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 Betreff des Beitrags: Groupread Northanger Abbey Kap 1-3
BeitragVerfasst: Samstag 4. Dezember 2010, 19:56 
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Administrator und Captain a.D. of HMS Groupread
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Ein paar Anmerkungen zu NA, quasi zur Einstimmung:
NA ist JAs dritter Roman, geschrieben 1798-99 mit dem Titel Susan. 1802 hat Austen den Text leicht überarbeitet, 1803 konnte sie das Manuskript für 10 Pfund (soweit ich mich erinnere, war das die Summe, über die sie damals jährlich verfügte) an den Verleger Crosby verkaufen - ihr allererster Erfolg als professionelle Schriftstellerin. Das Buch wurde auch zur Veröffentlichung angekündigt, erschien aber nicht. Möglicherweise fürchtete Crosby um sein Geschäft mit Schauerromanen? Sechs Jahre später schrieb Austen an Crosby und drohte damit, das Buch woanders zu veröffentlichen. Crosby reagierte verärgert, bot Austen aber an, die Rechte für 10 Pfund zurück zu kaufen, was Austen aber nicht tat. Erst weitere sechs Jahre später (JA hatte mittlerweile vier Romane veröffentlicht) kaufte ihr Bruder Henry Austen die Rechte zurück. Crosby hat erst danach erfahren, dass das Buch von der Autorin von P&P u.a. stammte. Austen überarbeitete den Text noch einmal, verzichtete aber auf die Veröffentlichung - vielleicht, weil die Schauerromane schon nicht mehr Mode waren. So brachte Henry, der auch den Titel festlegte, den Roman erst nach ihrem Tod zusammen mit Persuasion heraus. Der ursprüngliche Titel und der Name der Heldin mussten geändert (letzteres noch von JA) werden, weil inzwischen ein anderer Roman mit dem Titel Susan erschienen war. Sehr erfolgreich war das Buch wohl nicht: Es gab nur wenige Rezensionen, schon 1820 soll der Rest der ersten Auflage verramscht worden sein.


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Samstag 4. Dezember 2010, 19:56 


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BeitragVerfasst: Sonntag 5. Dezember 2010, 18:03 
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Udo hat geschrieben:
Kapitel 1-3


Dann fang ich mal an. :)

Die Heldin wird uns vorgestellt, Bath mit seinen Gepflogenheiten als Handlungsort gewählt, und Mr Tilney kommt ins Spiel.

Was mich von Beginn an begeistert hat, ist der ironische oder gar schalkhafte Tonfall, der schon in den ersten drei Kapiteln sehr viel stärker ist als in anderen Romanen von JA. Jedenfalls empfinde ich das so.

Zunächst zu Chapter 1

No one who had ever seen Catherine Morland in her infancy would have supposed her born to be an heroine. - Aha, darum geht es hier. :D
Die Mutter der Heldin besitzt die Unverfrorenheit, nach drei Söhnen und eben Catherine instead of dying in bringing the latter into the world, as anybody might expect, she still lived on--lived to have six children more--to see them growing up around her, and to enjoy excellent health herself. :lach:
Und so geht es weiter: A family of ten children will be always called a fine family,where there are heads and arms and legs enough for the number.

Erstaunlich , wie genau man sich das Kind Catherine vorstellen kann, bis zum Alter von 15 tobt sie lieber mit Jungs rum ( wie JA selber?) aber dann wird sie auf das Leben einer Heldin vorbereitet...indem sie spezielle Gedichte lesen muss :wink: :fies_sei:
she was in training for a heroine;she read all such works as heroines must read to supply their memories with those quotations which are so serviceable....


Weiß jemand, warum JA gerade die im 1. Kapitel erwähnten Zitate nimmt?

Mit 17 ist Catherine wohl eine angenehme junge Dame, denn warum sollte Mrs Allen sie sonst nach Bath mitnehmen wollen?

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BeitragVerfasst: Sonntag 5. Dezember 2010, 18:17 
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Administrator und Captain a.D. of HMS Groupread
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Miranda hat geschrieben:
Weiß jemand, warum JA gerade die im 1. Kapitel erwähnten Zitate nimmt?

Also ich nicht. Aber Grawe weist in den Anmerkungen darauf hin, dass fast alle Zitate ungenau zitiert sind. Das finde ich leicht seltsam, gilt JA doch sonst als sehr gewissenhafte Autorin. Aber vielleicht ist das Absicht?


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BeitragVerfasst: Sonntag 5. Dezember 2010, 18:26 
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Kunstfertige Wortumdreherin und Meisterin im Freistil-Lesen
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Miranda hat geschrieben:
Weiß jemand, warum JA gerade die im 1. Kapitel erwähnten Zitate nimmt?


Dem bin ich beim letzten Groupread auf den Grund gegangen, ich kopier mal:

From Pope, she learnt to censure those who "bear about the mockery of woe."
Das ist eine Zeile aus Alexander Pope's Gedicht "Elegy to the memory of an unfortunate Lady", indem es um eine Frau geht, die sich lieber umbringt, als unerwiderte Liebe zu erleiden. Sie stirbt und niemand beweint sie, es gibt nicht einmal Freunde, die vorgeben, zu trauern:
What tho' no friends in sable weeds appear,
Grieve for an hour, perhaps, then mourn a year,
And bear about the mockery of woe
To midnight dances, and the public show?

Auch Catherine wird (obwohl sie dieses Gedicht zitieren kann), zuerst nicht zwischen Menschen mit echten und vorgetäuschten Gefühlen unterscheiden können.

