. Oktober 2009, 11:19 
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Julia hat geschrieben:
:?: Sie werden doch in dem Kapitel mehrmals erwähnt, sogar namentlich.

Ich störte mich hier an dem Eindruck, es wären viele Bedienstete. Hier geht es jedoch um Einzelpersonen, die nicht den Eindruck erwecken sollten, es ginge den Prices wirtschaftlich so gut, sich weitläufiges Personal leisten zu können.
Julia hat geschrieben:
Ich denke, es ist gar nicht sosehr die Armut, die hier schocken soll, sondern das Missmanagement und die sozialen Zustände im Hause Price. Die Eltern kriegen nichts auf die Reihe, salopp gesagt. Wie ja auch in Kapitel 38 am Rande erwähnt: Entsprechende Organisation hätte die Familie zwar auch nicht reich gemacht, aber zumindest respektabel.

:top: Genau. Vor allem die sozialen Zustände sind es. Sie streiten sich, saufen, zanken. Ein wenig maßhalten in einem bestimmten Bereich :wink: :aetsch: , wenn man schon so viele Kinder hat, hätte den Eltern ja wohl nicht geschadet.

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BeitragVerfasst: Donnerstag 1. Oktober 2009, 12:40 
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Registriert: Mittwoch 19. Oktober 2005, 20:13
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zu Kapitel 40:

Was haltet Ihr eigentlich von der Episode mit dem Messer? Angesichts der Tatsache, dass Jane Austen eigentlich sonst keine überflüssigen oder rein ornamentalen Nebenhandlungen in ihre Plots einbaute, dürfte diese Geschichte doch eine gewisse Bedeutung haben ... (Ja, ich habe eine Theorie, aber ich wollte erstmal Eure bzw. evtl. andere hören :wink: )


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BeitragVerfasst: Donnerstag 1. Oktober 2009, 12:54 
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Julia hat geschrieben:
zu Kapitel 40:

Was haltet Ihr eigentlich von der Episode mit dem Messer? Angesichts der Tatsache, dass Jane Austen eigentlich sonst keine überflüssigen oder rein ornamentalen Nebenhandlungen in ihre Plots einbaute, dürfte diese Geschichte doch eine gewisse Bedeutung haben ... (Ja, ich habe eine Theorie, aber ich wollte erstmal Eure bzw. evtl. andere hören :wink: )

Naja, zumindest nutzt JA die Sache aus, um verschiedenes zu verdeutlichen, z.B. die Unvernunft der Mutter in der Erziehung bzw. das völlige Fehlen selbiger bei Betsy, aber auch die Hilflosigkeit Susans, ihr Recht durchzusetzen.

Ich habe auch den Eindruck, daß mit einer ordnenden Hand und etwas mehr Zurückhaltung
die Familie wesentlich besser und respektabler hätte leben können.

Elanor

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BeitragVerfasst: Donnerstag 1. Oktober 2009, 22:18 
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Also auch nach langem Grübeln ist mir beim besten Willen keine sexuelle Deutung eingefallen, sorry. :wink:
Mir ist beim Lesen nur aufgefallen, dass Fanny glaube ich zum ersten Mal aktiv wird. Bisher war sie im Grunde immer passiv, sie hat auf alles Mögliche reagiert, was von außen an sie herangetragen wurde, meist schwach, in höchster Not auch stark. Aber jetzt hat sie eine Idee, sie will etwas tun, um konkret etwas zu verändern. Das fand ich mal ganz erfrischend. Sicher bin ich mir jetzt nicht, aber ich glaube, das ist das erste Mal.
Dass es dabei um eine erzieherische Maßnahme geht, ist wohl kein Zufall. Hier in diesem Kapitel wird das Thema Erziehung ja ziemlich zentral: Fanny fängt an, Susan zu erziehen. Langsam fange ich auch an zu denken, dass Mansfield Park ein Erziehungsroman ist...


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BeitragVerfasst: Freitag 2. Oktober 2009, 12:09 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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Udo hat geschrieben:
Also auch nach langem Grübeln ist mir beim besten Willen keine sexuelle Deutung eingefallen, sorry. :wink:


Haha ... :wink: Ich dachte eigentlich eher daran, wie im Laufe des Buches bestimmte Gegenstände, Orte, Dinge, ... eine große Bedeutung für Fanny haben, die teilweise lösgelöst ist von den Personen oder Realitäten mit denen sie sie assoziiert - z.B. die Geschenke und Möbel im East Room, das Pferd, die Kette, der Anhänger, usw. Fanny versteht, warum Susan soviel an dem Messer (als Geschenk ihrer gestorbenen Schwester) liegt, Betsy dagegen geht es nur darum, etwas zu "besitzen", nicht um die emotionale Verbindung.

