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 Betreff des Beitrags: Groupread Northanger Abbey Kap 20-24
BeitragVerfasst: Sonntag 13. März 2011, 13:37 
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Administrator und Captain a.D. of HMS Groupread
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Was hier klar wird: General Tilney ist ein sehr, sehr autoritäres Familienoberhaupt, er kommt recht unsympathisch rüber. Für Catherine ein seltsamer Widerspruch zu der ausgesuchten Höflichkeit/Freundlichkeit, mit der er ihr begegnet. Wir wissen ja, woran das liegt... Was die Autorität betrifft, erinnert er mich am ehesten an Sir Thomas Bertram aus Mansfield Park. Der war aber im Grunde ein viel freundlicherer Mensch - auch wenn er als Erzieher versagt hat. Etwas ungewöhnlich finde ich es daher, dass die Kinder des Generals so perfekt sind. Vermutlich liegt das daran, dass JA sich in diesem Buch noch nicht mit pädagogischen Fragen befassen wollte (sonst ist das ja eigentlich immer ein Thema)?

Und dann ist hier natürlich noch die grandiose Kutschfahrt, Henrys große Show. :wink: Ich konnte es nur kaum fassen, dass Catherine sich selbst davon noch mitreißen lässt, anstatt sich halb schlapp zu lachen. Sie ist halt ein sehr Roman-versessenes Mädchen....


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Sonntag 13. März 2011, 13:37 


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BeitragVerfasst: Montag 14. März 2011, 09:52 
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Austenexperte

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Kapitel 22:

Zitat:
The elegance of the breakfast set forced itself on Catherine's notice when they were seated at table; and, luckily, it had been the General's choice. He was enchanted by her approbation of his taste, confessed it to be neat and simple, thought it right to encourage the manufacture of his country; and for his part, to his uncritical palate, the tea was as well flavoured from the clay of Staffordshire, as from that of Dresden or Sêve. But this was quite an old set, purchased two years ago. The manufacture was much improved since that time; he had seen some beautiful specimens when last in town, and had he not been perfectly without vanity of that kind, might have been tempted to order a new set. He trusted, however, that an opportunity might ere long occur of selecting one -- though not for himself. Catherine was probably the only one of the party who did not understand him.


Dieser Abschnitte gefällt mir sehr gut. Papa Tilney unterstützt die heimische Wirtschaft, hat einen schönen Geschmack, ist überhaupt nicht eitel, großzügig und denkt an die Zukunft. Er ist doch ein durchaus sympathischer Mensch. :wink:


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BeitragVerfasst: Montag 14. März 2011, 13:56 
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Austenexperte
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meli hat geschrieben:
Kapitel 22:

Zitat:
The elegance of the breakfast set forced itself on Catherine's notice when they were seated at table; and, luckily, it had been the General's choice. He was enchanted by her approbation of his taste, confessed it to be neat and simple, thought it right to encourage the manufacture of his country; and for his part, to his uncritical palate, the tea was as well flavoured from the clay of Staffordshire, as from that of Dresden or Sêve. But this was quite an old set, purchased two years ago. The manufacture was much improved since that time; he had seen some beautiful specimens when last in town, and had he not been perfectly without vanity of that kind, might have been tempted to order a new set. He trusted, however, that an opportunity might ere long occur of selecting one -- though not for himself. Catherine was probably the only one of the party who did not understand him.


Dieser Abschnitte gefällt mir sehr gut. Papa Tilney unterstützt die heimische Wirtschaft, hat einen schönen Geschmack, ist überhaupt nicht eitel, großzügig und denkt an die Zukunft. Er ist doch ein durchaus sympathischer Mensch. :wink:


Und er ist wahrscheinlich neben Catherine der Einzige, der nicht merkt, daß er so gar nicht mit seiner Aussage übereinstimmt. Und leider wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis auch Catherine in etwas kritischer sieht. :fies_sei:
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sadly enough, this is more than true in our times


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BeitragVerfasst: Donnerstag 17. März 2011, 12:09 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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Auffällig finde ich immer wieder, wie detailliert das Haus beschrieben wird - vorallem weil in den Romanen ja sonst generell nicht viel Raum für Umgebungsbeschreibungen ist.

