So, nun kommt auch mein Text zum Challenge, ich habe das Wörterlimit, wie könnte es anders sein, mal eben so überschritten, aber nicht soo sehr. Bin glaube ich noch unter 4000 Wörtern. Ich entschuldige mich schon einmal für die doch sehr tragische und depressive Story, sie sollte eigentlich ein Happy End haben, aber dazu hat der Platz nicht mehr gereicht, ebenso wenig die Zeit, aber ich biete an, dazu noch für alle, die ein Happy End brauchen, eine Fortsetzung zu schreiben. Hier jetzt das wirklich Tragischte und Depressivste, was ich glaube ich je an einer Fanfiction geschrieben habe.
Seid bitte etwas nett, auch wenn euch die Story nicht unbedingt fröhlich stimmen wird, aber ich habe mir echt alle Mühe damit gegeben, und es war nicht leicht das zu schreiben. Und bitte verzeiht mir, dass ich ein völlig nicht zeitgerechtes Lied eingebaut habe, aber ich fand es so passend, aber nun genug der Vorrede, lest selbst.
Und der Titel beschreibt die Story exact, wie gesagt, keine hoffnung für Romantiker, jedenfalls erstmal net.
End of all Hope
Es war ein heißer, schöner Tag auf Pemberley. Elisabeth Darcy machte einen Spaziergang mit ihrer dreijährigen Tochter, dem Stolz des ganzen Anwesens. Es hatte lange gebraucht, bis sie schließlich mit der kleinen Madeleine Elisabeth schwanger geworden war, und auch danach war ihr Wunsch auf weitere Kinder nicht erhört worden. Fitzwilliam und sie hatten sich mittlerweile damit abgefunden, dass sie vielleicht keine weiteren Kinder mehr bekommen würden. Sie beide liebten ihre kleine „Lissa“ – wie ihr Töchterchen von allen genannt wurde – sehr und genossen das Familienleben mit dem Mädchen, das sowohl ein wahrer Engel sein konnte - vor allem wenn es einen Wunsch zu äußern hatte - aber ab und an auch ein richtiger Feger war und ihre Erzieherin manchmal geradezu in den Wahnsinn trieb.
Nun machte Lizzie alleine einen Spaziergang mit ihrer kleinen Tochter. Das Mädchen zerrte an den Armen der Mutter, die ihr eher unwillig folgte. Elisabeth fühlte sich schon seit mehreren Tagen sehr zerschlagen und erschöpft, was auch an der anhaltenden Hitze liegen konnte, die ihr in diesem Jahr ungewöhnlich viel ausmachte.
„Sieh, Mama, Natnats“, rief Lissa verzückt aus, als sie die Enten im Teich erblickte und wollte sich schon von ihrer Mutter losreißen, doch diese hielt ihre Hand fest umschlungen.
„Das sind keine Natnats, das sind Enten“ belehrte sie ihr Töchterchen, folgte ihr aber dennoch und setzte sich mit Lissa auf eine Bank am Teich. Sie musste einen Moment verschnaufen, denn irgendwie war ihr auf einmal sehr schwindelig und warm. Das passierte eher selten, dass Lizzie wirklich glaubte ohnmächtig zu werden, aber diesmal war so ein Moment. Sie überlegte, ob sie sich vielleicht doch von ihrem Hausarzt untersuchen lassen sollte, hielt das dann aber für unnötig. Es lag sicher nur an der Hitze, bei dieser Hitze konnte man ja gar nicht klar denken. Wenn es erstmal richtig geregnet hatte, würde es ihr auch wieder besser gehen. Einen kurzen Moment schloss sie die Augen und lehnte den Kopf zurück.
„Natnats füttern“, quengelte die kleine Lissa und zerrte an dem kleinen Säckchen in Lizzies Hand, in dem Brotreste für die Enten waren.
„Nicht jetzt“, murmelte ihre Mutter mit halbgeschlossenen Augen, bevor sie eindöste.