From Gray, that "Many a flower is born to blush unseen, And waste its fragrance on the desert air."
Dasselbe Gedicht zitiert Mrs Elton in "Emma" bzgl. Jane Fairfax. Es ist "Elegy written in a Country Churchyard", worin Gray vor Machtmissbrauch, und dem trügerischen Schein von Schönheit und Reichtum warnt. Auch ein Vorbote auf den weiteren Verlauf der Geschichte?

From Thompson, that "It is a delightful task, To teach the young idea how to shoot."
Sehr ironisch, angesichts der Tatsache, wie ungebildet Catherine selbst ist. Im weiteren Verlauf des Gedichtes "Spring" aus dem "The Seasons"-Zyklus, wird die ideale Ehe zwischen Seelenverwandten in emotionalem und intellektuellem Gleichgewicht gelobt - gegenüber eigennützigen, gewalttätigen und lieblosen Partnerschaften.

Die drei Shakespeare-Zitate stammen aus "Othello", das erste ("Trifles light as air, Are to the jealous, confirmation strong, As proofs of Holy Writ.") von Iago, der das Komplott um Desdemona's Taschentuch ausheckt, wegen dem sie dann vom eifersüchtigen Othello ermordet wird. Wer wohl der (ironisierte!) "Iago" in "Northanger Abbey" ist? :wink:
Das zweite Zitat ("The poor beetle, which we tread upon, In corporal sufferance feels a pang as great, As when a giant dies.") ist von Isabella aus "Maß für Maß", die Schwester von Claudius. Claudius versucht sie zu überreden, mit dem Herzog Angelo ins Bett zu steigen, damit Claudius' Kopf gerettet wird. Isabella ist die personalisierte Tugend in diesem Stück, ständig hin- und hergeworfen zwischen Liebe und Ehre, Tugend und Bosheit. Vielleicht ist die Namensverwandschaft mit Isabella Thorpe, die das komplette Gegenteil ist, ja mehr als nur Zufall?
Das letzte Zitat (And that a young woman in love always looks "like Patience on a monument Smiling at Grief.") ist aus "Twelfth Night". Gesprochen von Viola, die als Mann verkleidet mit Orsino darüber streitet, ob Frauen unfähig zu starken Gefühlen und Treue sind. (Wen erinnert das noch an "Persuasion"?)
Auch das nimmt einige Aspekte der Geschichte vorweg, wenn sich die verliebte Catherine so ganz untypisch offen und unverstellt gegenüber Henry verhalten wird.

Man kann die Zitate als "Orakel" für den weiteren Verlauf der Handlung sehen, und/oder einfach als Parodie auf die Bildungskonventionen der Zeit. Cathrines gelernte Gedichte wirken ja recht wahllos und die Zitate so aus dem Zusammenhang gerissen eher grotesk als tiefsinnig.


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BeitragVerfasst: Sonntag 5. Dezember 2010, 21:04 
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Miranda hat geschrieben:
No one who had ever seen Catherine Morland in her infancy would have supposed her born to be an heroine. - Aha, darum geht es hier. :D



Ich finde es vor allem faszinierend, welche Antithese zu Emily St. Aubert (der Heldin von Udolpho) JA mit Catherine Moreland schon hier entwickelt.

Emily, so lernen wir schon im ersten Kapitel von Udolpho, ist ein wahrlich außergewöhnliches Mädchen. Sie kommt aus einer angesehenen, wenn auch leider verarmten Familie in der Gascogne - das traute Heim der Eltern wird schon auf den ersten Seiten bis ins Detail beschrieben, das erspare ich euch mal, aber jedenfalls ist es höchst idyllisch, mit Szenen bäuerlicher Idylle, singenden Bauern, tanzenden Schafen etc. etc. - die Eltern sind in inniglichster Liebe einander verbunden, doch die Söhne sind ihnen leider weggestorben; Emily ist ihr einziges überlebendes Kind. Sie ist lieblich in Figur und Antlitz, in Schönheit ihrer liebreizenden Mutter ähnelnd, doch noch bemerkenswerter ist der außergewöhnliche Ausdruck in ihrem Gesicht, der von Tugend und Sensibilität zeugt. Ihr Geist wird von ihrem Vater mit Inbrunst herangezüchtet; er lehrt sie die Naturwissenschaften, das Englische und das Lateinische, auf daß sie sich des Sublimen der größten Poeten dieser Sprachen erfreuen möge und erweckt in ihr eine Liebe zur Literatur. Emily spielt die Harfe, züchtet Blumen, schreibt Gedichte (das ganze Buch ist voll von Emilys poetischen Ergüssen) und widmet sich anderen derartigen Zerstreuungen, nicht aus Pflichtgefühl, sondern weil diese den Neigungen ihres Herzens entsprechen. Vor allem aber erfreut sich Emily an Landschaften, die in ihr eine heilige Ehrfurcht erwecken, wenn sie dort das sublime und übermenschliche erblickt.

