Udo hat geschrieben:
Mari A. hat geschrieben:
Und natürlich zeigt sie uns auch, daß damals wie heute galt: Geld regiert die Welt.
Das Thema Geld wird uns ja noch oft begegnen - ich glaube, wir hatten mal festgestellt, dass in keinem Roman von JA Geld eine so wichtige Rolle spielt. Das bringt mich gleich auf eins meiner Lieblingsthemen, die ich bei JA irgendwie nie so recht anbringen kann, hier gehts aber, denke ich: die Sozialkritik.
Wo, wenn nicht hier gleich in Kap 1, schwingt sie die Keule gegen das Unrecht des Erbrechts? Und wann beschreibt sie schon so eindringlich die völlige Abhängigkeit von Frauen vom Wohlwollen reicher männlicher Verwandter - auch wenn es, wie Mari schon geschrieben hat, hier auch viele Beispiele für finanziell unabhängige Frauen gibt, die aber wohl alle das "Glück" hatten, dass ihre reichen Männer gestorben sind und ihnen ihr Geld vermacht haben. Es ist ja auch schon darauf hingewiesen worden, dass es Parallelen zu JAs Situation gab, als sie mit Mutter und Schwester vom Wohlwollen ihres reichen Bruders abhängig in Chawton lebte. Mich würde interessieren, ob diese Konstellation schon im ersten Entwurf des Romans aus den 90er Jahren, als er noch ein Briefroman war, so angelegt war.
Frauen waren in vielem benachteiligt, das ja, doch das Erbrecht begünstigte nun einmal in jedem Fall den erstgeborenen Sohn. Überall, wo Land und Gut im Spiel war erbte der Älteste am meisten, da es ja wenig Sinn gemacht hätte das Land aufzuteilen, wovon keiner so recht hätte leben können. Man versuchte also die jüngeren Söhne standesgemäß gut unterzubringen, und den Mädchen eine gute Mitgift zu geben und sie früh zu verheiraten, um sie versorgt zu wissen.
Die Ungerechtigkeit, wenn man so will, ging ja insofern weiter, als nach dem Erbrecht auch die Güter kinderloser Verwandtschaft an den nächsten ältesten männlichen Erben gingen; außer man adoptierte einen der jüngeren Söhne z.B. der Schwester oder Cousine.
Der Fehler, wenn man so will, liegt eindeutig beim alten Dashwood. Er hat, wie übrigens auch Mr. Bennet, nicht genügend Geld zurückgelegt, bzw. mit einer entsprechenden Rente und Mitgift für "seine Frauen" vorgesorgt, und sich auf seinen Sohn verlassen, den er ja nun besser kennen sollte, nebst Schwiegertochter, oder?
Es ist doch mehr als naiv zu glauben, nachdem man das Geld "verprasst" hat, ohne an die Zukunft zu denken, der Sohn wird es schon richten. John ist charakterschwach, ja, und ein Vater dürfte vielleicht davon ausgehen, ein guter Sohn würde seine Versprechen einlösen, aber andererseits, Wer würde nicht einen Sterbenden beruhigen wollen, ohne wirklich zu der gegebenen Verpflichtung zu stehen? Es gibt sie immer, die Einen, auf die man sich veranlassen kann und die für Andere einstehen, und die wieder Anderen, die sich selbst am Nächsten sind, und/oder einfach zu schwach um sich nicht dreinreden und beeinflussen zu lassen..
JA parodiert hier einmal mehr oder weniger zwei charakterschwache Menschen: den Vater, kurzsichtig lebend, unvernünftig genug nicht rechtzeitig vorzusorgen und den Sohn, der seine Versprechen nicht einlöst und nur allzugern unter dem Pantoffel seiner Frau steht. Eine Parodie schon allein dehalb, weil üblicherweise die Männer, nicht die Frauen, über die Finanzen und die Verwendung der Gelder entschieden.
*Nachtrag*
Da fällt mir ein, dass viele Künstler z.B. von ihren Brüdern finanziell unterstützt wurden. Besonders bekannt vermutlich Vencent van Gogh, der Zeit Lebens sogar von seinem 4 Jahre jüngeren (!) Bruder Theo unterstützt wurde.
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Grüsse, Caro
Avatar: Amelia Darcy (1754-1784)
Für 1 Jahr säe einen Samen, für 10 Jahre pflanze einen Baum, für 100 Jahre erziehe einen Menschen. chin. Weisheit