*~*~*
„Hilfe, Mama, Hilfe!“, diese Worte schreckten Lizzie aus ihrem Nickerchen hoch, sofort sprang sie alarmiert auf. Die Hitze erschlug sie fast, aber sie bemerkte es kaum. Sie sah nur ihre Tochter, die offensichtlich in den Teich gefallen war und nun um Hilfe schrie und wild strampelte. Mit wenigen Schritten war Lizzie in den Teich gelaufen und die Enten stieben mit lautem Quaken auseinander. Mittlerweile war die kleine Lissa unter der Wasseroberfläche verschwunden. Lizzie tauchte nach ihrer kleinen Tochter und fand sie auch fast sofort. Sie riss das Mädchen an sich und schleppte sich und Lissa an das Ufer. Das Kind war ohnmächtig.
„Wach auf“, schrie Lizzie verzweifelt, während sie ihre Tochter schüttelte und ihr auf den Rücken klopfte. Schließlich kam das Mädchen hustend zu sich.
„Mama“, Lissas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Lizzie nahm ihre Tochter auf die Arme und rannte zum Haus. Ihre Beine fühlten sich an wie Blei und das nasse Kleid bildete ein weiteres Gewicht und schien sie mit Gewalt zu Boden zu ziehen. Schließlich kam sie in der kühlen Eingangshalle an, der Schweiß und das Wasser rannen ihr in Strömen über das Gesicht.
„Hilfe, Mrs. Reynolds, wo sind Sie? Hilfe, ist denn hier keiner?!“, schrie sie angsterfüllt. Tatsächlich kam kurz darauf die alte Haushälterin angelaufen. In knappen und unschlüssigen Sätzen versuchte Lizzie der Frau zu erklären, was geschehen war, diese legte der jungen Frau beruhigend die Hand auf die Schultern: „Machen Sie sich keine Sorgen, was denken Sie, wie viele Darcys schon unfreiwillig in diesem Teich baden gegangen sind und es auch überlebt haben. Machen Sie sich also keine Sorgen, meine Liebe. Ich werde mich um Miss Lissa kümmern und den Doktor rufen lassen, während Sie hochgehen und sich umziehen.“
Lizzie nickte gehorsam, reichte ihr Töchterchen Mrs. Reynolds, nachdem sie die Kleine noch einmal auf die Stirn geküsst hatte. Dann wandte sie sich um und stieg langsam die Treppe hinauf zu ihrem Schlafzimmer. Dort warf sie sich sofort aufs Bett und fing an zu schluchzen. Instinktiv wusste sie, dass ihre Tochter nicht überleben würde, auch wenn sie es nicht hätte artikulieren können.
Und tatsächlich war die kleine Lissa Darcy schon tot, bevor der Arzt auf Pemberley angekommen war. Elisabeth, die Mr. Mason, der Hausarzt der Darcys, sofort zu sehen verlangte, wusste schon beim Anblick des Arztes, welche Nachricht er ihr zu verkünden hatte, und brach daraufhin völlig zusammen. Bisher hatte sie nur eine böse Ahnung gehabt, nun war es sicher: Ihre kleine, lebendige, süße Tochter war tot.
Lizzie, die sonst immer so viel Selbstbeherrschung gehabt hatte, sank wimmernd auf dem kalten Steinboden nieder. Ihr Schmerz kannte keine Grenzen, sie wusste nicht, wie es nun weitergehen sollte und wünschte sich nur noch die tröstende Umarmung ihres Gatten, der von dem Tod seines Töchterchens immer noch nichts wusste, da er an diesem Tag geschäftlich unterwegs war. Die Schluchzer schüttelten sie und sie rief immer wieder den Namen ihrer kleinen Tochter, die nun so abrupt aus ihrem Leben verschwunden war.