Vielleicht liegt es daran, dass aus Catherines Perspektive erzählt wird und wir das Haus sozusagen durch ihre Augen sehen ... jedenfalls finde ich die Besichtigungstour ziemlich dröge. :wink: Aber offenbar war es JA wichtig zu zeigen, wie weit Northanger Abbey von Catherines roman-inspirierten Vorstellungen entfernt ist. Und wie stolz der General auf all seine modernen Verbesserungen und Anbauten ist.
Ein nettes Detail in der Charakterisierung von General Tilney ist auch, dass er hier schon zum zweiten Mal in einer Szene Eleanor großspurig zum Reden/Erzählen auffordert, und dann aber selbst weiterplappert und sie gar nicht zu Wort kommen lässt.

Was mir noch auffällt bzgl. Catherines Schauerroman-Versessenheit: Eigentlich kann sie ja bisher kaum mehr als "Udolpho" gelesen haben (das ja an entsprechender Stelle als erstes dieser Art genannt wird), andererseits ist mehrmals die Rede von den "zahllosen/vielen/häufigen/..." Beispielen für ermordete/weggesperrte/ungeliebte Ehefrauen, mysteriösen Schränken/Manuskripten, etc. die ihr schon begegnet wären. In "Udolpho" steckt soviel gar nicht drin. Eine Ungenauigkeit der Autorin??

Eleanor tut mir leid - allein in dem großen Haus, nur mit dem unterkühlten Vater und ab und zu Henry. Klingt nicht gerade nach einem spaßigen Leben - und Freunde/Bekannte in der Nähe werden auch nicht erwähnt.


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BeitragVerfasst: Freitag 18. März 2011, 23:48 
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Julia hat geschrieben:
Auffällig finde ich immer wieder, wie detailliert das Haus beschrieben wird - vorallem weil in den Romanen ja sonst generell nicht viel Raum für Umgebungsbeschreibungen ist.
Vielleicht liegt es daran, dass aus Catherines Perspektive erzählt wird und wir das Haus sozusagen durch ihre Augen sehen ...

Daran wird das liegen, das denke ich auch. Und wohl auch daran, dass ausführliche Beschreibungen gruseliger Häuser doch zu jedem guten Schauerroman dazugehören - oder nicht? Also muss es in der Persiflage wohl auch so oder ähnlich sein.

Die genauen Beschreibungen setzen sich ja fort bei der Truhe und dem Sekretär. Diese beiden Kapitel, 21 und 22, in denen Catherine verzweifelt versucht, gar nicht verschlossene Objekte zu öffnen, finde ich sehr gut. Das ist so eindringlich beschrieben - besser könnte es in keinem Schauerroman stehen. :wink: Und wie Catherine hin- und hergerissen ist: Immer wieder schämt sie sich, reißt sich zusammen - und bei der ersten Gelegenheit wird sie wieder schwach... Sollte man sie charakterisieren, müsste man wohl feststellen, dass Selbstbeherrschung nicht ihre Stärke ist. Sie hat ja auch schon wieder ein spannendes Thema gefunden, für das es an Beweisen nicht mangelt: Die Grausamkeit, wenn nicht Schlimmeres, des Generals gegenüber seiner Frau...

Hübsch finde ich auch, wie hier Hinweise eingestreut werden, dass General Tilney immer denkt, Catherine müsse aus sehr reichen Verhältnissen kommen. Und jedesmal, wenn ihre Antworten klar machen, dass das nicht stimmt, hindert ihn seine eigene Eitelkeit, diese Information richtig abzuspeichern. Immerhin weise ist seine Haltung, dass beide Söhne einen Beruf lernen sollen, anstatt untätig herumzulungern (wohin das führen kann, sieht man ja bei Edward Ferrars aus Sense & Sensibility... :wink: ).


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BeitragVerfasst: Dienstag 22. März 2011, 23:17 
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Kleine Zwischenfrage: Wie viele Groupreader sind wir eigentlich noch? Kommen noch alle hinterher? Sind wir vielleicht zu schnell?


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BeitragVerfasst: Mittwoch 23. März 2011, 10:37 
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Austenexperte

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Ich glaube nicht, dass die Schnelligkeit ein Problem ist. :)


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BeitragVerfasst: Mittwoch 23. März 2011, 10:44 
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Bin momentan unter Zeitdruck, ab morgen einige Tage in Berlin, ;D les aber mit. :)

Zu diesen speziellen Kapiteln:

