Anmerkung: Ich habe ein wenig "gebogen", um meine Idee verwirklichen zu können. Die Tradition mit den Weihnachtsbäumen kam erst später, ich weiß, aber es passte halt so schön und ganz so puristisch sehe ich das nicht. Dafür habe ich alle vorgegebenen Wörter der schweren Version verwenden können (und ich hoffe, nicht allzu künstlich).
Eine Winterepisode … oder „Eingeschneit in Pemberley“
„Eingeschneit?“, rief Caroline Bingley entsetzt aus.
Mrs Reynolds, die gerade frischgebackene Plätzchen auf den Beistelltisch im Salon stellte, nickte zustimmend, während William Darcy der Gesellschaft, die ihn mit großen Augen anstarrte, mit leicht besorgter Miene erklärte: „Ja, leider sind alle Zugangswege durch den immer noch anhaltenden Schneesturm verschüttet. Einige Bäume sind unter der Schneelast zusammengebrochen und wir müssen abwarten, bis sich der Sturm gelegt hat, um den Schaden begutachten zu können.“
„Können denn Probleme daraus entstehen?“, fragte Lizzy mit ruhiger Stimme, weil sie sich im großen Hauptgebäude von Pemberley sehr beschützt und geborgen fühlte denn das Feuer im Kamin prasselte munter vor sich hin, die Plätzchen von Mrs Reynolds schmeckten herrlich nach Vanille, Anis und Zimt und der frisch aufgebrühte Tee wärmte innerlich.
„Zunächst nicht!“, beruhigte William vor allem die äußerst aufgebrachte Caroline, die umgehend ans Fenster eilte, um sich selbst davon zu überzeugen, dass es ohne Unterlass weiterschneite.
„Was heißt: Zunächst nicht?“, fragte Bingley mit – ein wenig aufgesetzter - stoischer Gelassenheit.
„Nun, das heißt, dass unsere Vorräte wohl für die nächsten Tage ausreichen werden, und ich davon ausgehe, dass der Schneefall sich bis dahin soweit beruhigt hat, dass wir wieder Anschluss zur Außenwelt erhalten werden“, antwortete Darcy mit betont ruhiger Stimme und blickte in die Runde.
Mehrere Augenpaare starrten ihn an. Zum einen die etwas ängstlichen Exemplare von Jane und Georgiana, die sich jedoch völlig auf seine Versicherungen verließen und nun wieder etwas zuversichtlicher dreinschauten. Dann war da Bingley, der ihm mit bemühter Gefasstheit entgegen blickte und dessen Schwester Caroline, die einen eher entgeisterten Eindruck hinterließ. Doch zu guter Letzt ruhte Williams Blick auf den dunklen, warmen Augen Lizzys, die ihm mit so viel Vertrauen und Optimismus entgegen blickte, dass sich auch in seinem Inneren eine angenehme Ruhe breit machte.
„So schlimm wird es schon nicht werden!“, redete er sich selbst ein und glaubte in diesem Moment auch daran.
***
Zunächst war die Situation auch noch sehr entspannt. Die Kamine konnten weiterhin beheizt werden, das Angebot der Speisen war immer noch reichlich und die Gesellschaft vertrieb sich die Zeit im Haus mit Gesprächen, Lesen und Handarbeiten. Vor allem Lizzy nutzte gerne die Gelegenheit, ihre Arbeiten fertig zu stellen. Unauffällig hatte sie damit begonnen, ein kleines zusätzliches Geschenk für ihren Mann zu stricken. Zum Glück achteten die Herren nicht auf die Stücke, die die Damen anfertigten, da sie sich mit Kartenspielen und Billard beschäftigten und immer wieder die Lage im Freien überprüften. Zwar hatte sich der windtosende, ohrenbetäubende Schneesturm ein wenig gelegt, aber die dunklen Wolkenfronten schütteten weiterhin stetig weiße Flocken aus dem Himmel, die einen Aufenthalt im Freien unmöglich machten.
