Ich finde es bemerkenswert, mit welcher Dreistigkeit Thorpe im 13. Kapitel lügt. Auch James - und Isabella sowieso - scheinen kein Problem damit zu haben, wenn Catherine Miss Tilney sagen würde, dass sie eine vorherige Verabredung vergessen habe. James würde alles tun, um Isabella glücklich zu machen - zumal er sich von dem Ausflug ja offenbar sogar etwas mehr verspricht als nur Spaß... Gut, wie schon bemerkt wurde, der Mann ist geistig komplett weggetreten, nicht mehr zurechnungsfähig (was aber auch ein düsteres Licht auf ihn wirft, denn so ein bisschen verknallt sein entschuldigt ja wohl nicht alles). Thorpe aber ist völlig hemmungslos. Ich hab kurz überlegt, ob bei dieser Passage der angebliche Einfluss von Adam Smiths Moralphilosophie auf Jane Austen erkennbar wird - aber erstens kenne ich die nicht, zweitens hieße das wohl, mit Kanonen auf Spatzen schießen, denn dass man nicht einfach drauflos lügt, wie es einem gerade passt, ist ja wohl auch vor 200 Jahren selbstverständlich gewesen. Schön, wie Catherine hier im besten Stile einer Fanny Price das Richtige tut.
Julia hat geschrieben:
Richtig krass ist ja die Überredungsaktion in Kapitel 13. Vielleicht aus Plot-Zwecken so drastisch, aber ich frage mich schon, warum Isabella und James sooooo scharf darauf sind, dass Catherine mitkommt (zumal es ja dann letztendlich sowieso auch anders geht): Wäre es wirklich so unanständig, wenn Isabella allein mit ihrem Bruder und seinem Freund spazierenfährt? Oder sind das hier auch Verkupplungsversuche, weil vielleicht beide wissen, dass John Thorpe ein Auge auf Catherine geworfen hat?
Im Grunde müsste es für Isabella leichter sein, mit James auszufahren, wenn Thorpe als Anstandsdame mitkommt. Andererseits sieht es für eine anständige junge Dame vielleicht auch wieder schlechter aus, wenn sie mit zwei jungen Männern in einer offenen Kutsche herumfährt - es wissen ja auch nicht nicht alle Zuschauer, dass der eine ihr Bruder ist. An Verkupplungsversuche glaube ich eigentlich auch nicht. Aber ich verstehe absolut, dass Thorpe keine Lust hat, mit diesem vermeintlich verliebten Pärchen herumzufahren. Und dass er lieber mit Catherine als mit seinen Schwestern gesehen werden will - der Mann hat einen Ruf zu verlieren, außerdem will er ja tatsächlich was von Catherine.
Als ich diese Szene gelesen habe, in der Isabella alle Register zieht, um Catherine zu überreden, habe ich so gedacht, dass sie (aber auch James und Thorpe) sich hier irgendwie wie kleine Kinder aufführen - mal betteln, mal schmollen, mal drängeln, so oder ähnlich, schätze ich, geht es alle Tage im Kindergarten zu.