*~*~*
Fitzwilliam Darcy kam am späten Abend auf Pemberley an. Er hatte trotz der schwülen Hitze sich selbst und sein Pferd völlig an den Rand ihrer Kräfte getrieben, um noch eine Stunde früher bei seiner Frau und seinem Kind sein zu können. Vielleicht war die kleine Lissa ja noch wach, so dass er seinem Töchterchen noch eine Gutenachtgeschichte vorlesen konnte, und Lizzie, wie sehr sehnte er sich danach seine Gattin wieder zu sehen und in seine Arme zu schließen. Trotz der Erschöpfung sprang er behände vom Pferd ab, als er bei den Ställen angekommen war und reichte einem Stallburschen die Zügel. Dieser nahm die Zügeln wortlos an und begrüßte seinen Herrn, wirkte aber nicht sehr erfreut darüber Mr. Darcy zu sehen.
„John, was ist denn los?“, fragte sein Master leicht alarmiert. Hier stimmte doch irgendetwas nicht, doch der Stallbursche namens John kehrte seinem Herrn nur schnell den Rücken zu.
Fitzwilliam Darcy eilte mit schnellen Schritten zum Haupteingang, während er über das ungewöhnliche Verhalten seines Stallburschen nachsann und noch deutlicher als schon auf dem Pferd wahrnahm, dass seine schweißnasse Bekleidung unangenehm an ihm klebte. Er brauchte dringend ein Bad und – so bedeutete ihm sein knurrender Magen – eine sättigende Mahlzeit.
Als er die Eingangshalle Pemberleys betrat, hatte Fitzwilliam Darcy somit schon fast das ungewöhnliche Gebaren seines Stallburschen vergessen. Doch dort wurde er mit einem Mal wieder daran erinnert. Es war ungewöhnlich ruhig im Haus und die Dienstboten, die ihm begegneten, schienen vor ihm wegzulaufen. Es herrschte eine eigenartige Stimmung, die Fitzwilliam Darcy sofort suggerierte, dass etwas Schlimmes geschehen sein musste. Schließlich traf er auf dem Weg zum Salon die Zofe Elisabeths. „Maria“, rief er die junge Frau mit energischer Stimme zurück, „was ist geschehen, wo ist meine Frau?“
Maria wagte kaum Mr. Darcy in die Augen zu sehen und Tränen rannen ihre Wangen hinunter: „Es ist etwas Schreckliches geschehen, Mrs. Darcy war mit… es ist so schlimm…“
Darcy packte Maria fest an den Armen und schüttelte die verängstigte Frau: „Was ist mit Elisabeth passiert? Wo ist meine Gattin?“
„Mrs. Darcy geht es gut, sie war sehr aufgewühlt, aber sie schläft jetzt, doch Miss Lissa… es ist so traurig, ich kann gar nicht davon sprechen. Es gab einen Unfall, als die Mistress mit der kleinen Miss einen Spaziergang machte, Mrs. Darcy hat einen Moment wohl nicht aufgepasst und Miss Lissa ist in den Teich gefallen...“
„Wo ist meine Tochter? Ist Doktor Mason gerufen worden?“, verlangte Mr. Darcy zu wissen.
„Sie ist in ihrem Zimmer und der Doktor war auch schon hier, aber Mr. Darcy, es war alles zu spät, sie ist gleich gestorben, bevor irgendjemand etwas tun konnte.“
„Was?“, fragte Mr. Darcy geschockt, er konnte nicht glauben, was ihm die Zofe Elisabeths hier erzählte, „das kann doch nicht wahr sein. Ich meine, sind Sie sich sicher, Maria?“
„Ja“, schluchzte das junge Mädchen, „ich habe Sie gesehen und es selbst nicht glauben können.“
„Und Elisabeth, Mrs. Darcy?“, fragte er weiter mit leicht zittriger Stimme, während er sich mit seinen Händen unruhig durch die Haare fuhr.
„Sie war am Boden zerstört und hat sich die Schuld gegeben, wie konnte sie auch nur die kleine Miss aus den Augen lassen?“
„Sie hat Lissa tatsächlich aus den Augen gelassen?“, fragte Fitzwilliam Darcy ungläubig. Das sah seiner Gattin so gar nicht ähnlich, dass sie ihre Tochter aus den Augen ließ, zumal sie wusste, wie viel Lissa immer anstellte.