„Ist dir nicht wohl, Lizzy?“, fragte Jane besorgt, weil ihre Schwester plötzlich die Handarbeit sinken ließ und mehrere Male tief durchatmete. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn und ihr Teint hatte eine unnatürliche Färbung angenommen.
„Nein, nein, es ist alles in Ordnung!“, versicherte Lizzy Jane rasch und warf einen besorgten Seitenblick zur Tür des Nebenzimmers, in dem sich die Herren aufhielten.
„Vermutlich fehlt mir nur ein wenig frische Luft“, fügte Lizzy noch hinzu.
Jane zog misstrauisch die Augenbrauen in die Höhe. Als ihr Blick jedoch zum ersten Mal genauer auf die Arbeitsstücke ihrer Schwester fiel, schlich sich ein strahlendes Lächeln über ihr Gesicht.
„Lizzy! Du bist…?“
„Schschsch!“, unterbrach Lizzy Jane sofort und warf erneut einen Seitenblick in den Raum, in dem sich auch Georgiana und Caroline aufhielten. „Es weiß noch niemand und ich möchte William damit eine Weihnachtsüberraschung bescheren“, flüsterte sie und warf Jane einen verschwörerischen Blick zu.
***
Gähnende Langeweile machte sich breit. Alle interessanten Gespräche waren gesprochen, der Kopf war bereits angefüllt mit klugem Lesestoff und selbst die kleine diffizile Handarbeit von Lizzy war fertig gestellt.
Vor allem Lizzy sehnte sich inständig danach, endlich wieder ins Freie gehen zu können, um ein wenig frische Winterluft in die Lungen zu bekommen. Mit großer Wehmut erinnerte sie sich an den letzten Spaziergang, den sie und William vor einigen Tagen unternommen hatten.
Sie waren tief in den Wald zur Futterkrippe gegangen und Lizzy hatte ein paar Früchte und Nüsse auf der geschützten Lichtung ausgestreut, um die zahlreichen Eichhörnchen damit zu anzulocken. Auf dem Rückweg hatte sie albern einen Schneeball nach William geworfen, der nach einem sehr verdutzten Schreckmoment ebenfalls in den Schnee griff, und das „Feuer“ erwiderte. Rasch hatte sich daraus eine lustige, ausgelassene Schneeballschlacht entwickelt, bis sich beide schließlich mit erhitzten Wangen in den Armen lagen. Wie gerne hätte Lizzy diesen Ausflug nun noch einmal wiederholt! Doch immer noch schneite es ohne Unterlass.
„Was für unhaltbare Zustände! Ich musste heute ewig auf warmes Wasser warten! Man sagte mir doch tatsächlich, dass erst neues Holz herangeschafft werden musste! Und dann bekam ich kein Frühstücksei! Das habe ich ja noch nie erlebt!“, zeterte Caroline plötzlich los und blickte beifallheischend zu Georgiana, die jedoch den Blick betreten senkte.
„Seltsam … wir haben alle noch ein Ei zum Frühstück bekommen. Allerdings waren wir auch schon etwas früher auf den Beinen“, sagte Lizzy mit einem spöttischen Lächeln, das Caroline nach Luft schnappen ließ. Lizzy zwinkerte Georgiana heimlich zu und wandte sich dann mit einem besonders freundlichen Lächeln an Caroline: „Aber ich werde morgen freiwillig auf mein Frühstücksei verzichten, wenn es einen Engpass bei den Eiern geben sollte.“
„Danke, aber das ist nicht nötig“, erwiderte Caroline schnippisch und rauschte davon.
Sie regte sich fürchterlich über ihre Behandlung auf. Nicht nur dass die Angestellten sie offenbar eher widerwillig bedienten und alle anderen bevorzugten, auch die Gastgeber ließen langsam jegliche Höflichkeit ihr gegenüber vermissen.
Statt in ihrer Aufregung bestätigt zu werden, wurde sie – vor allem von der Hausherrin - ständig nur mitleidig belächelt. Diese impertinente Person glaubte wohl, sie sei etwas besseres, nur weil sie sich Darcy an Land gezogen hatte!
Beleidigt setzte sie sich in die Bibliothek und zog einen Band aus der umfangreichen Sammlung, den Darcy ihr am Vorabend als besonders lesenswert empfohlen hatte.
