Elanor hat geschrieben:
Sie durchschaut ihn ja eigentlich auch und aber etwas leid tut er ihr eben doch.
Mir fällt auf, dass Elinor hier sehr stark rüberkommt wie die moralinsaure Gouvernante: Sich empört wegdrehen, steif hinsetzen, entrüstet aufspringen, böse Blicke, strenge Worte - sie hat ja Recht, aber so steif und streng wirkt sie selten im Buch. Um so bemerkenswerter, dass sie dann doch etwas weich wird. Vielleicht war der strenge Auftritt nötig für das bisschen Weichwerden?
Aber durch den Kontrast "rasender Willoughby"-"steife Elinor" wirkt die Szene (abends im Herrenhaus, während der Regen gegen die Scheiben klatscht....) auf mich noch surrealer in einem JA-Roman. Überhaupt diese ganze Melodramatik, der gefallene, reumütige Mann, der vom Hallodri zum tragischen Helden (naja, nicht ganz) wird.... Und natürlich sowieso Elizas Geschichte vom gefallenen Mädchen, das in tiefe Armut und Elend stürzt - das ist doch der Stoff für einen Groschenroman, eine gothic novel, oder? In Northanger Abbey hätte Mr. Tilney Catherine diese Story erzählen können, um sie gar fürchterlich zu erschrecken. Und Catherine hätte sie vermutlich auch noch geglaubt.
Interessant finde ich Willoughbys Argumentation bezüglich Eliza:
1. sie hat ihn leidenschaftlich geliebt (offenbar mehr noch als Marianne...)
2. sie war dumm
3. er hat sie auch zeitweise geliebt
4. er war töricht
5. er wusste nicht, was mit ihr danach geschah (was hätte er wohl gemacht, wenn doch?)
Also dem kann man entnehmen, dass er sie offenbar nicht übel missbraucht hat, sondern er sie oder sie ihn in einer gemeinsamen Liebesnacht verführt hat oder wie auch immer. Dann wäre er zwar verantwortungslos und charakterschwach - aber kein echter Schurke (obwohl er trotzdem von allen JA-Schuften am meisten Übles angerichtet hat). Er sagt im Grunde, er habe sich hinreißen lassen.
Seltsam, wenn nicht albern, finde ich den Hinweis, er habe vergessen, seine Adresse zu hinterlassen.... Was heißt das denn? Wie kurz war die Beziehung zwischen den beiden? Wenn sie auch nur ein paar Tage eine Affäre hatten, sollte das eigentlich reichen, um Name und Wohnort des anderen zu kennen. Das passt irgendwie nicht zusammen.
Ich finde auch, dass man merkt, dass er nur an sich und sein (vergebenes) Glück denkt. Dass er immer noch Böse ist, wird ja deutlich daran, dass er am Ende des Gesprächs sagt, dass er Brandon immer noch nicht ausstehen kann, dass er ihm nichts Gutes wünscht. Und wer Brandon doof findet, muss selbst total bescheuert sein - jedenfalls in einem JA-Roman.
Noch mal zu Edward: Eigentlich war die Konstellation bei ihm ja sehr ähnlich wie bei Willoughby. Er war jung und dumm, er
glaubte, Lucy liebe ihn, er
hat Lucy für einige Zeit geliebt. Der Unterschied: Während Willoughby mit Eliza ins Heu gegangen ist, hat Edward Lucy die Ehe versprochen (ohne Heu). Und während Willoughby sich verpisst hat, wollte Edward Lucy standhaft heiraten. Folge: Während Willoughby mit der Ehehölle bestraft wird, kriegt Edward sein großes Glück. Elinor stellt den Zusammenhang her, als sie darüber sinniert, wie ein hoffnungsvoller Mensch durch Eitelkeit und Müßiggang ruiniert werden kann - auch Edward hat seinen Fehler damit begründet, dass er beschäftigungslos war. Wie wir früher schon mal festgestellt haben, sind solche Parallelen sicher kein Zufall bei JA.