Emily spaziert also dort im zarten Teenageralter (sie wird wohl etwas jünger als Catherine sein) mit ihren sich so herzlich liebenden und Emily liebenden klugen, schönen und sensiblen Eltern durch die Landschaft, findet in einem Fischerhäuschen ein Gedicht von einem heimlichen Verehrer, verliert einen Armreifen und die Mutter ein Portrait Emilys - und dann treffen wir Emilys ehrgeizige und törichte Verwandtschaft, Onkel und Tante aus der Großstadt, die keinen Sinn für das einfache und schöne haben. Emilys Vater wird krank, dann Emilys Mutter, die dann auch an ihrer Krankheit zu Grunde geht. Zwischendurch werden noch einige Gedichte zitiert und das erste Kapitel endet mit dem Tod von Emilys Mutter. Im folgenden wird sich Emily mit ihrem Vater auf Reisen durch übermenschlich ehrfurchtsgebietende und inspirierende Landschaften machen, einen Helden treffen, der genauso tugendhaft, sensibel und langweilig ist wie sie, bevor ihr auch der Vater wegstirbt, Emily in die Obhut ihrer unsensiblen und daher bösen Verwandten gerät und ihr eigentliches Abenteuer in der großen weiten Welt beginnt.

Man vergleiche diese Vorstellung einer Heldin mit Catherine Morelands Vorstellung - ich denke, es wird klar, worüber sich JA im ersten Kapitel (unter anderem) lustig machen will.

Wußtet ihr übrigens, daß NA auch außerhalb der JA-fanszene weithin bekannt ist als eines der ersten literarischen Werke - wenn nicht das erste - in dem Baseball erwähnt wird? ;-)

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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 00:34 
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Echt? Erstmals Baseball? :fies_sei: Nee, das wusste ich nicht.
Ich sollte Udolpho wirklich mal selbst lesen, aber wenn Du uns den Inhalt so in interessant wiedergibst, komm ich wohl drumrum? :wink:
Nein, echt, ich hatte mir den Roman bestellt, er liegt auf meinem SUB, aber dass wird dauern.
Also : danke Mari.A. :ja:

Heldin Emily übertrifft Catherine natürlich in jeder Beziehung! Aber wer weiß - ändert sich das?

@ Julia
Wenn man nun sämtliche Zitate so genau untersuchte, dann blieben wir mindestens bis Ende des Jahres im Thread I. :D
Danke dass Du uns vorab so informierst. Ich werd versuchen , das nachzuvollziehen! ;D
Ich traue JA zu, dass sie jedes einzelne Zitat bewusst genau so und nicht anders formuliert hat! :top:

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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 13:17 
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Miranda hat geschrieben:
Was mich von Beginn an begeistert hat, ist der ironische oder gar schalkhafte Tonfall, der schon in den ersten drei Kapiteln sehr viel stärker ist als in anderen Romanen von JA. Jedenfalls empfinde ich das so.

Ich auch ;D
Und ich finde auch, man hat mehr das Gefühl, dass ein Erzähler direkt zum Leser spricht, als in den anderen Romanen. Ich kann nicht so ganz fest machen, woran das liegt... unter anderem wohl an der vergleichsweise präsenteren Ironie, da ich die beim Lesen einfach einer Person in den Mund legen "muss", aber vielleicht auch weil Beschreibungen wie gerade im ersten Satz ("No one who had ever seen Catherine Morland in her infancy would have supposed her born to be an heroine.") recht "allwissend" und wertend klingen?

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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 15:27 
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Miss Hamilton hat geschrieben:
Und ich finde auch, man hat mehr das Gefühl, dass ein Erzähler direkt zum Leser spricht, als in den anderen Romanen.

Das denke ich auch. Während man sonst ja darüber spekulieren/diskutieren kann, ob JA oder eine Erzählstimme spricht, die von JA abweichende Ansichten vertritt, hat man hier sehr deutlich das Gefühl, dass die Autorin persönlich spricht (zumindest einmal in den ersten drei Kapiteln auch in Ich-Form). Alles andere macht ja auch eher wenig Sinn, wenn sich die Autorin satirisch mit einer Romangattung auseinandersetzen will. Denn wenn die Erzählstimme nicht JA wäre, müsste man ja annehmen, dass JA Schauerromane gut finden könnte. :wink:
Lustig finde ich den Einstieg auch, wobei ich das nach heutigen Maßstäben schon fast etwas übertrieben finde, also dass JA den Bogen leicht überspannt. Aber wenn sie das macht, um sich fast Satz für Satz von "Udolpho" abzugrenzen, ist das natürlich für Kenner des Wälzers besonders amüsant (ich kenne ihn nicht).


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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 15:42 
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@Udo: Ich denke, man muss sich ein wenig von der Vorstellung von "Udolpho" als "Vorlage" lösen. Es war ein sehr populärer Schauerroman und sicher finden sich da viele karikierte Motive wieder - so wie wohl in zahllosen anderen dieser Gattung ebenfalls. "Udolpho" war quasi der Höhepunkt dieser Konvention - aber eben kein herausgehobener Einzelfall. Die perfekte, naive und hochgradig tugendhafte Heldin à la "verfolgte Unschuld" ist ein gut abgehangenes Motiv schon zu JAs Zeiten - auch z.B. durchgekaut bei Richardson, Burney, etc. die aber keine "Schauerromane" sondern "sentimentale (Brief)Romane" schrieben.