Dort saß sie auch noch, als die ersten Vorbereitungen für das Weihnachtsfest getroffen wurden.
„Oh, ist der schön!“, rief Jane entzückt aus, als die Angestellten den kleinen Weihnachtsbaum im Salon aufstellten und mit dem kostbaren, importierten Weihnachtsschmuck aus Glas behängten.
Darcy schmunzelte, als er Janes kindliche Freude über den Baum feststellte.
„Wenn sie dieses kärgliche Exemplar schon schön findet, was hätte sie dann zu dem eigentlich geplanten Baum gesagt, den wir in der Eingangshalle aufstellen wollten?“, flüsterte er Lizzy leise ins Ohr und berührte dabei kurz mit seinen Lippen ihren Nacken. Lizzy erschauerte und warf einen Blick auf den Mistelzweig, der über dem Türrahmen aufgehängt war. Unauffällig schob sie William ein Stück zurück, direkt in den Durchgang und während er sie noch ein wenig verdutzt ansah, drückte sie ihm schon einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. William erwiderte den Kuss umgehend, sodass Lizzy regelrecht die Knie schwach wurden.
Sofort riss sie sich jedoch wieder zusammen und fragte leise: „Müssen wir schon Einschränkungen machen?“
„Nein, nein, keine Sorge! Ich konnte es aber doch nicht zulassen, dass die Männer tief in den Wald gehen, um uns einen großen Weihnachtsbaum zu schlagen! Deshalb habe ich angeordnet, dass sie den erstbesten nehmen, den sie finden konnten. Aber um auch noch ein wenig Feuerholz zu sparen, werden wir uns jetzt nur noch in diesem Salon oder in unseren Zimmern aufhalten. Das dürfte doch kein Problem sein, oder?“
„Nein, für mich nicht!“, versicherte Lizzy ihrem Mann umgehend und warf ihm ein so hinreißendes Lächeln zu, dass ihm auch ohne Feuerholz sofort warm ums Herz wurde.
***
Am Vorabend des Weihnachtsfestes fiel das Dinner etwas spärlicher aus, als es sonst der Fall gewesen wäre, aber selbstverständlich wurden alle satt. Dennoch umwölkten Darcys Stirn ein paar trübe Gedanken.
Ein so großer Haushalt wie Pemberley war selbstverständlich in der Lage, einige Tage autark zu verbringen, aber das morgige Weihnachtsfest würde wohl nicht wie sonst üblich ablaufen können. Die für das Weihnachtsessen georderten frischen Lebensmittel und der Festtagsbraten würden nicht angeliefert werden können, der Kirchgang würde ausfallen müssen, und die unerträgliche Spannung, die vor allem Caroline verursachte, versetzte alle nicht unbedingt in eine weihnachtliche Stimmung.
„Wir werden das Beste daraus machen!“, hatte Lizzy ihm versichert, als er ihr die Hiobsbotschaften übermittelte und ihn dabei fröhlich angelächelt. Er war unendlich dankbar dafür, dass sie sich nicht von der Lage beeinflussen ließ und sich weiterhin optimistisch und heiter auf das Weihnachtsfest freute. Dabei hätte er ihr so gerne ein schönes und besinnliches Fest beschert! Zum Glück hatte er wenigstens schon einige wunderbare Geschenke besorgt, die er am späten Abend zu den bereits unter dem Baum liegenden Präsenten legte.
Unzählige Päckchen, die jeweils mit einem kleinen Namensschildchen versehen waren, lagen unter dem kleinen Bäumchen, das diese „Dekoration“ kaum überspannen konnte. Der eigentlich vorgesehene große Baum hätte damit keine Probleme gehabt. Dennoch verströmte auch das kleinere Exemplar einen herrlichen Duft nach Tannennadeln und sorgte damit dafür, dass man den Eindruck bekam, ein Stück Natur im Haus zu haben.
Fast alle hatten sich schon zu Bett begeben, nur Caroline saß immer noch in einer Ecke des Salons und hatte sich in ihr Buch vertieft.