Maria nickte: „Ja, sie hat selbst gesagt, sie hätte einen kurzen Mittagsschlaf gemacht und deshalb sei das mit der kleinen Miss geschehen. Sie hat sich große Vorwürfe gemacht.“
Mr. Darcy ballte die Fäuste, das konnte doch nicht wahr sein, dass Lizzie schlief anstatt auf ihre Tochter aufzupassen. Wut stieg in ihm hoch, er würde mit Lizzie darüber reden, so etwas durfte nicht noch mal passieren, er würde ihr gehörig die Leviten lesen, so dass sie ihre Tochter ab nun nie mehr aus den Augen ließ. Dann wurde ihm schlagartig bewusst, dass es ja unmöglich war, dass Lizzie noch einmal auf ihr Kind aufpassen würde. Sie hatten nur Lissa gehabt und Lissa war jetzt tot. Lizzie würde nie mehr auf sein Kind aufpassen müssen genauso wenig wie er. Ein Fehler Elisabeths hatte gereicht um ihm sein Kind endgültig zu nehmen. Nichts würde seine Tochter wieder zurückholen können, wie hatte Lizzie nur so einen Fehler machen können? Wieso hatte sie nicht aufgepasst?
„Kann ich mit meiner Gattin sprechen?“, fragte er mit müder Stimme, mit einem leicht ungeduldigen und erbosten Unterton. Er brauchte eine Antwort auf seine Frage nach dem Warum. Warum hatte Lizzie nicht aufgepasst? Er musste mit Elisabeth sprechen, er musste hören, was sie zu sagen hatte.
Maria schüttelte leicht den Kopf und erwiderte leise und mit gesenktem Kopf, als wollte sie sich dafür bei Mr. Darcy entschuldigen: „Das geht nicht, sie soll nicht gestört werden, hat der Arzt gesagt. Er hat Mrs. Darcy ein Beruhigungsmittel gegeben, weil die Mistress so aufgewühlt war.“
Darcy nickte nur verstehend, aber in Wirklichkeit verstand er nichts. Sein Zorn auf seine Ehefrau steigerte sich noch weiter, aber er wusste, es würde nichts bringen seine Enttäuschung, sein Unverständnis und seine Trauer an der jungen Maria auszulassen. Er ließ das Mädchen stehen und eilte die Treppe hoch zum Schlafzimmer seiner Tochter. Dort lag seine kleine Lissa in ihrem kleinen Kinderbett, von weitem sah sie aus, als würde sie schlafen, aber als näher trat, sah er die bleiche Farbe des Todes auf den vorher rosa Bäckchen. Sanft berührte er das Gesicht des Kindes. Kalt und steif fühlte sich ihre Wange an, sie war tatsächlich tot. Schnell zog Fitzwilliam seine Hand zurück und ließ sich schluchzend neben dem Bett auf einem Stuhl nieder. Es kam ihm vor, als wäre das alles nur ein böser Alptraum und wartete noch halb darauf, dass er wieder aufwachte und seine Tochter wieder am Leben war. Aber das passierte nicht, dieser Alptraum war die Realität und aus der gab es kein Entkommen.