Und: Dass Schauerromane in der Familie Austen teilweise begeistert gelesen wurde belegen nicht nur viele Briefstellen sondern eben auch JAs genaue Kenntnis dieses Genres - wie könnte sie sonst eine Parodie schreiben? Ich glaube nicht, dass sie so viel Zeit mit Lektüre verbracht hätte, die sie rundum gräßlich fand. Ich würde das eher mit dem Prinzip "guilty pleasure" vergleichen: Man liest etwas, von dem man weiß dass es Schund ist (und womit man nicht unbedingt "erwischt" werden will), aber es macht trotzdem Spaß. :wink:


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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 16:05 
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Julia hat geschrieben:
Und: Dass Schauerromane in der Familie Austen teilweise begeistert gelesen wurde belegen nicht nur viele Briefstellen sondern eben auch JAs genaue Kenntnis dieses Genres - wie könnte sie sonst eine Parodie schreiben? Ich glaube nicht, dass sie so viel Zeit mit Lektüre verbracht hätte, die sie rundum gräßlich fand. Ich würde das eher mit dem Prinzip "guilty pleasure" vergleichen: Man liest etwas, von dem man weiß dass es Schund ist (und womit man nicht unbedingt "erwischt" werden will), aber es macht trotzdem Spaß. :wink:

Ich denk, es nicht unbedingt "guilty pleasure" sondern eher: "die besten Parodien sind von Leuten, die das zu parodierende Objekt sehr gut kennen und vielleicht auch mögen"
obwohl, vielleicht ist es ja dasselbe :D
Jedenfalls meine ich, das eine Parodie nur dann gut wird, wenn der Parodist sein Objekt gut kennt und sich darüber lustig macht ohne die Achtung vor dem Objekt, bzw. dem Subjekt (bei Imitatoren) zu verlieren.
Und oft ist es so, daß man die Parodie am Besten geniessen kann, wenn man das Original kennt, aber im Falle von NA kenne ich keinen dieser damals gelesenen Romane, aber ich hab auch schon mal Schmachtfetzen im Fernsehen gesehn man kann es sich also ungefähr vorstellen. Die Parodie funktioniert demzufolge sogar gut ohne Original.
Ich versuche diesmal NA ganz konsequent als Parodie zu lesen und besonders diese ersten drei Kapitel wirken dadurch gleich viel stimmiger. Bis jetzt hat ich mich mit diesem Buch immer etwas schwer getan, mal sehen, wie es diesmal wird.

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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 16:10 
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Mir würde jedenfalls dieses Guilty-Pleasure-Prinzip gefallen und ich würde mir einbilden, in JAs "Fussstapfen" zu wandern, wenn ich das nächste mal zu Unterhaltungsliteratur greife :grinsevil:

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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 17:56 
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Julia hat geschrieben:
@Udo: Ich denke, man muss sich ein wenig von der Vorstellung von "Udolpho" als "Vorlage" lösen. Es war ein sehr populärer Schauerroman und sicher finden sich da viele karikierte Motive wieder - so wie wohl in zahllosen anderen dieser Gattung ebenfalls. "Udolpho" war quasi der Höhepunkt dieser Konvention - aber eben kein herausgehobener Einzelfall. Die perfekte, naive und hochgradig tugendhafte Heldin à la "verfolgte Unschuld" ist ein gut abgehangenes Motiv schon zu JAs Zeiten - auch z.B. durchgekaut bei Richardson, Burney, etc. die aber keine "Schauerromane" sondern "sentimentale (Brief)Romane" schrieben.


Da stimme ich dir zu, JA nimmt ja auch in NA selbst auf andere Bücher Bezug - ich hatte das erste Kapitel von Udolpho nur erwähnt, weil Emily St. Aubert sicherlich ein klassisches Beispiel für die Konventionen dieser Schauerromane ist, von denen ich zugegebenermaßen nicht viele gelesen habe, wodurch sich dann Udolpho, der vielleicht bekannteste anbot.

Ich finde es faszinierend, wie man als Leser - oder ich zumindest - Catherine, auf deren Fehler und Schwächen ausführlich eingegangen wird, gleich viel sympathischer findet als Emily - oder ähnliche Figuren - deren Perfektion ja eigentlich auch hervorgehoben wird, damit sie dem Leser gefällt.

Miranda hat geschrieben:
Ich sollte Udolpho wirklich mal selbst lesen, aber wenn Du uns den Inhalt so in interessant wiedergibst, komm ich wohl drumrum? :wink:
Nein, echt, ich hatte mir den Roman bestellt, er liegt auf meinem SUB, aber dass wird dauern.


Sorry, ich wollte deiner Lektüre nicht vorweggreifen! Im Ernst, das Buch ist schon interessant, wenn man sich für die Literaturgeschichte interessiert und - z.B. durch NA - auch einen Bezug dazu hat, aber es ist schon arg lang. Man kann durchaus nachvollziehen, warum es damals so populär war, aber es ist für heutige Sensibilitäten nicht mehr sehr "schaurig" und einige Stellen sind für das heutige Empfinden einfach nur albern, so daß ich doch mehrmals in der U-Bahn sehr undamenhaft kichern mußte, als ich es las.

Miss Hamilton hat geschrieben:
Und ich finde auch, man hat mehr das Gefühl, dass ein Erzähler direkt zum Leser spricht, als in den anderen Romanen. Ich kann nicht so ganz fest machen, woran das liegt... unter anderem wohl an der vergleichsweise präsenteren Ironie, da ich die beim Lesen einfach einer Person in den Mund legen "muss", aber vielleicht auch weil Beschreibungen wie gerade im ersten Satz ("No one who had ever seen Catherine Morland in her infancy would have supposed her born to be an heroine.") recht "allwissend" und wertend klingen?


Vielleicht geht es nur mir so - ich habe an solchen Stellen immer das Gefühl, daß das alles noch sehr 'erster Entwurf' ist, und wenn JA das Buch später noch einmal überarbeitet hätte, hätte sie diese doch sehr zugespitzte Ironie vielleicht etwas heruntergeschraubt. Ich will damit nicht sagen, daß das ganze unfertig oder unpoliert wirkt - aber es ist doch sehr und vor allem eine Parodie für Eingeweihte, die genau wußten, worauf sie anspielte - wie z.B. die Bemerkung über den Vornamen Richard, die vollkommen unverständlich ist, wenn man nicht weiß, worauf sich JA bezieht. Es ist vielleicht auch deshalb nie zu ihren Lebzeiten veröffentlicht worden - der Leser mußte ja nicht nur mit den ganzen gängigen Romanen einigermaßen vertraut sein, um die Parodie zu verstehen, sondern auch mit den Insidern der Austens.