„Gute Nacht, Caroline! Sie entschuldigen mich?“, fragte William mit einem unterdrückten Gähnen.
Caroline blickte überrascht hoch.
„Oh, ist es schon so spät? Ich war so in dieses Buch vertieft. Aber auch ich werde mich bald zu Bett begeben. Ich möchte nur diesen Abschnitt noch zu Ende lesen.“
„Gewiss. Es freut mich, dass Ihnen meine Empfehlung so gefällt. Wären Sie bitte so freundlich, die Kerzen zu löschen, wenn Sie den Raum verlassen? Die Angestellten haben sich bereits zurückgezogen.“
„Natürlich“, sagte Caroline geistesabwesend und beugte sich wieder über ihr Buch. Sie erwähnte ihm gegenüber wohlweislich nicht, dass es sich längst nicht mehr um das Exemplar handelte, das er ihr empfohlen hatte. Heimlich war sie erneut in die Bibliothek gegangen und hatte sich einen Titel aus dem Regal genommen, der sicherlich nicht für die Augen einer jungen Dame geeignet war. In diesem las sie nun schon den ganzen Abend mit atemloser Spannung und nahm das Buch schließlich sogar mit in ihr Zimmer, um dort noch ein wenig weiterzulesen.
***
Eine einsame, vergessene Kerze im Salon brannte langsam nieder und wäre vermutlich auf ihrem eisernen Kerzenständer einfach erloschen, wenn sie nicht von Caroline auf das Fensterbrett gestellt worden wäre, um in ihrer Ecke besser lesen zu können. Der leichte Lufthauch, der durch die etwas undichten Fenster drang, ließ den gewebten Vorhangstoff sachte hin und her wehen, bis dieser schließlich die Flamme der Kerze streifte und sich dadurch in Brand setzte.
Das Feuer breitete sich in einer rasenden Geschwindigkeit aus. Über die Vorhänge fraßen sich die Flammen über die gepolsterten Sessel, Sofas und die hölzernen Stühle auch zum Weihnachtsbaum, dessen harzige Äste sofort lichterloh brannten.
„Feuer!“
Der gellende Schrei hallte durch das ganze Haus und ließ alle entsetzt aus dem Schlaf hochschrecken.
„Versuch bitte, die anderen zusammenzuhalten und sie in einen sicheren Raum zu bringen!“, forderte William, der sich in Windeseile ein Paar einfache Hosen und ein weißes Hemd übergezogen hatte, seine Frau auf, die gerade versuchte, gegen die aufkommende Übelkeit anzukämpfen, die sie durch das rasche Aufstehen fast übermannt hatte.
„Ich kann William doch nicht jetzt auch noch mit meiner Unpässlichkeit belasten!“, dachte sie und nickte deshalb nur rasch, bevor er davon stürmte, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen.
Am Fuße der Treppen traf er auf eine völlig aufgelöste Mrs Reynolds, der es zu verdanken war, dass das Feuer so rasch entdeckt wurde. Sie hatte einen Lichtschein im Salon bemerkt und wollte nachsehen, ob der Gast, der sich noch darin aufhielt, noch etwas benötigte, als sie den Brand bemerkte. Umgehend war sie in die Wirtschafträume zurückgestürzt und hatte mit dem Glockengeläut der einzelnen Dienstbotenglocken alle in Alarmbereitschaft versetzt. Nun bemühten sich die ersten Männer bereits, das Feuer zu löschen, bevor es auch noch auf andere Räume übergriff.
Auch Darcy und Bingley - der ebenfalls nur notdürftig bekleidet erschienen war - packten kräftig mit an.
„Das Wasser wird knapp!“, rief einer der Angestellten plötzlich entsetzt aus und deutete auf die nur noch halb gefüllten Eimer, die aus der Küche kamen.
„Dann nehmt doch den Schnee von draußen!“, ertönte unerwartet eine helle Stimme, die alle Männer herumfahren ließ.
Lizzy stand, mit den völlig verängstigt dreinblickenden übrigen Damen des Hauses am Fuße der Treppen und hatte diesen Vorschlag geäußert.