Mir gefällt Henry Tilney ausgesprochen gut, bzw. seine ironische Art, sich auszudrücken. :wink:
Als ich NA das erste Mal las, hat mir die ausführliche Schilderung der Abbey nicht sonderlich gefallen, mochte ich die übertriebenen Gefühle von Catherine gar nicht. Da wusste ich noch nicht, dass Jane Austen das als Karikatur von Udolpho etc. geschrieben hatte.
Aber vielleicht ist das doch ein Zeichen dafür, dass JA ein wenig übertrieben hat in ihrem Spaß am Sich -Lustig - Machen? :lach:

Andererseits - Catherine steckt ja gerade mittendrin in Udolpho, dann das Gerede von Henry , sie ist sehr jung...eigentlich muss sie so fühlen! :mrgreen:

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BeitragVerfasst: Mittwoch 23. März 2011, 17:14 
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Austenexperte
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Miranda hat geschrieben:
Andererseits - Catherine steckt ja gerade mittendrin in Udolpho, dann das Gerede von Henry , sie ist sehr jung...eigentlich muss sie so fühlen! :mrgreen:

Ich habe den Dialog in der Kutsche gerade nochmal gelesen, all die Naivität, aber auch echte Begeisterung von Catherine, ein junger Mann muss schon "very dull" sein, um diese Vorlagen nicht für diverse heitere Erwiderungen zu nutzen. Sie liefert Henry Stichworte, da muss der Gute ja, um dem Ruf durch seine Schwester Ehre zu machen, drauf antworten. :fies_sei:

@ Udo, irgendwie ist NA schon wieder so weit weg, eigentlich bin ich ja schon fertig :gnade:
ich gelobe Besserung und werde wieder etwas mehr meinen Senf dazugeben.

Elanor

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BeitragVerfasst: Samstag 26. März 2011, 09:44 
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Catherine entwickelt hier ja regelrecht "Abscheu" gegen den General, dem sie die grauenhaftesten Verbrechen unterstellt. Was mich dabei wundert: Dafür wohnt sie eigentlich noch ganz entspannt in dem Kloster. Sie könnte ja auch vor Angst erzittern, wenn er in der Nähe ist. Oder jede Nacht fürchten, er könne sie aus dem Fenster werfen und es wie einen Unfall aussehen lassen. Solchen Scheusalen muss man doch alles zutrauen. Sie hat ja schon von "Dutzenden" gelesen, "die jedem erdenklichen Laster frönend, von Verbrechen zu Verbrechen geschritten waren und blindlings ohne jede Regung von Mitleid oder Reue gemordet hatten". Catherine ist dagegen fast mutig, wie sie am Ende allein durchs Haus schleicht. Wobei es einmal ja doch heißt, der General sei so verbindlich gewesen, "dass sie ihrer Meinung nach vorläufig nicht um ihr Leben zu fürchten brauchte".

Wie findet Ihr denn die Stelle, wo Henry die gute Catherine vor dem Zimmer seiner Mutter erwischt? Da verhört er sie ganz schön streng, finde ich. Wobei seine Rede über die Segnungen von Gesetz und Zivilisation und Christentum nicht übel ist. Das hat mich an Wuthering Heights erinnert, weil ich bei dem Buch immer wieder gedacht habe, mein Gott, was sagen bloß die Nachbarn dazu? ;D

Ansonsten gelingt es mir, glaube ich, endlich besser, Northanger Abbey nicht an den anderen JA-Romanen zu messen. Man muss ja immer bedenken, dass es hier nicht in erster Linie um eine überzeugende Story oder psychologisch fein ausgelotete Figuren geht (wobei einige sehr wohl sehr gut geschildert werden, Henry zum Beispiel), sondern um eine witzige Satire, die oft übertreibt und überzeichnet.


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BeitragVerfasst: Samstag 26. März 2011, 16:02 
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Udo hat geschrieben:
Ansonsten gelingt es mir, glaube ich, endlich besser, Northanger Abbey nicht an den anderen JA-Romanen zu messen. Man muss ja immer bedenken, dass es hier nicht in erster Linie um eine überzeugende Story oder psychologisch fein ausgelotete Figuren geht (wobei einige sehr wohl sehr gut geschildert werden, Henry zum Beispiel), sondern um eine witzige Satire, die oft übertreibt und überzeichnet.