Abgesehen davon: Ist es nicht auch interessant oder zumindest charakteristisch, dass Fanny ihr erstes eigenes Geld dafür ausgibt, jemand anderem eine Freude zu machen?


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BeitragVerfasst: Sonntag 4. Oktober 2009, 12:05 
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Administrator und Captain a.D. of HMS Groupread
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Julia hat geschrieben:
Ich dachte eigentlich eher daran, wie im Laufe des Buches bestimmte Gegenstände, Orte, Dinge, ... eine große Bedeutung für Fanny haben...


Aber ist das erstaunlich, dass jemand, der absolut nichts besitzt, eine Beziehung zu den wenigen Gegenständen entwickelt, die ihm irgendwie doch gehören?
Dass Fanny ihr erstes Geld für einen anderen Menschen ausgibt, passt zu meinem Eindruck, dass sie hier erstmals aktiv wird: Durch das Geld bekommt sie die Möglichkeit, etwas zu verändern und tut es. Fanny, will uns das wohl wieder mal sagen, ist ein durch und durch guter Mensch - fast zu gut für diese Welt.

41. Kapitel
(Ich würde gerne schon mal vorschlagen, bei den nächsten Kapiteln dieses und jenes zusammen zu ziehen, weil das ganz gut geht, glaube ich. Im Grunde könnte man das jetzt schon mit Kapitel 41 und 42 machen, da sie Crawfords Besuch abhandeln. Was meint ihr?)

Mr. Crawford zu Besuch in Portsmouth. Man spaziert gemeinsam zu den Docks. Henry berichtet Neuigkeiten aus London und Norfolk.

Henry gibt sein Bestes... An alle Zweifler und Nicht-Spoiler: Der Bursche macht hier doch einen wirklich guten Eindruck, oder? Nicht nur, dass er sie besucht, dass er sich heldenhaft in Sphären begibt, die soweit unter der seinen liegen, dass er sich im Grunde wochenlang waschen müsste, um den Makel der Berührung mit ihnen loszuwerden (sagt Lizzy nicht sowas Ähnliches über Darcy?) - er ist zudem auch ausnehmend nett und aufmerksam. Und siehe da, auch die Prices zeigen, was sie drauf haben, wenn es darauf ankommt: Sie benehmen sich richtig zivilisiert, sie sind eben doch nicht so übel, wie Caro meinte. :wink: Fanny macht sich zwar die größten Sorgen, sie schämt sich geradezu für ihre Verwandtschaft (was übrigens nicht sehr ehrenwert ist, aber verständlich, trotzdem reitet JA darauf für meinen Geschmack etwas zu viel herum). Aber alles geht gut, zumal Henry freundlicherweise eine Einladung zum Dinner ausschlägt, er dürfte um ihre Nöte wissen.
Die Stelle, an der er sich als guter Landbesitzer beweisen will, erinnert mich auch an Darcy, von dem seine Haushälterin ja auch sagt, er sei der beste Verpächter unter der Sonne - das Ideal des guten Gutsherrn, der seine Pächter wie ein freundlicher und umsichtiger Patriarch behandelt, scheint bei JA einiges zu zählen. Dass damals die kleinen landbesitzenden Bauern massenhaft verelendeten, weil Ländereien zusammen gelegt wurden und sie Weiderechte verloren, muss man allerdings nicht erwähnen, obwohl JA die Notlage der Landbevölkerung angeblich sehr bewusst war.
Jedenfalls denkt Fanny über Henry immerhin das hier:
"Sie begann, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass doch noch ein anständiger Mensch aus ihm werden würde."
Ist das nicht wirklich generös von ihr? ;D


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BeitragVerfasst: Sonntag 4. Oktober 2009, 14:36 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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(Ja, schieben wir doch Kapitel 42 gleich hinterher, es ist ohnehin kurz ...)

Ich fand beim Lesen auch, dass Henry hier so gut wie noch nie wegkommt: Aufmerksam, bemüht, rücksichtsvoll, interessiert. Dagegen wirkt Fanny hier total zugeknöpft und übertrieben ungnädig. Wohl, weil sie absolut kein Vertrauen in Henrys menschliche Qualitäten hat. Nachvollziehbar und vielleicht sogar charakterlich verständlich, aber erwärmen tut es den Leser wohl nicht gerade für sie. Da schon eher, dass sie nun offensichtlich überzeugt davon ist, zwischen Mary und Edmund wäre alles geklärt. Das ist der einzige Bereich, in dem ich hier wirklich Mitgefühl für sie empfinde: Zu glauben, dass die große Liebe sich nun endgültig fest mit der Konkurrenz verbandelt ist und gleichzeitig von deren Bruder umworben zu werden. Allein diese Nähe Henrys zu Edmund/Mary versauert Fanny wahrscheinlich schon die ganze Situation.