Sofort ordnete Darcy an, das große Eingangsportal zu öffnen, und den nun fast meterhoch liegenden, lockeren Schnee in die Eimer zu füllen, um damit die lodernden Flammen zu ersticken.
„Was macht ihr denn hier unten? Ich sagte dir doch, dass du dich und die anderen in Sicherheit bringen sollst!“, herrschte er Lizzy an, obwohl er ihr insgeheim dankbar für ihren Vorschlag war.
Obwohl Lizzy wusste, dass er diesen Tonfall nur gewählt hatte, weil er seine Besorgnis mit seinen fürchterlich angespannten Nerven nicht länger unter Kontrolle hatte, reagierte sie mit trotzig erhobenem Kinn.
„Ich war gerade mit den Damen auf dem Weg zum Weinkeller im Nebengebäude. Das erschien mir der sicherste Ort zu sein, da er rundherum mit dicken Mauern versehen ist. Aber so wie es aussieht, habt Ihr das Feuer ohnehin schon im Griff und wir können uns nach oben zurückziehen“, sagte sie mit bissigem Unterton und wandte sich um.
„Lizzy!“, rief ein sichtlich verzweifelter Darcy ihr nach, der nicht wusste, ob er ihr nachlaufen, oder sich wieder an den Löscharbeiten beteiligen sollte.
Bingley nahm ihm die Entscheidung ab, indem er ihm einen Eimer in die Hand drückte.
***
Nur ein Haufen dampfender, feuchter, verkohlter Fragmente blieb von den kostbaren Möbelstücken im Salon übrig. Das zerbrochene Glas der geborstenen Vitrinentüren knirschte unter den Schuhsohlen. Der ganze Raum hatte sich in Trauer gehüllt und war restlos von einer schwarzen, rußigen Schicht überzogen. Allerdings war das Feuer nicht auf andere Gebäudeteile übergesprungen, wenn in den angrenzenden Zimmern auch ein beißender Qualm die Luft verpestete.
Während die Angestellten versuchten, den Schaden notdürftig zu beheben, zogen sich Bingley und Darcy – nachdem sie sich notdürftig mit etwas geschmolzenem Schnee gereinigt hatten – wieder nach oben zurück. Lizzy tat so als schliefe sie tief und fest, als William zu ihr ins Bett schlüpfte. Sie war immer noch verärgert darüber, dass er kein Zutrauen in ihre Entscheidungen gehabt, und sie in aller Öffentlichkeit abgekanzelt hatte. Obwohl sie sich bemühte, ihm durch tiefe, gleichmäßige Atemzüge zu suggerieren, dass sie schlafen würde, umschlangen plötzlich seine Arme ihren Körper und sie spürte seine Wärme an ihrem Rücken, als er sich dicht an sie schmiegte.
„Bist du mir noch böse? Es tut mir leid! Aber ich war so besorgt um dich!“, flüsterte er ihr ins Ohr und ließ damit ihren Zorn wie Schnee in der Sonne schmelzen.
„Ist das Feuer aus?“, fragte sie leise und drehte sich halb zu ihm um.
Er nickte.
„Dank deinem genialen Einfall mit dem Schnee haben wir die Flammen rechtzeitig löschen können“, erwiderte er mit einem augenzwinkernden Lächeln, bevor sich seine Miene wieder verdüsterte und er mit geknicktem Tonfall hinzufügte: „Allerdings nicht rechtzeitig genug.“
„Was ist passiert?“, rief Lizzy entsetzt aus und wollte sich schon aufrichten, als ihr einfiel, dass solche ruckartigen Bewegungen nicht unbedingt bekömmlich für sie waren.
„Tja, leider sind alle Geschenke verbrannt. Wir werden wohl ein ziemlich trauriges Weihnachtsfest erleben, ohne Baum, ohne Kirchgang, ohne Weihnachtsbraten und ohne Geschenke“, sagte er resigniert.
