meli hat geschrieben:
Das ist doch bei NA (s.o.) auch der Fall. Ist NA dann nicht auch moralisch fragwürdig?
Keine Ahnung, wie das Buch damals aufgenommen wurde. Aber ja, wahrscheinlich war es fragwürdig - ebenso wie es Kritiker damals fragwürdig fanden, dass sich Elizabeth Bennet so über die Wünsche ihrer Mutter (Mr. Collins!) hinwegsetzt.
Tja, was ist ein romantischer Held? An der Frage haben wir uns auch die Zähne ausgebissen. Ich finde, Wentworth erfüllt zumindest einige "klassische" Kriterien für den "typischen" romantischen Romanhelden: Er sieht gut aus, er ist ein wahrer Held, er hat sich hoch gekämpft, ist gar ein Offizier (hoher Schwärmfaktor, warum auch immer
) und er liebt am Ende doch bis zuletzt und über alle Widrigkeiten hinweg. Das mit den klassischen Kritierien spricht ja bei JA eher dafür, dass sie die Verulkmaschine angeworfen hat, aber in diesem Fall ist das, glaube ich, nicht so. Wenn man andererseits sieht, wie unfreundlich, naiv und hilflos er zum Teil agiert (was, ok, ihn "menschlich" macht), dann bleibt unterm Strich offenbar vor allem eins: Dass er beständig ist, dass er Anne auch nach acht Jahren und allem Zorn und aller Verbitterung zum Trotz doch noch liebt.
Also eigentlich geht es vielleicht um unsere Vorstellung von Liebe bzw. von romantischem Verhalten. Nach dieser Logik wäre Benwick aber keineswegs romantisch. Tatsächlich aber hält er selbst sich sicher für einen großen Romantiker mit seiner Liebe zu Fanny, die tragisch endete und mit seiner Poesie etc. pipapo. Wentworth dagegen würde sich möglicherweise gegen diese Bezeichnung verwahren.
Meli hat geschrieben:
Naja, für mich ist jemand ein romantischer Held, der sich bedingungslos für seine Liebste einsetzt (Bsp. Tilney widersetzt sich seinem Vater*).
Gerade Tilney finde ich so gar nicht romantisch. Er ist gewitzt und lustig - aber abgesehen von seinem Widerstand gegen seinen Vater kann ich nichts Romantisches an ihm finden. Und was die Beständigkeit angeht: Ist es denn per se romantisch, wenn ein Paar sich z.B. bis ans Lebensende mit hoffentlich über 100 immer noch liebt? Ich finde das ganz schön, aber romantisch?
Tina hat geschrieben:
Die Handlung wird heutzutage als romantisch empfunden, aber der wahre Romantiker damals hatte vielleicht doch andere Werte zu erfüllen als irgendwelche gefühlvollen Dinge zu tun, wie man das aus Kitschromanen kennt und wo alles irgendwie romantisch sein soll.
Das denke ich auch. Wenn man mal unterscheidet zwischen dem, was wir heute romantisch finden, und was damals als romantisch gegolten haben könnte, dann könnte ich mir vorstellen, dass JAs Helden den romantischen Ansprüchen ihrer Zeit nicht genügt haben könnten. Ihnen fehlt das Pathos und die zur Schau gestellte Leidenschaft. Ein introvertierter Typ wie Colonel Brandon z.B.: Ich finde den kein Bisschen romantisch, sondern wegen seiner tragischen Vor(Liebes-)geschichte bestenfalls rührend.
Oder Anne, um mal auf die Frauen zu gucken
: So viel Pflichtgefühl, so viel Bedürfnis nach Versöhnung, so viele unterdrückte Gefühle - die Gute ist von Romantik so weit entfernt wie Lady Bertrams Mops. Und prompt ist sie auch nicht die arme verlassene Maid, die von ihrem romantischen Helden aus dem Elend errettet werden muss, sondern nimmt ihr Schicksal auf den letzten Metern selbst in die Hand und tütet die Kiste mit dem Captain mal eben selbst ein, indem sie klarstellt, auf wen sie es immer noch abgesehen hat.
Also ne, ich sehe da überall romantische Motive, aber keine romantischen Helden.