Jetzt, wo du es so klar aussprichst, wird mir erst einmal bewußt, warum ich beim Lesen des Romans so anders empfinde, als bei den anderen Fünf (Wobei da MP nur halb zählt, aber dafür der Anfang von Sanditon mit)
Ja, man muß es schon recht konsequent im Kopf haben, daß es eine Satire ist, um es zu geniessen. Als simpler Roman ist es einfach zu überdreht.
Udo hat geschrieben:
Catherine entwickelt hier ja regelrecht "Abscheu" gegen den General, dem sie die grauenhaftesten Verbrechen unterstellt. Was mich dabei wundert: Dafür wohnt sie eigentlich noch ganz entspannt in dem Kloster. Sie könnte ja auch vor Angst erzittern, wenn er in der Nähe ist. Oder jede Nacht fürchten, er könne sie aus dem Fenster werfen und es wie einen Unfall aussehen lassen. Solchen Scheusalen muss man doch alles zutrauen. Sie hat ja schon von "Dutzenden" gelesen, "die jedem erdenklichen Laster frönend, von Verbrechen zu Verbrechen geschritten waren und blindlings ohne jede Regung von Mitleid oder Reue gemordet hatten". Catherine ist dagegen fast mutig, wie sie am Ende allein durchs Haus schleicht. Wobei es einmal ja doch heißt, der General sei so verbindlich gewesen, "dass sie ihrer Meinung nach vorläufig nicht um ihr Leben zu fürchten brauchte".

Udo, dein Stil wird immer besser, diese leicht subtile Ironie :top: du bist doch nicht etwa bei Jane Austen in die Lehre gegangen :danke:
Im Ernst, du bringst es hervorragend auf den Punkt.

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BeitragVerfasst: Sonntag 27. März 2011, 09:48 
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Hab mir noch mal die NA-Verfilmung mit Felicity Jones angesehen. Die fand ich beim ersten Gucken eigentlich gar nicht übel - aber wenn man jetzt gerade das Buch liest, fällt einem doch auf, wie heftig da gekürzt und zugespitzt wurde. John Thorpe hat ein Schild an der Stirn "Ich bin dumm und gemein" und der General sieht tatsächlich aus, als habe er schon mehr als einen Menschen um die Ecke gebracht (hat er als General wohl auch, fällt mir gerade ein...).
Was mich im Film interessierte, war die Stelle aus Kap 24, an der Henry Catherine zur Rede stellt. Das ist schlechter als im Buch, weil die schönen Zitate fehlen, aber Mr. Davies hat das Kapitel offenbar auch so gelesen, als ob Henry hier sehr, sehr streng mit Catherine ist.


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BeitragVerfasst: Sonntag 27. März 2011, 10:55 
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Udo hat geschrieben:
Was mich im Film interessierte, war die Stelle aus Kap 24, an der Henry Catherine zur Rede stellt. Das ist schlechter als im Buch, weil die schönen Zitate fehlen, aber Mr. Davies hat das Kapitel offenbar auch so gelesen, als ob Henry hier sehr, sehr streng mit Catherine ist.


Er ist schon streng (schließlich ist es ja auch eine ganz schöne Unverschämtheit, so einen Verdacht gegenüber seinem Gastgeber auch noch seinem Sohn gegenüber zu äußern), aber streng um ihr die Augen zu öffnen und zu "kurieren" - nicht lieblos: "Dearest Miss Morland, what ideas have you been admitting?" Auch wird gleich im Anschluß daran betont, wie diskret und anständig sich Henry verhält. Die Sache ist für ihn gegessen und Catherine hat nicht unter irgendwelchen Anspielungen zu leiden oder muss sich lange damit quälen, ob sie nun in seinem Ansehen verloren hat. Ohne den Buch-Film-Vergleich hier ausweiten zu wollen: In der von Dir angesprochenen Verfilmung ist das gerade nicht so. Henry reitet wutschnaubend davon und Catherine ist ein Häufchen Elend, bis der "erlösende Antrag" kommt. Grauenhaft - und völlig Anti-Austen.


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BeitragVerfasst: Sonntag 27. März 2011, 22:12 
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Julia hat geschrieben:
Er ist schon streng (schließlich ist es ja auch eine ganz schöne Unverschämtheit, so einen Verdacht gegenüber seinem Gastgeber auch noch seinem Sohn gegenüber zu äußern), aber streng um ihr die Augen zu öffnen und zu "kurieren" - nicht lieblos:

Das erinnert mal wieder an das pädagogische Motiv, das bei JA ja auch ziemlich oft auftaucht: Knightley "erzieht" Emma, Brandon "erzieht" Marianne, Edmund "erzieht" Fanny", selbst Lizzy kann von Darcy viel lernen, heißt es. Da ist die gute Anne Elliot die große Ausnahme, auch ein Grund, sie besonders zu mögen.
Nein, lieblos ist er nicht. Eher sehr, sehr nachsichtig. Wobei ich denke, es spricht in Henrys Augen eher für Catherine, dass sie ihre Gedanken ausplaudert, weil es zeigt, wie offen sie ihm gegenüber ist. Das könnte seinen Ärger über den ungeheuerlichen Verdacht, den er ja wohl schon erahnt hat, gemildert haben.