„Das macht doch nichts!“, beeilte sich Lizzy, ihm zu versichern. „Wir haben doch uns!“, fügte sie noch hinzu und ein schelmisches Lächeln umspielte ihre Lippen. Ein Geschenk hatte das Feuer nämlich nicht zerstört, weil es immer noch bei ihren Handarbeiten ruhte, die sie in ihrem Zimmer aufbewahrte.
Er lächelte auch, aber nur aus dem Grund, weil er sich darüber freute, dass sie selbst durch dieses absolut katastrophale Weihnachtsfest nicht ihren Optimismus verlor. Ganz dicht kuschelte sie sich in seine Arme und er stellte fest, dass wirklich alles andere völlig unwichtig war, solange sie nur sich hatten.
***
Es schien tatsächlich ein recht trostloses Weihnachten zu werden, als am nächsten Morgen alle den Schaden im Salon begutachteten. Vor allem Georgiana war untröstlich, als sie entdeckte, dass auch ihr kostbarer Flügel unter dem Feuer gelitten hatte. Er war zwar nicht restlos verbrannt, aber dennoch deutlich angesengt und die Wasser- und Schneemengen, die in den Raum geschüttet worden waren, hatten das Holz aufquellen lassen. Die durchdringende Kälte, die durch die geöffneten Fenster hereinströmte, hatte das Löschwasser gefrieren lassen und so hatten sich bizarre Eisgebilde am Rand des Musikinstrumentes gebildet. Mutlos öffnete Georgiana die Abdeckklappe der Tasten. Die kleinen abbrechenden Eiszapfen klirrten leise, als sie auf dem Boden zerschellten.
Das Piano gab nur noch klägliche Laute von sich und Georgiana ließ den Kopf sinken. Sie hatte doch extra stundenlang Weihnachtslieder eingeübt, die sie an diesem Abend aufführen wollte!
„Ist doch nicht so schlimm!“, tröstete William seine völlig aufgelöste Schwester. „Du hast doch ohnehin gesagt, dass es bereits ein neues, besseres Modell gibt. Wir werden den Flügel baldmöglichst ersetzen, das verspreche ich dir!“
„Ja aber die Weihnachtslieder!“, schniefte Georgiana hinter ihrem blütenweißen Taschentuch hervor, mit dem sie sich die tränenerfüllten Augen trocknete.
Hilfesuchend sah William zu Lizzy, die die Szene mit mitleidigem Blick beobachtete.
„Dann singen wir einfach die Weihnachtslieder!“, sagte Lizzy schließlich zu den beiden und erntete überraschte Blicke.
„Genau!“, mischte sich nun auch Jane ein, die nach ihrem ersten Entsetzen über den verbrannten Salon an Lizzys Seite trat. „Wir holen uns einfach noch einmal ein kleines Bäumchen, basteln ein paar Geschenke und feiern ein einfaches Weihnachtsfest mit dem, was wir zur Verfügung haben. Uns geht es dabei doch immer noch besser als dem armen Jesuskind, das in einem Stall zur Welt gekommen ist!“
„Das stimmt tatsächlich“, sagte William anerkennend und nickte jedem aufmunternd zu. Auf allen Gesichtern hatte sich wieder ein wenig Fröhlichkeit geschlichen. Nur Caroline stand ein wenig abseits und starrte mit zusammengekniffenem Mund auf das Unheil, das sie angerichtete hatte. Schon während der Aufregung in der Nacht war ihr bewusst geworden, dass sie die Schuld daran trug. Ganz deutlich hatte sie die brennende Kerze auf der Fensterbank im Gedächtnis, die nun natürlich restlos geschmolzen war. Niemand würde beweisen können, dass sie die Verursacherin des Feuers gewesen war und dennoch machte ihr das schlechte Gewissen schwer zu schaffen.