*~*~*
In dieser Nacht fand Fitzwilliam Darcy keinen Schlaf, er wand sich hin und her in seinem Bett, aber der Gedanke an sein steifes, totenbleiches Töchterchen ließ ihn nicht mehr los. Warum nur seine Tochter? Wie hatte sein bisher glückliches Familienleben sich nur so schnell in einen Alptraum verwandeln können? Wie hatte es geschehen können, dass seine Tochter an dem Morgen noch lebendig war und am darauf folgenden Abend schon nicht mehr lebte? Diese Fragen quälten ihn ebenso sehr wie die Trauer und die ständigen Fragen, die er bezüglich Lizzies Schuld an der ganzen traurigen Angelegenheit hatte. Konnte er einen Gedankengang etwas beschließen, kamen sofort neue plagende Gedanken und Gefühle auf. Er legte sich hin, stand auf, versuchte zu lesen, aber nichts schien ihn ablenken zu können. Und selbst die körperliche Erschöpfung, die er fühlte, ließ ihn nicht einschlafen. Ab und an schaute er bei seiner Gattin herein, vielleicht weil er instinktiv hoffte, sie könnte auch nicht schlafen und sie könnten miteinander sprechen, aber Elisabeth schlief tief und fest aufgrund des Beruhigungsmittels.
So blieb Fitzwilliam völlig allein mit seinen Gedanken und Emotionen. Er war wütend auf Lizzie, weil sie nicht auf Lissa aufgepasst hatte und weil sie schlief, während er sich nur ruhelos im Bett wälzte, er war traurig wegen dem Tod seines Töchterchens und vor allem fühlte er sich machtlos, eine Empfindung, die er sonst eigentlich nicht kannte. Er konnte nichts mehr für seine Tochter tun, er war zu spät gekommen, er war nicht da gewesen, als sie ihn gebraucht hätte, und nun war sie tot. Verzweiflung und Wut trieben ihm erneut Tränen in die Augen, ihm war das Liebste genommen worden, seine Familie, und er klagte Gott dafür an, was er ihm angetan hatte, ihm, der er beide seiner Eltern auch schon so früh verloren hatte.
Irgendwann spät in der Nacht wurde Fitzwilliam Darcy endlich von Schlaf übermannt, nur um etwa zwei Stunden später nach einem unruhigen Schlaf schweißgebadet wieder aufzuwachen. Er hatte schlecht geträumt und fühlte sich noch erschlagener, als bevor er eingeschlafen war. Dennoch stand er auf, er wusste, er würde sowieso keinen Schlaf mehr finden, der Morgen begann zu grauen und er zog die Vorhänge auf, öffnete das Fenster und starrte in den Morgennebel, der von den Wiesen aufstieg. Die Nachtluft kühlte seinen Körper und vertrieb die stickige Luft in seinem Schlafzimmer. Die schreckliche Nacht schien fast vergessen, das Geschehene wirkte nur noch wie ein böser Traum.
Auf einmal kleidete sich Fitzwilliam entschlossen an und legte den kurzen Weg zum Schlafzimmer seiner Tochter zurück. Er trat an das Bett des Mädchens und hoffnungsvoll streckte er seine Hand nach ihr aus und strich ihr über die Wange, doch die Wange war eiskalt wie schon am Abend zuvor. Seine Tochter war tot, es war kein Traum gewesen. Jetzt erst wurde Fitzwilliam die ganze Tragweite dieser Tatsache bewusst: Nie mehr würde er das fröhliche Lachen seiner Tochter hören, nie mehr ihre vertrauensvollen, kleinen Arme um seinem Hals fühlen, nie mehr ihr zusehen können, wie sie abends langsam einschlief.
Mit hängenden Schultern schleppte er sich zurück in sein Zimmer, er fühlte sich plötzlich sehr alt. Ohne darüber nachzudenken, ging er zur Zwischentür zum Schlafzimmer seiner Gattin und öffnete diese, aber Lizzie schlief friedlich. Wut breitete sich in Fitzwilliam Darcy aus. Sie war daran schuld, dass seine Tochter, seine süße Lissa tot war und schlief friedlich, während er selbst kaum zwei Stunden Schlaf bekommen hatte. Seine Trauer und Verzweiflung wandelte sich in Wut. Diese Frau, die er geliebt hatte, vielleicht sogar immer noch liebte, der er die Welt zu Füßen gelegt hatte, hatte ihm seine Tochter genommen und sie schien das nicht einmal im Geringsten zu belasten. Sie konnte schlafen, während er selbst vor Trauer und Kummer kein Auge zubekam. Das würde er ihr nie vergessen, das würde er ihr nie verzeihen. Sie hatte ihm das Liebste genommen und er schwor sich, dass er sie nicht einfach so damit davon kommen lassen würde. Auf den Gedanken, dass Lizzie wahrscheinlich genauso sehr litt wie er - auch wenn sie durch das Beruhigungsmittel des Arztes Schlaf hatte finden können - kam er nicht.