Baseball ist übrigens hier erwähnt - oder vielmehr Cricket, was ja wohl (ich kenn mich da nicht so aus) mit dem ganzen verwandt ist (ich hab leider meine deutsche Übersetzung gerade nicht zur Hand):

Zitat:
She was fond of all boys' plays, and greatly preferred cricket not merely to dolls, but to the more heroic enjoyments of infancy ...

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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 19:40 
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@Julia: Ich glaube auch nicht, dass "Udolpho" eine Art Vorlage für JA war, dazu weiß ich zu wenig über das Buch. Aber in NA wird es ja sicher nicht zufällig ausdrücklich erwähnt und besonders hervorgehoben gegenüber allen anderen Schauerromanen. Sicher kannte JA diesen und manche andere Schauerromane - und warum soll sie sie nicht mit Vergnügen gelesen haben? Aber sie wird durchaus die Schwächen dieser Gattung erkannt haben. Und sie hatte offensichtlich ihren Spaß daran, das Genre auf die Schippe zu nehmen.
@Mari: Mach ruhig weiter mit Deinen Vergleichen zu "Udolpho" bzw. den Hinweisen auf mögliche Bezüge!

Mari hat geschrieben:
Vielleicht geht es nur mir so - ich habe an solchen Stellen immer das Gefühl, daß das alles noch sehr 'erster Entwurf' ist, und wenn JA das Buch später noch einmal überarbeitet hätte, hätte sie diese doch sehr zugespitzte Ironie vielleicht etwas heruntergeschraubt. Ich will damit nicht sagen, daß das ganze unfertig oder unpoliert wirkt - aber es ist doch sehr und vor allem eine Parodie für Eingeweihte, die genau wußten, worauf sie anspielte - wie z.B. die Bemerkung über den Vornamen Richard, die vollkommen unverständlich ist, wenn man nicht weiß, worauf sich JA bezieht. Es ist vielleicht auch deshalb nie zu ihren Lebzeiten veröffentlicht worden - der Leser mußte ja nicht nur mit den ganzen gängigen Romanen einigermaßen vertraut sein, um die Parodie zu verstehen, sondern auch mit den Insidern der Austens.

Tatsächlich hat sie das Manuskript aber ja sogar 2x überarbeitet - einmal offenbar nur Bezüge auf aktuelle Bücher eingefügt, dann noch einmal vermutlich etwas gründlicher. Trotzdem hat sie es dann in der Schublade verschwinden lassen, wie sie selbst sagt (in einem Brief an ihre Nichte Fanny), und vermutet, dass es dort für immer bleiben könnte. Das lag (wie oben schon mal vermutet) wohl daran, dass Schauerromane nicht mehr aktuell waren. Dass sie den Scherz mit dem Vornamen Richard dringelassen hat, finde ich allerdings auch etwas merkwürdig. Aber andererseits gibt es heute ja auch Scherze mit Vornamen - vielleicht war das damals nicht nur ein Familienscherz.
Was mich wundert: JA hatte die ersten Entwürfe von P&P und S&S in der Schublade, trotzdem entschied sie sich, als erstes NA einem Verleger anzubieten. P&P und S&S waren möglicherweise Briefromane, deren Zeit gerade abgelaufen war, dann war NA ihr erster "richtiger" Roman. Aber vielleicht hätte JA doch lieber z.B. dem P&P-Stoff trauen, den Entwurf umschreiben und verkaufen sollen (so wie sie es ja später getan hat)? Ich würde gerne wissen, was sie bewogen hat, mit NA anzufangen.


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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 21:36 
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Als sie den Roman erstmalig dem Verleger anbot - hatte sie da P&P und S&S schon fertig?
Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass JA bei der zweiten Überarbeitung viel mehr getan hat als den Namen auszutauschen. Man merkt ihr die noch unbekümmerte Jugend an, und das finde ich positiv und erstaunlich! :ja:
Oder hat sie das erst nach dem Rückkauf getan?

Als ich NA das erste Mal las, hat mich ihre Ironie gerade in den ersten Kapiteln ganz besonders angesprochen.Da wusste ich noch gar nichts von den speziellen Schauerromanen. :D
Und eben deswegen war ich dann später irritiert. :fies_sei:

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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 22:04 
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Miranda hat geschrieben:
Als sie den Roman erstmalig dem Verleger anbot - hatte sie da P&P und S&S schon fertig?
Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass JA bei der zweiten Überarbeitung viel mehr getan hat als den Namen auszutauschen.

P&P und S&S waren, als JA 1799 NA schrieb, in der ersten Fassung fertig - wie gesagt, vermutlich in Form von Briefromanen (gibt es dazu eigentlich irgendeine Belegstelle?). 1802 hat JA wohl nur den Hinweis auf "Belinda" von Maria Edgeworth eingefügt, bevor sie das Manuskript verkaufte. 1815 oder 1816 soll sie den Text dann noch mal "überarbeitet" haben - wobei sicher tatsächlich nur ist (soweit ich weiß), dass sie Susan in Catherine umbenannt hat. Aber auf jeden Fall wird sie sich da noch mal eingehend mit dem ganzen Text befasst haben - vielleicht fand sie dabei, dass es zu viel Aufwand wäre, ihn wirklich zu überarbeiten? Jedenfalls schrieb sie an Fanny: "Miss Catherine ist einstweilen in die Schublade verbannt, und ich weiß nicht, ob sie jemals wieder zum Vorschein kommen wird...".