***
„Georgie, reichst du mir mal eben die Schere?“, bat Lizzy ihre Schwägerin, um ihren Papierengel weiter auszuschneiden. Das neue Bäumchen war bereits mit dem selbstgemachten Weihnachtsschmuck behängt und stand nun in voller Pracht im Speisesaal, dem einzigen beheizbaren Raum im Erdgeschoss, der nicht von den Rauchschwaden beeinträchtigt worden war. Als Vollendung würde William nun den von Lizzy gerade fertig gestellten Engel an der Spitze des Baumes befestigen. Der Baum war so klein – oder William so groß – dass er sich dazu noch nicht einmal richtig ausstrecken musste. Alle traten einen Schritt zurück, um ihr gemeinsames Werk zu betrachten. Selbst Darcy und Bingley hatten sich an der Aktion beteiligt und rotbackige Äpfel an den Zweigen befestigt. Und schließlich fanden sich auch noch ein paar Geschenke, die man zu einer verspäteten Bescherung unter den Baum legen konnte.
„Oh wie schön!“, war Janes Reaktion auf den Schal, den Lizzy ihr überreichte, weil ihre Schwester dessen seidiges Material erst kürzlich an ihr bewundert hatte.
„Genau das was ich brauche!“, rief Georgiana entzückt aus, als sie die Handschuhe entdeckte, die Jane ihr gab. „Ich habe erst letzte Woche meinen verlorenen Handschuh gesucht und ihn beim besten Willen nicht mehr gefunden.“
Caroline nahm ihr Geschenk – eine Fortsetzung des Buches, das Darcy ihr empfohlen hatte – eher regungslos entgegen. Dennoch bedankte sie sich natürlich dafür, zog sich aber umgehend wieder in die Ecke des Raumes zurück und betrachtete die regelrecht ausgelassene Freude mit großer Anspannung.
Nach und nach wurden die Geschenke – die größtenteils aus dem privaten Besitz der Schenkenden bestanden – verteilt. Und obwohl die ursprünglichen Präsente sicherlich weitaus wertvoller und manchmal auch passender gewesen wären, freuten sich alle sehr herzlich darüber. Lizzy wollte ihr Geschenk für William jedoch nicht in aller Öffentlichkeit präsentieren.
Er registrierte zwar, dass sie ihm nichts überreichte, vermutete aber, dass sie einfach nichts Passendes für ihn gefunden hatte und dachte nicht länger darüber nach.
Nach dem einfachen Mahl, das die Küche noch aus den verbleibenden Vorräten gezaubert hatte, trugen sie die Esszimmerstühle dichter an den Kamin und während sie im Kreis sitzend in die Flammen starrten, zog Lizzy ein Buch hervor.
„Es begab sich aber zu der Zeit…“, begann sie die Weihnachtsgeschichte vorzulesen und alle lauschten gebannt ihrer sanften Stimme. William, der neben ihr saß, legte den Arm um ihre Stuhllehne und wärmte ihr damit den immer kühler werdenden Rücken. Auch Georgiana kuschelte sich auf seiner anderen Seite dichter an ihn, sodass er ihr ebenfalls einen Arm um die Schultern legte. Nachdem auch Bingley und Jane mit ihren Stühlen dichter zueinander rutschten, blieb nur Caroline allein und stocksteif auf ihrem Einzelplatz sitzen und starrte geistesabwesend ins Feuer. Immer wieder wurde sie durch die Flammen daran erinnert, was alles durch ihre Unachtsamkeit hätte passieren können. Sie ließ den Kopf hängen und wirkte äußerst niedergedrückt.
Obwohl Lizzy nie sonderlich viel mit Caroline verbunden hatte, verspürte sie plötzlich Mitleid mit ihr. Sie hatte kaum das Vorlesen beendet, als sie sich aus Williams Arm wand und auf Bingleys einsame Schwester zuging.
„Möchtest du noch ein Glas Wein?“, fragte Lizzy höflich und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Caroline sprang unerwartet wie vom Blitz getroffen auf und erschreckte Lizzy damit fürchterlich.
Mit weit aufgerissenen, unruhigen Augen und fahrigen Handbewegungen rief Caroline plötzlich mit zitternder Stimme: „Ich war es! Ich habe die Kerze vergessen, die das Feuer verursachte, ich bin an allem schuld!“
Während sie alle entsetzt anstarrten eilte sie hastig aus dem Raum, kaum dass sie das Schuldanerkenntnis ausgesprochen hatte.
