Frederica hat geschrieben:
Der Mann - und nur der Mann - durfte sich den Ehepartner aussuchen und den Antrag stellen. Anschließend war er an sein Wort gebunden und kam im Prinzip nicht aus dem Verlöbnis raus.
Die Frau durfte den Antrag annehmen oder ablehnen, und selbst wenn sie ihn angenommen hatte, konnte sie die Verlobung noch auflösen.
Das stimmt nicht ganz. Beide kamen aus der Verlobung schlecht wieder raus, auch wenn es nicht unmöglich war. Üblich war jedoch in jedem Fall eine finanzielle Entschädigung (und das nicht zu knapp) und eine entsprechende gesellschaftliche Aktion, um den Schaden für Ruf und Ansehen zu begrenzen. Ich habe häufiger schon gelesen, dass die Entschädigung in voller Höhe der Mitgift, bisweilen sogar höher war.
Vater Bertram sagt Maria damit nur, er würde hinter ihr stehen, wenn sie noch einen Rückzieher machte. Scheinbar sind die Finanzen inzwischen wieder bestens geklärt, so dass eine entsprechende Entschädigung (entgangene Mitgift!) an die Rushworths drin wäre.
Erinnert ihr euch daran, dass Cassandra Austen sogar eine Art Witwenrente durch ihren Verlobten erhält? Eine Verlobung enthält eben das "Eheversprechen" und gilt rechtlich quasi als einzuklagender Vertrag, bzw. bei nicht eintreten als Vertragsbruch.
*edit* Diese Regelung gilt in gewissem Sinne auch heute noch, nur dass es kaum jemand einklagt.
guckEine besondere Regelung war dabei möglicherweise das sogenannte
Kranzgeld, das Marianne Dashwood oder Lydia Bennet hätten erhalten können, wäre tatsächlich eine Verlobung im Raum gestanden.
Frederica hat geschrieben:
Und vielleicht hatte Jane Austen Mr. Elliot bis dahin zu positiv gezeichnet, dass sie dann tatsächlich fast schon mit dem Holzhammer kommen musste, um ihn als Heiratspartner zu diskreditieren. Außerdem denke ich, dass die "einfachen" Gründe wie nicht so lieben wie Wentworth, zu verschlossen, zu aalglatt usw. zwar für Anne und bestimmt auch für uns Leser gereicht hätten, nicht aber für die Gesellschaft von Bath und für Lady Russell, so dass Anne wieder einer Überredung ausgesetzt worden wäre.
Im Grunde wiederholt sich bei Elliot und seinem Ansehen das Schema, wie wir es bei Willoughby, Wickham und Crawford haben. Die Gesellschaft betrachtet die Herren anfangs als geeignete Heiratskandidaten, ohne tatsächliches Ansehen des Charakters. Erst im Laufe der Story erfährt man die "Wahrheit", auch wenn Jane Austen in meinen Augen schon früh bestimmte Anzeichen verrät. Gentlemen die übertrieben charmant, ja leutselig und amüsant rüberkommen, erweisen sich im nachhinein als "Katzengold", viel Glanz, aber kein Wert.
Findet sich darin Jane Austen's eigenes Problem einen geeigneten Gatten zu finden, der ihren charakterlichen Ansprüchen genügt, und nicht nur der Gesellschaft und Familie gefällt? Immerhin ist die Frage Dreh- und Angelpunkt fast jedes Romans, wenn auch nicht immer hauptsächlich.
Fühlte auch sie selbst sich häufig getäuscht, oder kritisiert sie damit hauptsächlich die Gesellschaft, welche sich ausschließlich vom äusseren Schein leiten und blenden lässt?
*Nachtrag*
Ich weiß, es wird oft diskutiert, ob JA in P&P ihre und Toms Rollen in Darcy und Lizzie vertauscht habe, wobei ihre Liebes- oder Leidensgeschichte sich so oder so darin nicht wiederfindet. Ich sehe eher eine Vertauschung der Rollen in Wentworth (Jane Austen) und Anne Elliot (Tom Lefroy), den seine Tante von einer tieferen Beziehung abbringt. Seine Tante wäre demnach Lady Russell.
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Grüsse, Caro
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