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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 22:19 
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Mari A. hat geschrieben:
Baseball ist übrigens hier erwähnt - oder vielmehr Cricket, was ja wohl (ich kenn mich da nicht so aus) mit dem ganzen verwandt ist (ich hab leider meine deutsche Übersetzung gerade nicht zur Hand):
Zitat:
She was fond of all boys' plays, and greatly preferred cricket not merely to dolls, but to the more heroic enjoyments of infancy ...

Aber du hast diese Stelle ein paar Zeilen weiter im ersten Kapitel übersehen:
Zitat:
Mrs. Morland was a very good woman, and wished to see her children everything they ought to be; but her time was so much occupied in lying-in and teaching the little ones, that her elder daughters were inevitably
left to shift for themselves; and it was not very wonderful that Catherine, who had by nature nothing heroic
about her, should prefer cricket, baseball, riding on horseback, and running about the country at the age of fourteen, to books -- or at least books of information -- for, provided that nothing like useful knowledge could be gained from them, provided they were all story and no reflection, she had never any objection to books at all.

Es gab auch damals scheinbar schon Unterschiede zwischen Baseball und Cricket.

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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 22:33 
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Aber das ist mir auch aufgefallen, daß Catherine viel sympatischer daherkommt, als die Beschreibung, die Mari.A von der Udolpho-Heldin geliefert hat. Mit so einer Überheldin kann sich ja auch keine normalsterbliche Leserin identifizieren. Da ist Catherine wesentlich besser, bei der Aufzählung ihrer völlig unaufgeregten Kinderzeit kann man sich wiedererkennen. Ich z.B. habe auch nur selten mit Puppen gespielt und Räuber und Gendarm lagen mir näher, als diverse Mädchenspiele. Hätte ich ja demzufolge auch das Zeug, eine echte Austenheldin zu werden :thud: :ja:

Im zweiten Kapitel wird ja auch die Fahrt nach Bath beschrieben, herrlich unaufgeregt in einem kleinen Absatz und damit so ganz anders als in dem parodierten Genre. Leider konnten die Verfilmungen da ja nicht der Versuchung widerstehen, da diverse Traumszenen einzubauen.

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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 22:48 
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Im zweiten Kapitel wird Catherine aber auch wirklich sympathisch beschrieben :wink:
her heart was affectionate; her disposition cheerful and open, without conceit or affectation of any kind--her manners just removed from the awkwardness and shyness of a girl; her person pleasing, and, when in good looks,pretty-- - damit keine Zweifel aufkommen . :ja:

Um dann so fortzufahren: and her mind about as ignorant and uninformed as the female mind at seventeen usually is. :fies_sei: :lach:

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BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 23:28 
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Austenfan
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Elanor hat geschrieben:
Aber du hast diese Stelle ein paar Zeilen weiter im ersten Kapitel übersehen:
...
Es gab auch damals scheinbar schon Unterschiede zwischen Baseball und Cricket.



Gah! Ich hatte schon bei der cricket-Stelle irgendwie das Gefühl, etwas übersehen zu haben. Wie gesagt, ich hab's nicht so mit Ballsportarten ;-)

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BeitragVerfasst: Dienstag 7. Dezember 2010, 10:15 
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Cricket und Baseball sind doch sehr unterschiedlich. :wink:
Hier eine deutsche Beschreibung des englischen Base-ballsaus dem Jahre 1796.


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BeitragVerfasst: Dienstag 7. Dezember 2010, 11:24 
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Miranda hat geschrieben:
Im zweiten Kapitel wird Catherine aber auch wirklich sympathisch beschrieben :wink:

Das war in der Tat aber auch nötig, nach all den negativen Beschreibungen.... Was bleibt, ist doch eigentlich nur, dass Catherine ein herzensgutes, leidlich hübsches, aber auch leicht beschränktes Mädchen ist, oder? Ich fange schon mal an, mich zu fragen, ob JA es nicht etwas übertrieben hat mit ihrer Antiheldin. Für die Satire sicher nicht, aber schon für die Frage, was denn später Mr. Tilney an ihr finden wird.
Ansonsten könnte dieser Satz aus dem 1. Kapitel sowas wie ein Schlüsselsatz für den Roman sein, schätze ich: "Aber sonderbare Dinge hören auf, es zu sein, wenn man ihnen auf den Grund geht." Vielleicht ist das auch ein Hieb gegen die Schauerromane?


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BeitragVerfasst: Dienstag 7. Dezember 2010, 12:00 
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Udo hat geschrieben:
Ich fange schon mal an, mich zu fragen, ob JA es nicht etwas übertrieben hat mit ihrer Antiheldin. Für die Satire sicher nicht, aber schon für die Frage, was denn später Mr. Tilney an ihr finden wird.


Eine interessante Frage. Was für ein Mann findet Gefallen an ihr? Nimmt Mr. Tilney sogar eine Art "Vaterrolle" ein? Zumindest eine sehr erzieherische. Gut, das Thema passt eher an späterer Stelle.

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BeitragVerfasst: Dienstag 7. Dezember 2010, 13:01 
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Elanor hat geschrieben:
Leider konnten die Verfilmungen da ja nicht der Versuchung widerstehen, da diverse Traumszenen einzubauen.