*~*~*
Lizzie wachte an diesem Morgen spät auf. Zunächst wunderte sie sich, wieso sie allein schlief und wieso ihr der Kopf so sehr schmerzte, aber dann kam langsam die Erinnerung zurück und sie begann sich zu wünschen nicht aufgewacht zu sein. Das Wissen, dass ihr kleines Töchterchen tot war und dass sie daran die Schuld trug, war zu viel für sie. Eine halbe Stunde blieb sie noch liegen und versuchte wieder einzuschlafen, beziehungsweise die Realität noch einen Moment länger auszusperren, aber dann wurde sie unruhig. Was gab es noch zu tun für die Beerdigung? Wer musste noch benachrichtigt werden und wusste William die traurige Nachricht schon? So stand sie langsam und ließ sich von Maria fertigmachen. Sie hatte ein schwarzes Kleid anziehen wollen, aber dann mit einem Stich in der Brust bemerkt, dass sie so ein Kleid nicht besaß. Sie hatte immer helle, freundliche Farben geliebt und somit keine schwarze und kaum dunkle Kleider, doch das würde sich nun alles ändern, stellte sie mit einem Seufzer fest. Als trauernde Mutter erwartete man von ihr, dass sie schwarz trug, aber sie hätte es auch getan, wenn es nicht von ihr erwartet worden wäre. Sie wollte keine hellen, schönen Farben mehr tragen, sie wollte nur noch schwarz tragen, am besten bis an ihr Lebensende, denn das würde ihre Trauer zumindest ein bisschen nach außen hin sichtbar machen. Für heute musste sie sich aber mit einem dunkelblauen Kleid zufrieden geben, das ihr immer noch zu fröhlich war, und zu dem sie sich einen festen, steifen Haarknoten machen ließ.
So trat sie zu Fitzwilliam an den Frühstückstisch, der sein Mahl gerade beendet hatte und sie kritisch musterte. Lizzie sah blass aus, aber noch lange nicht so bleich und abgeschlagen, wie er sich selbst fühlte.
„Guten Morgen, Elisabeth“, seine Stimme verriet keine seiner Emotionen.
„Guten Morgen, Fitzwilliam“, erwiderte Elisabeth seinen Gruß und fragte dann leiser, während sie sich am Tisch niederließ: „Hat man es dir schon erzählt?“
„Ja“, wieder klang seine Stimme so beherrscht oder sollte sie es kühl nennen?
„Es tut mir so leid“, flüsterte sie mit Tränen in den Augen.
„Das sollte es auch!“
Diesmal war es deutlich Kühle, die aus seinem Tonfall herauszuhören war. Lizzie wusste nicht, was sie sagen oder wie sie reagieren sollte. Sollte sie sich verteidigen gegen diese unausgesprochene Anschuldigung oder sie einfach hinnehmen? Sie entschied sich für Ersteres, ja, sie hatte nicht gut auf Lissa aufgepasst, ja, sie hatte einen Fehler gemacht, einen unverzeihlichen Fehler, aber er war nicht der Einzige, der hier darunter litt. Sie würde ihm dies deutlich machen, aber ohne einen Streit anzufangen, wie sie sich vornahm.
