Mit meiner "differenzierten" Kritik wirds wohl nichts mehr...
Ich hab mir den Film heute nochmal mit einer Freundin angesehen, die ihn auch sehen wollte und wir haben
nur abgelästert. (War aber auch sehr lustig. *g*)
**Achtung Spoiler**
Man wäre schneller fertig, wenn man die Aspekte aufzählen würde, die passen, aber so wäre es ja nur halb so unterhaltsam.
Am meisten habe ich mich eigentlich unterm Strich über die verpasste Möglichkeit geärgert, einen intelligenten, witzigen, unterhaltsamen Film über Jane Austen zu machen. Meinetwegen mit dazuerfundenen romantischen Episoden, aber eben ein Film, der ihrem Geist und ihrer Originalität gerecht wird.
Stattdessen sieht man eine Jane Austen, die eine Art Mischung aus Lydia Bennet und Marianne Dashwood zu sein scheint und die ihre Umgebung als Stenographin wahrnimmt, eilig Formulierungen niederschreibend, die jemand im Gespräch fallenlässt (nicht mal das berühmte "It's a truth universally acknowledged" darf ihr selbst einfallen) und im gesamten Film keinen einzigen geistreichen Satz sagt, der nicht wie auswendig gelernt klingt.
Keiner der erhaltenen Briefe zum Thema oder Jugendwerke aus der Zeit haben es als Zitat in den Film geschafft, stattdessen bemühte sich der Drehbuchautor um floskelbestückte Eigenkreationen, die "unserer" Jane Austen wahrscheinlich höchstens als Parodie aus der (übrigens für die Epoche völlig falschen) Feder geflossen wären. Etwas anderes hätte wohl auch kaum in den Kontext gepasst.
Mr Austen, ein Mann der der jungen Jane uneingeschränkt Zugang zu seiner üppigen Bibliothek und ihr auf diese Weise eine umfassende Bildung ermöglichte, verdammt in dieser Version jede Form von weiblicher Intelligenz und entleiht seine Predigten den knochentrockenen, erzkonservativen "Fordyce's Sermons".
Die junge Jane Austen liest bei der ersten Begegnung mit Tom Lefroy ein todlangweiliges, gespreiztes Stück im Familienkreis vor und man kann es diesem eigentlich kaum übelnehmen, dass er dabei einnickt.
Glücklicherweise naht Rettung: In der Bibliothek von Mrs Lefroy erteilt Tom Jane eine Lektion in Weltgewandtheit, Erotik und Literaturgeschmack und empfiehlt ihr, "Tom Jones" zu lesen, um ihren Horizont zu erweitern. (Ein Buch, dass Jane Austen zu dem Zeitpunkt - wie man aus Briefen weiß - schon gut genug kannte um auf kleinere Passagen daraus anzuspielen.)
Um die Spannung zu erhöhen, hat man kurzerhand eine Lady Gresham samt (reichem) Neffen Mr Wesley erfunden, der in Jane verliebt ist. "Meine" Jane Austen hätte diesen ruhigen (wenn auch anfangs etwas unbeholfenen), ernsthaften und intelligenten Gentleman zu schätzen gewusst, diese Jane Austen verfällt stattdessen dem boxenden, herumhurenden George Wickham, äh - Tom Lefroy.
Es kommt zu einem abgelehnten Antrag und einer Standpauke von Lady Gresham, ohne die es Lady Catherine de Bourgh offensichtlich nie gegeben hätte.
Mrs Austen setzt Jane ebenfalls gehörig unter Druck, was ich nicht wirklich nachvollziehbar finde, da sie auch in dieser Version gleichzeitig rein gar nichts gegen die finanziell unspektakuläre Verbindung zwischen Cassandra und Tom (hier, wohl um Verwechslungen zu vermeiden Robert) Fowle hat.
Das Pfarrhaus in Steventon ist ähnlich pittoresk verdreckt wie Longbourn 2005, inkl. Schweine und Hühner. Überhaupt ist die Masse an Bildzitaten der 2005er P&P-Verfilmung fast schon unverschämt. Angefangen bei der exakt derselben Anfangseinstellung (Vögelzwitschern über morgenvernebelter Wiese), zu Schaukel im Hof, verschleierter Statue, etc.
Aber ich hatte auch so mehrmals das Gefühl, dass es hier eher um die Filme von JA's Romanen geht, als um die Romane ansich.
So weit so verträglich.