Naja, aber der Satz "Neither robbers nor tempests befriended them, nor one lucky overturn to introduce them to the hero." kann doch schon so verstanden werden, dass Catherine zumindest mal den Gedanken hatte, so etwas könne aufregend sein. Als würde sie es fast bedauern, dass nichts dergleichen passiert ist. Oder liegt dieses "Bedauern" hier ganz auf der Seite des Erzählers? Kann schon sein, immerhin sieht sich Catherine nicht als zukünftige Heldin, oder doch?

Übrigens ist nicht nur Catherines erste Beschreibung eher negativ, auch Mrs Allen kommt nicht sonderlich gut weg: erst wird angekündigt, wie sie vielleicht unheilsvoll in das Schicksal der Heldin in Spe eingreifen wird, dann wird hinterfragt wie sie es überhaupt geschafft hat, einen Mann wie Allen abzubekommen: "...how she will, probably, contribute to reduce poor Catherine to all the desperate wretchedness of which a last volume is capable—whether by her imprudence, vulgarity, or jealousy—whether by intercepting her letters, ruining her character, or turning her out of doors. (...) She had neither beauty, genius, accomplishment, nor manner." Ausserdem ist sie oberflächlich und kümmert sich mehr um ihre Kleidung als um Catherine. Klingt zwar vielversprechend, aber so viel soll ja nicht draus werden. Wozu also diese Schlecht-Mache?

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BeitragVerfasst: Dienstag 7. Dezember 2010, 13:57 
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Miss Hamilton hat geschrieben:
Wozu also diese Schlecht-Mache?


Ich denke da an allgemeine Gesellschaftkritik, oder?

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BeitragVerfasst: Dienstag 7. Dezember 2010, 14:29 
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Miss Hamilton hat geschrieben:
Naja, aber der Satz "Neither robbers nor tempests befriended them, nor one lucky overturn to introduce them to the hero." kann doch schon so verstanden werden, dass Catherine zumindest mal den Gedanken hatte, so etwas könne aufregend sein. Als würde sie es fast bedauern, dass nichts dergleichen passiert ist. Oder liegt dieses "Bedauern" hier ganz auf der Seite des Erzählers? Kann schon sein, immerhin sieht sich Catherine nicht als zukünftige Heldin, oder doch?

Na immerhin hat JA das Thema der umgestürzten Kutsche zur Einführung diverser Charaktere bei Sanditon nochmal aufgegriffen, aber auch da nicht gerade humorlos, denn einen unaufgeregteren Kutschunfall als den der Parkers gibt's ja wohl kaum.
Miss Hamilton hat geschrieben:
Wozu also diese Schlecht-Mache?

Ich fand Mrs Allen nicht "schlecht gemacht", eher sind die ganzen Personenbeschreibungen bis jetzt "entglorifizierend", was ja gut passen würde als Gegensatz zu der für unser Empfinden langweiligen Lobhudeleien mit der die Hauptpersonen im Udolpho vorgestellt werden.
Hier spielen ganz "normale Menschen wie du und ich" ein Mädchen, das als Kind lieber draussen spielte, als sich mit Klavierstunden abzuquälen und erst als Teenager Interesse an hübschen Kleidern gewinnt oder eine mütterliche ältere Dame, die sich erstaunt fragt, wie es geschehen konnte, daß ihr Gatte sie erstrebenswert genug zum Heiraten fand, weil sie weiß, daß sie recht durchschnittlich ist.
Hier fanden und finden sich doch sicher einige wieder.

Kapitel 1
Zitat:
Denn gegen Bücher an sich hatte sie nichts einzuwenden, vorausgesetzt, daß man ihnen nicht so etwas wie nützliche Kenntnisse entnehmen konnte und daß sie bloß aus Handlung bestanden, ohne Betrachtungen.
Übersetzung:Christiane Agricola, Dieterisch'sche Verlagsbuchhandlung Leipzig 1980

Übrigens steht bis jetzt nur da, daß Catherine gern liest, besonders eben Romane. Die Vorliebe für die Schauerromane beginnt nach meinem Verständnis erst durch die Treffen mit den Thorpes, auch wenn ich dadurch etwas vorgreife.

P.S. Hat eigentlich noch jemand obige Ausgabe?

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BeitragVerfasst: Dienstag 7. Dezember 2010, 14:53 
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Elanor hat geschrieben:
eine mütterliche ältere Dame, die sich erstaunt fragt, wie es geschehen konnte, daß ihr Gatte sie erstrebenswert genug zum Heiraten fand, weil sie weiß, daß sie recht durchschnittlich ist.

Steht das in deiner Übersetzung so? Also dass Mrs Allen selbst sich das fragt? Ich habe das nämlich anders verstanden, aber vielleicht lieg ich falsch: "Mrs. Allen was one of that numerous class of females, whose society can raise no other emotion than surprise at there being any men in the world who could like them well enough to marry them." Nämlich, dass sie bei anderen diese Frage auslöst. Ich finde es ist ein Unterschied, ob man selber so bescheiden ist und sich fragt, was der Partner an einem findet oder ob man dem gegenüber ignorant ist und die andern sich fragen, was den Herrn wohl bei seiner Wahl geritten haben mag.

Dass es einfach "entglorifizierend" sein soll, kann ja auch gut sein, aber die Betonung liegt irgendwie schon sehr auf den schlechten Eigenschaften und die guten gehen fast unter.