Dass JA Fannys "Standhaftigkeit" selbst ein bißchen auf den Keks geht, merkt man finde ich an einer Stelle wie dieser:
(...) I believe there is scarcely a young lady in the United Kingdoms who would not rather put up with the misfortune of being sought by a clever, agreeable man, than have him driven away by the vulgarity of her nearest relations.
Henry ist Fanny zwar lästig und sie will ihn (angeblich?) loswerden, aber ganz so sehr dann doch nicht - verschreckt von ihrer Familie soll er dann doch nicht werden. :?: Wäre er ihr wirklich egal, würde ihr das doch auch egal sein.
Könnte natürlich auch nur ein Hinweis darauf sein, dass Fanny auch einen gewissen Stolz besitzt (so wie Elizabeth in Bezug auf Darcy in einer ähnlichen Konstellation) ... oder aber ein Zeichen für Fannys aufweichende Ablehnung.

Offtopic
Das ist so ein Kapitel, wo man als Fanfiction-Ambitionierter sich doch die Hände reiben könnte und ein darauffolgendes, dazu passendes Ende schreiben könnte... :wink:


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BeitragVerfasst: Sonntag 4. Oktober 2009, 19:24 
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Juhu! Kurz bevor Ihr das Buch fertig habt, habe ich Euch eingeholt und schließe mich doch noch ein wenig dem Groupread an. :D

Udo hat geschrieben:
Mir ist beim Lesen nur aufgefallen, dass Fanny glaube ich zum ersten Mal aktiv wird. Bisher war sie im Grunde immer passiv, sie hat auf alles Mögliche reagiert, was von außen an sie herangetragen wurde, meist schwach, in höchster Not auch stark. Aber jetzt hat sie eine Idee, sie will etwas tun, um konkret etwas zu verändern. Das fand ich mal ganz erfrischend. Sicher bin ich mir jetzt nicht, aber ich glaube, das ist das erste Mal.
Dass es dabei um eine erzieherische Maßnahme geht, ist wohl kein Zufall. Hier in diesem Kapitel wird das Thema Erziehung ja ziemlich zentral: Fanny fängt an, Susan zu erziehen. Langsam fange ich auch an zu denken, dass Mansfield Park ein Erziehungsroman ist...


Das fand ich, fast mehr noch als bei dem Messer, bei der Beschreibung wie Fanny für Suan Bücher beschafft interessant. Es wird auch ganz deutlich beschrieben, wie Fanny hier zum ersten Mal selbst die Initiative ergreift: "She became a subscriber [of a circulating library] - amazed at being any thing in propria persona, amazed at her own doings in every way; to be a renter, chuser [sic] of books! And to be having any one's improvement in view in her choice!" • ["Sie wurde Abonnentin einer Wanderbücherei - verblüfft, überhaupt selbst etwas als eigenständige (rechtliche) Person zu sein, verblüfft über ihre eigenen Handlungen in jeder Hinsicht; jemand, der Bücher auslieh, jemand der Bücher auswählte! Und bei der Auswahl eines Anderen Verfeinerung im Sinn zu haben!"]
Aus der Notwendigkeit heraus (die in dieser Hinsicht ja zuvor nicht vorhanden war, da ihr zum einen eine große Büchersammlung zur Verfügung stand und sie zum anderen bisher die Schülerinnenrolle innehatte) merkt sie, dass sie, in der Lage ist, eigenständig etwas zu tun. Bzw. sie ergreift einfach die Initiative, da sie erkennt, wie die Zustände zu verbessern sind, und ist anschließend selbst darüber erstaunt...

(Auch dass sie aus eigenem Wunsch heraus mit Susan ihre Zeit lieber in den oberen Räumen - wenn auch wieder ohne wärmendes Feuer - verbringt, um dem "hustle and bustle" unten zu entgehen, gibt Fanny mehr Charakter, finde ich. Bisher war sie eher die stille Leiderin, jetzt hat sie die Möglichkeit, den Fängen von Aunt Norris entkommen und nicht mehr Aunt Betram in Dankbarkeit verpflichtet, sich selbst freier zu bewegen. Ihre Zeit gehört hier mehr ihr selbst, als jemals in Mansfield, auch wenn sich hier wie dort kaum jemand für sie interessiert.)

Diese Kapitel sind die ersten, in denen ich eine Entwicklung Fannys entdecken kann.


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