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BeitragVerfasst: Sonntag 27. März 2011, 22:50 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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Udo hat geschrieben:
Brandon "erzieht" Marianne


... aber nur in den Verfilmungen! Im Buch wird ihre Beziehung in ein paar knappen Sätzen abgehandelt.

Meinem Eindruck nach "erzieht" (wenn man es denn so nennen will. Ich würde eher sagen: beeinflussen, motivieren, inspirieren) aber zum Beispiel Lizzy eher Darcy als umgekehrt.

Dieses von Dir erwähnte "pädagogische Motiv" sehe ich so ausgeprägt und kontinuierlich eigentlich nur in "Emma" und "Mansfield Park". Henry öffnet Catherine zwar die Augen, aber so besonders "belehrend" oder "erzieherisch" kann ich das noch nicht finden.
Letztendlich sind JAs Romane ja dann doch Bildungsromane, d.h. es geht generell um persönliche Reifeprozesse. Und dass diese oft durch Beziehungen, also Reflektion motiviert sind.


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BeitragVerfasst: Montag 28. März 2011, 10:12 
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Ich würde sagen, dass Jane Austen's Romane insofern als Bildungsromane verstanden werden können, als es eigentlich doch darum geht, dass ihre Protagonistinnen sich ihren Platz in der Gesellschaft suchen bzw. finden müssen. (Was bei einer Frau mit Blick auf die Entstehungszeit eigentlich auch über die Ehe möglich ist, es sei denn, sie will (nicht gerade geachtete) Außenseiterin bleiben.

Was die Verfilmungen betrifft, kenne ich die neuere nicht, in der älteren habe ich diese Szene gar nicht schlecht umgesetzt gefunden. Der Schauspieler Peter Firth (obwohl optisch alles andere als ein Traumtyp) brachte ganz gut rüber, dass er doch ziemlich bestürzt darüber ist, dass Catherine solche Dinge über seine Familie sich einfallen lassen konnte, für mich eine verständliche Reaktion. Das Positive ist aber, dass er die Sache mit ihr klar stellt, und dann ist sie für ihn erledigt.


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BeitragVerfasst: Dienstag 29. März 2011, 20:20 
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Administrator und Captain a.D. of HMS Groupread
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Registriert: Mittwoch 9. April 2008, 15:07
Beiträge: 3093
Julia hat geschrieben:
Henry öffnet Catherine zwar die Augen, aber so besonders "belehrend" oder "erzieherisch" kann ich das noch nicht finden.

Da habe ich einen ganz anderen Leseeindruck. Wir hatten doch schon z.B. den Spaziergang, bei dem Henry über Malerei, Geschichte und Sprache doziert (wenn auch oft mit Witz garniert), während Catherine mit großen Augen an seinen Lippen hängt. Er macht nicht immer den strengen Lehrer wie Knightley oder ist gar der Former von Geschmack und Charakter wie Edmund, aber ich hab schon den Eindruck, dass er Catherine "bildet", um es mal so zu sagen.

Zitat:
Letztendlich sind JAs Romane ja dann doch Bildungsromane, d.h. es geht generell um persönliche Reifeprozesse. Und dass diese oft durch Beziehungen, also Reflektion motiviert sind.

Ermione hat geschrieben:
Ich würde sagen, dass Jane Austen's Romane insofern als Bildungsromane verstanden werden können, als es eigentlich doch darum geht, dass ihre Protagonistinnen sich ihren Platz in der Gesellschaft suchen bzw. finden müssen.


Ich tue mich etwas schwer mit dem Begriff "Bildungsroman", weil ich dann immer denke, es geht um Romane, in denen Bildung vermittelt wird - oder in denen gelehrt schwadroniert wird. Aber das ist ja gar nicht so, deshalb stimmt der Begriff wohl. Und wahrscheinlich geht es um beides: Indem die Figuren sich bilden, reifen, finden sie auch ihre Position in der Gesellschaft - schließlich enden alle JA-Romane mit einer Heirat, wodurch dieses "Ankommen" ja deutlich gemacht wird.


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