Absurd wird es, wenn Tom und Jane, in London beim reichen Onkel zu Besuch, (allein!) durch die Gegend spazieren und mal eben bei Mrs Radcliffe ("The Mysteries of Udolpho") auf einen Likör (Tee wird im gesamten Film nicht getrunken) vorbeischauen. Mrs Radcliffe scheint schon nachmittags mehrere davon intus gehabt zu haben und taucht in dem Film offensichtlich auch nur auf, um Jane Austen vor dem gesellschaftlichen Skandal einer weiblichen Schriftsellerkarriere zu warnen.
Onkel Lefroy verweigert aufgrund eines mysteriösen Briefes (General Tilney lässt grüßen) seine Zustimmung zur Verlobung, Tom knickt ein und Jane fährt niedergeschmettert nach Hause und nimmt Mr Wesleys Antrag an, nachdem sie erfährt, dass Tom sich verlobt hat.
Eine Begegnung im Wald kurz danach treibt das Ganze dann auf die Spitze: Tom kann "diese Lüge nicht leben" (Floskelalarm Nr. 214) und überredet Jane mit ihm durchzubrennen.
Diese Jane Austen ist schon so weit von der Wahrscheinlichkeit entfernt, dass es auch nicht mehr groß verwundert, dass sie ihre eigene Schwester emotional erpresst, um zeitlichen Vorsprung nach Schottland zu gewinnen.
Auf der Fahrt fällt ihr ein Brief aus Toms Mantel in die Hände, in dem sich seine Mutter für das Geld (von Toms Onkel) bedankt, dass er ihnen regelmäßig schickt und ohne das sie nicht überleben könnten.
Immerhin jetzt kommt sie zur Besinnung und lässt Tom aus Pflichtgefühl und Gewissensgründen in einer Poststation zurück und kehrt nach Hause zurück.
Leider kann man hier noch nicht aufatmen und sich beglückwünschen, das Schlimmste überstanden zu haben - die Produzenten haben sich noch einen bizarren Epilog einfallen lassen:
Mehrere Jahrzehnte später (Henry Austen hat sich aus Trauer und Protest seit der Tom-Lefroy-Affäre nicht mehr rasiert) gibt es ein Wiedersehen bei einem Konzert.
Jane Austen (mit Charlotte-Bronte-Frisur) trifft auf einen hobbitartigen Tom Lefroy und seine Tochter, die sich als begeisterter Fan entpuppt und Jane Austen zu einer öffentlichen Lesung(!) im Konzertsaal überredet.
Sie liest eine völlig aus dem Zusammenhang gerissene Passage aus "Pride and Prejudice" (offensichtlich das einzige Buch, was sie je geschrieben hat, auch wenn im Abspann von 6 Romanen die Rede ist) vor und blickt Tom dabei so wehmütig an, dass spätestens jetzt klar wird, dass sie seit der Trennung nur an ihn gedacht hat. Sie hat sich zwar emotional mäßig bei Laune gehalten mit ihrer Schreiberei, aber eigentlich wäre sie doch viel lieber Toms Frau geworden...
Am Unverzeilichsten finde ich die platte, lieblose Art, mit der das alles zusammengeschustert wurde. Auch ein Film, der sich biographisch große Freiheiten herausnimmt hätte interessant und gut werden können.
Schöne Bilder (bzw. Bildzitate) werden aneinandergereiht, man merkt wann es romantisch oder dramatisch sein soll, spürt allerdings nur wenig davon. Die Chemie zwischen Anne Hathaway und James McAvoy ist alles nur nicht knisternd, letzterer vermittelt eher die erotische Spannung eines jüngeren Bruders.
Große britische Schauspieler wurden in blassen Nebenrollen verheizt, die Wahl der Hauptdarstellerin, die sich mit dem richtigen Akzent immerhin redlich müht ist schleierhaft.
Großer Minuspunkt auch: Der Humor (ja, wo ist er denn?). Es hätte immerhin für eine ansehnlich verpackte Zitatesammlung reichen können, dafür waren die Produzenten aber vermutlich zu faul zum Recherchieren.
In einem Film über die große Humorkünstlerin des 19. Jahrhunderts nur ein einziges Mal gelacht zu haben, ist ein trauriges Fazit.
Apropos, ... die Pluspunkte
:
Ein paar wirklich nette Szenen und Momente werden sich trotz allem einprägen. Die kricketspielende Jane Austen, die überraschende "Begegnung" zwischen Tom und Jane beim Tanz im Hause Gresham und Tom Lefroys trockene Frage in der Bibliothek, mit der er Jane Austen nach der Lesung einer Passage aus einem naturkundlichen Buch über kopulierende Mauersegler ins Stammeln bringt.
Wie habe ich es an anderer Stelle so treffend formuliert gelesen:
Prädikat besonders verschenkt.