Hallo allerseits!
Das ist echt interessant, was du da zusammen getragen hast, Julia! So genau kannte ich mich bei den Zitaten nicht aus, doch ich habe auch etwas dazu geschrieben!
Hat eigentlich außer mir von all jenen, die bei diesem Groupread mitmachen, auch schon einmal
„The Mysteries of Udolpho“ gelesen – das Buch, das Jane Austen in NA ja schließlich parodiert?
Es ist ein dicker Wälzer und Mrs Radcliffe fehlt ganz offensichtlich das, was man im englischen so hübsch
“conciseness“ nennt – doch ich kann auch nicht leugnen, dass es spannend war ---- wenn man einmal von der haarsträubenden Handlung absieht!
Phasenweise war es etwas langatmig, vor allem der Schluss – doch immerhin ist es Mrs Radcliffe gelungen, dass ich um drei Uhr nachts mich nur widerwillig dazu überreden konnte, das Buch beiseite zu legen, obwohl ich erst knapp über die Hälfte gekommen und Emily St. Aubert gerade in einer Folterkammer ohnmächtig zu Boden gesunken war!
Wenn es euch nichts ausmacht, verweise ich hin und wieder auf
“Udolpho“, wenn in einem Kapitel versteckte Hinweise kommen, die man manchmal nur finden kann, wenn man das andere Buch auch kennt!
JA ging vermutlich davon aus, dass die meisten, die ihr Buch lesen würden, auch Mrs Radcliffes Roman gelesen hatten und die Gattung „Gothic Novel“ im allgemeinen kannten! Daher schreibt JA ja auch im Preface, nachdem NA erst dreizehn Jahre lang beim Verleger verstaubte und nie herausgebracht wurde:
„The public are entreated to bear in mind that thirteen years have passed since it was finished, many more since it was begun, and that during that period, places, manners, books and opinions have undergone considerable changes.“
Doch nun zu NA! Gleich das erste Kapitel sprüht nur so vor Verweisen auf
„Udolpho“!
Vergleicht man die von den Autorinnen beschriebene Entwicklung von Catherine Morland und Emily St. Aubert, der Heldin in
„Udolpho“, merkt man augenblicklich, dass Catherine genau das absolute Gegenteil der typischen Heldin einer „gothic novel“ ist. Darauf deutet ja auch JA gleich im ersten Satz hin:
„No one who had ever seen Catherine Morland in her infancy, would have supposed her born to be a heroine.“
Catherine liebt Spiele von Jungen, hat keinen Sinn für Ästhetik, hat keinen Sinn für stundenlange Spaziergänge durch die Natur. Sie rupft brutal Blumen aus, stellt sich beim Lernen ziemlich schwerfällig an, ist unaufmerksam und manchmal sogar richtiggehend dumm. Sie ist laut, wild und liebt es, sich den Grasabhang hinterm Haus hinunterzuwälzen. Eben ein ganz normales kleines Mädchen!
Nun lest euch einmal die Beschreibung von Emily durch:
“[…]she usually exercised herself in elegant arts, cultivated only because they were congenial to her taste, and which native genius, assisted by the instructions of Monsieur and Madame St. Aubert, made her an early proficient. […] She had discovered in her early years an uncommon delicacy of mind, warm affections, and ready benevolence; but with these was observable a degree of susceptibility too exquisite to admit of lasting peace. As she advanced in youth, this sensibility gave a pensive tone to her spirits, and a softness to her manner, which added grace to beauty. […] In person, Emily resembled her mother; having the same elegant symmetry of form, the same delicacy of features, and the same blue eyes, full of tender sweetness. […] her modesty, simplicity, and correct manners formed a decided contrast to those of her female companions.”
Ich muss nichts dazu sagen, oder? Huuuaaah! Da schauert’s einem ja bei soviel Perfektion!
Mit dem Alter verbessern sich sowohl Catherines Manieren als auch ihr Aussehen. Sie wird zum typischen Teenager, kräuselt sich die Haare, sehnt sich nach Bällen, wo sie jedoch vergeblich auf den stürmischen Liebhaber warten muss, der Emily gleich im dritten Kapitel ein anonymes Gedicht in das Holz ihres abgelegenen Gartenhäuschens ritzt…
Als Jane Austen schreibt:
„[…]from fifteen to seventeen she was in training for a heroine; she read all such words as heroines must read to supply their memories with those quotations which are so serviceable and so soothing in the vicissitudes of their eventful lives. […]” ist da ja logischerweise wieder ein Hieb auf all jene, die glauben, aus Büchern etwas fürs Leben lernen zu können! Denn „serviceable“ sind die Zitate, die sie im Anschluss daran bringt, nun wirklich nicht!
Während Emily St. Aubert tüchtig malt, Gedichte verfasst, zauberhaft die Laute spielt etc. ist der schönste Tag in Catherines Leben derjenige,
„which dismissed the music-master“.
Catherine dagegen kann zwar keine Gedichte schreiben, liest dafür aber sehr gerne. Sie schafft es zwar nicht, bei einer Gesellschaft mit selbstkomponierten Stücken Begeisterungsstürme auszulösen, aber sie hört ohne allzu große Ermüdung dem Vortrag anderer zu. Malen kann sie überhaupt nicht.
Auch ist sie nur die Tochter eines gewöhnlichen Landpfarrers und es besteht keinerlei Möglichkeit, dass irgendein Lord oder Baron aus der Nachbarschaft sich unsterblich in sie verlieben wird. Während Emily St.Aubert die einzige Tochter von wohlhabenden Eltern ist, die sich immerhin am Anfang ein Chateau in Frankreich leisten können und irgendein Adliger aus der Nachbarschaft ihr die anonymen Gedichte in die Rinde ritzt…
Mit dem ganzen ersten Kapitel macht sich JA also über die typischen Heldinnen aus den Schauerromanen lustig. Auch dieses
„Something must and will happen to throw a hero in her way” zeigt die Lächerlichkeit dieser Romangattung, die mit aller Gewalt die unwahrscheinlichste Ereignisse zu einer Handlungen zusammenzwang! Und Valancourt, Emilys Held in
„Udolpho“ stolpert ihr und ihrem Vater auch buchstäblich vor die Nase…:
„throw a hero in her way.“
Alethea