Stimmt, von Schauerromanen ist noch eine Weile lang keine Rede. Aber ich frage mich trotzdem, ob es nun nur der Erzähler/JA ist, der in Catherine eine baldige Heldin sieht, oder ob sie selbst nicht auch schon langsam diese Hoffnung hegt? Eigentlich gibt es keinen Hinweis dafür, dass es so ist, aber ich finde es nicht abwegig, dass eine 17jährige, die noch nicht viel erlebt hat und gerne Romane liest, sich mal vorstellt, was auf einer Reise (ihre erste?) so alles aufrendes passieren kann. Darum les ich aus dem Absatz über die Reise sowas wie Bedauern heraus.

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BeitragVerfasst: Dienstag 7. Dezember 2010, 14:54 
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Austenfan

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Ich glaube gar nicht, dass die Allans schlecht gemacht werden sollen, ich hatte nur den Eindruck, dass die Beschreibung dazu dient, klarzustellen, dass zumindest sie nicht gerade eine besonders geeignete Aufsichtsperson für ein junges, unerfahrenes Mädchen ist. Daneben kommt das Ganze auch wie eine Anspielung auf Schauerromane rüber. Dort gerät die Heldin gewöhnlich ins Unglück (bzw. muss sich und ihre Unschuld behaupten), weil der natürliche Schutz (eine intakte Familie bzw. zuverlässige Familienmitglieder fehlen). Beispiel besagte Emily - ins Unglück gerät sie mit dem Tod ihres Vaters und weil sie so in die "Obhut" der zweifelhaften Tante gerät, die wiederum unter der Fuchtel des Schurken steht. Bei Ellena, einer anderen Heldin von Ann Radcliffe ( "The Italien" ) ist es zwar eine Entführung, aber dem geht der Tod der Marchesa Bianchi (Nomen es omen) vorweg, die sich bisher um sie gekümmert hatte.

In Northanger Abbey kommt mir das Ganze wie eine Banalisierung des Schauerromans vor. Die Heldin reist (zudem freiwillig) unter Aufsicht eines mit ihrer Familie befreundeten Ehepaares nach Bath, sie kommt also sozusagen aus der ländlichen Idylle in den "Sündenpfuhl" Großstadt. Die Komik ergibt sich für mich hier aus zwei Aspekten. Jane Austen hat mehrere Jahre in Bath gelebt (es gibt Vermutungen, dass sie dort nicht besonders glücklich war) und die Leserschaft kannte Bath großteils vermutlich von einem eigenen Aufenthalt dort. Der erste gefährliche Ort, wo Heldin sich bewährt, ist also direkt vor der eigenen Haustüre und die Personen, die Heldin sozusagen dorthin bringen, keine böse Schurken, sondern Leute wie "du und ich". (Ein weiteres Merkmal der Schauerromane ist, dass sie gewöhnlich nie vor der Haustüre spielen, sondern stets im (gewöhnlich katholischen) Ausland spielen. (Ausnahme ist vielleicht "Melmoth the Wanderer" ).


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BeitragVerfasst: Dienstag 7. Dezember 2010, 14:57 
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Ich halte Catherine zugute, dass sie eine Art Spätentwicklerin ist. :D
Als Kind eher Sport & Spiel mit Buben zugeneigt :wink: , ab der Pubertät allerdings findet sie durchaus Gefallen am Lesen.
Und - da bin ich ganz sicher - wenn der richtige Held in ihr Leben tritt, schreitet ihre Bildung weiter voran. :ja:

Mrs Allen passt in die Reihe oberflächlicher aber gutmütiger Damen. :)

Was mich gewundert hat in Kapitel 3 - beim Besuch der Lower Rooms gab es den Zeremonienmeister (?) , der Henry Tilney vorstellt -
gab es so eine Position nicht in den Upper Rooms? Oder war es ganz einfach zu voll?

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BeitragVerfasst: Dienstag 7. Dezember 2010, 15:04 
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Miss Hamilton hat geschrieben:
Elanor hat geschrieben:
eine mütterliche ältere Dame, die sich erstaunt fragt, wie es geschehen konnte, daß ihr Gatte sie erstrebenswert genug zum Heiraten fand, weil sie weiß, daß sie recht durchschnittlich ist.

Steht das in deiner Übersetzung so? Also dass Mrs Allen selbst sich das fragt? Ich habe das nämlich anders verstanden, aber vielleicht lieg ich falsch: "Mrs. Allen was one of that numerous class of females, whose society can raise no other emotion than surprise at there being any men in the world who could like them well enough to marry them." Nämlich, dass sie bei anderen diese Frage auslöst. Ich finde es ist ein Unterschied, ob man selber so bescheiden ist und sich fragt, was der Partner an einem findet oder ob man dem gegenüber ignorant ist und die andern sich fragen, was den Herrn wohl bei seiner Wahl geritten haben mag.

Stimmt, du hast recht, man sollte eben nicht aus dem Gedächtnis zitieren, besonders wenn man einen Satz falsch verstanden hat :gnade:
Trotzdem zeigt das ja, daß sie eine der, wie Miranda schreibt, "oberflächlichen aber gutmütigen Damen" ist.

Elanor

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BeitragVerfasst: Dienstag 7. Dezember 2010, 15:23 
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Master of Science in Physics, headbanging Austen Fan und etwas ganz Besonderes!
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Das ist wahr, sie kann sich mit Mrs Jennings, Miss Bates und Konsorten in eine Ecke stellen. Und die "Ankündigung", was sie Catherine (absichtlich oder unbewusst) alles antun könnte, ist halt eine Anspielung auf ähnliche Figuren-Konstellationen im zu parodierenden Genre.

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