***
Unschlüssig standen Lizzy und William vor Carolines verschlossenem Zimmer, in das sie sich geflüchtet hatte. Selbst auf heftiges Klopfen hatte sie die Tür nicht geöffnet und nur immer wieder hörbar geschluchzt, dass sie an allem Schuld wäre.
„Caroline, jeder macht einmal einen Fehler! Es ist doch nichts Schlimmes passiert, das waren doch nur Dinge, die leicht ersetzt werden können!“, rief William.
„Richtig! Und sieh es doch mal so: Jetzt können wir endlich renovieren und alles nach der neuesten Mode einrichten“, fügte Lizzy hinzu und lauschte auf eine Reaktion.
Ein leises Rascheln zeigte an, dass sich Caroline direkt hinter der Tür aufhielt und vermutlich jedes Wort verstanden hatte.
Langsam wurde der Schlüssel im Schloss herumgedreht. Die Tür sprang auf und eine völlig aufgelöste Caroline erschien im Türrahmen.
„Ihr seid mir wirklich nicht böse?“, schluchzte sie und zuckte dabei nervös.
Lizzy und William warfen sich einen raschen Blick zu. Schließlich ergriff Lizzy die Initiative und nahm Carolines zitternde Hände, um sie aufmunternd zu drücken.
„Niemand ist dir böse!“, versicherte sie ihr, woraufhin Caroline ihr einen ungläubigen, wenn auch recht erleichterten Blick zuwarf.
***
„Puh, das war aber wirklich ein Weihnachtsfest der Überraschungen“, sagte William zu Lizzy, als sie sich kurz darauf in ihr Schlafzimmer zurückzogen und ließ sich erschöpft in einen Sessel fallen. „Wenn mir heute noch jemand eine Überraschung bereiten möchte, kann er mir gestohlen bleiben!“, rief er scherzend aus, blickte auf und erstarrte im nächsten Augenblick.
Lizzy, die ihm gerade mit einem freudigen Lächeln entgegen getreten war, verlor bei seiner letzten Äußerung jegliche Fassung. Betreten senkte sie den Kopf und starrte auf das kleine Holzkästchen, das sie in den Händen hielt. Ihre Unterlippe begann verdächtig zu zittern.
Sofort sprang William auf, eilte zu ihr und schloss sie in seine Arme.
„Oh Lizzy, Liebes! Was bin ich nur für ein Idiot! Verzeih mir! Natürlich habe ich das nicht so gemeint! Ist das meine Weihnachtsüberraschung?“
Lizzy nickte nur und lächelte ein wenig gezwungen, während William sich bemühte mit besonderer Freude zu reagieren, als sie ihm – ein wenig widerstrebend – das Kästchen überreichte.
„Was ist denn das?“, fragte William kurz darauf völlig verblüfft, und hielt zwei kleine, gestrickte Söckchen in die Höhe.
„Nach was sieht es denn aus?“, wollte Lizzy wissen.
„Das sind … Socken?“
„Richtig!“
„Ja aber, die sind mir doch viel zu klein, wem sollen die denn passen?“
„Unserem Kind vielleicht?“, sagte Lizzy ein wenig spöttisch, weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass seine Begriffsstutzigkeit tatsächlich echt war.
Als sich jedoch auf seinem Gesicht erst jetzt eine fassungslose, geradezu überschäumende Freude abzeichnete, wusste sie, dass er ihr seine Unwissenheit nicht vorgespielt hatte.
„Lizzy! Wir … wir werden ein Kind haben?“, stammelte er ungläubig hervor.
Lizzy nickte und ihr strahlendes Lächeln erschien erneut auf ihren Lippen.
„Das ist mit Abstand die schönste Überraschung, die ich jemals erhalten habe!“, versicherte er ihr.
„Auf die du nicht gerne verzichtet hättest?“, fragte sie noch einmal ironisch.
„Nie und nimmer!“, antwortete er und schloss sie freudig in seine Arme.
Hinter ihm trudelten zwei kleine Söckchen, die in wenigen Monaten an die Füßchen des ersten Darcy-Sprosses passen würden, langsam zu Boden.
Ende
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