„Ich weiß, ich hätte besser aufpassen sollen, aber es hätte auch passieren können, wenn ich mehr auf Lissa geachtet hätte. Du weißt doch, was die Kleine für ein Wildfang ist…(sie schluckte hart) war. Es bringt doch nichts sich jetzt gegenseitig Vorwürfe zu machen. Ich leide schon genug unter ihrem Tod, bitte William, lass es mich erklären, lass uns darüber reden und vor allem schau mich nicht so an. Wir sind doch in derselben Situation, es hilft uns doch beiden nicht uns das Leben mit Vorwürfen noch schwerer zu machen“, sie schaute William mit einem bittenden Blick an, während sie ihr Kinn im Gegensatz dazu etwas eigenwillig nach vorne schob – vielleicht als Zeichen dafür, dass sie die alleinige Schuld nicht auf sich nehmen würde.
William nahm beides wahr und war angewidert, er hasste Heuchelei und sah in dieser Geste sofort Heuchelei. Er stand auf und kam näher auf sie zu, um sich neben ihr auf dem Tisch aufzustützen und sie wütend anzufunkeln: „Natürlich, du vergisst alles Schlimme am liebsten sofort. Erinnere dich der Vergangenheit nur, wenn sie dir Freude bringt, war es nicht so? Aber meine Liebe, dies ist keine Lappalie, die man einfach vergeben und vergessen kann. Meine Tochter ist tot und Sie, Mrs. Darcy sind daran schuld!“
Lizzie stand erbost auf: „Lissa war auch meine Tochter, William, ich habe einen Fehler gemacht und werde diesen Fehler mein Leben lang bereuen, aber ich werde es nicht dulden mir von Anschuldigungen, mögen sie von mir selbst oder von dir kommen, mein Leben kaputt zu machen. Bitte William, können wir das nicht einfach vergessen und den Blick nach vorne richten?“
„Ich soll den Tod meiner Tochter vergessen, meines einzigen Kindes?“ Williams Stimme wurde immer lauter und wütender.
„Nein“, erwiderte Lizzie, während ihr Tränen die Wangen hinunter rannen, „ich meine nur könntest du nur bitte zum Wohl von uns beiden nicht ständig darauf herumhacken, dass ich nicht gut genug auf Lissa aufgepasst habe, das wird sie auch nicht zurückholen.“
„Nein, sicher nicht, aber ich kann mich einfach nicht damit abfinden, dass meine Ehefrau geschlafen hat, während meine Tochter, mein ganzer Stolz, meine Erbin, mein kleines Mädchen, in einem Teich ertrinkt. Das kann ich dir nicht verzeihen, niemals! Du hast doch geschlafen, oder Elisabeth?“
Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte er sich von oben herab.
Lizzie war elend zumute. Sie wusste, sie konnte es nicht verneinen. Leise gab sie zu: „Ja, aber nur ganz kurz, ich meine, mir…“
Da unterbrach sie William erneut: „Wieso? Sag mir nur eins: Warum?“
Lizzie wusste nichts zu erwidern. Sie blickte William nur aus großen, verwunderten Augen an. Er konnte doch nicht etwa denken, sie hätte sich dafür entschieden einzunicken, dass sie bewusst nicht gut auf Lissa aufgepasst hatte, sie war einfach müde gewesen und es war passiert, bevor sie es auch selbst nur bemerken konnte. Bevor sie das aber ihrem Ehemann sagen konnte, schwappte eine Welle der Übelkeit über sie hinweg.
Das lag sicher an diesem Beruhigungsmittel, das ihr der Arzt verschrieben hatte. Schnell hastete sie aus dem Zimmer und ließ einen wütenden und enttäuschten Fitzwilliam Darcy zurück, der nun auch noch glaubte, seine Ehefrau wollte ihm nicht erklären, wieso sie ihre Tochter unbeaufsichtigt gelassen hatte. Sie wollte also nicht mit ihm reden, sicher ein Indiz dafür, dass sie sich absolut unverantwortlich verhalten hatte und nun nicht bereit war, sich anzuhören, was er dazu zu sagen hatte. Mit einem Mal erinnerte er sich an Lizzies jüngere Schwester Lydia, die sich trotz ihrer zwei Kinder immer noch so benahm, als wäre sie 15 Jahre alt und nie gelernt hatte, was Verantwortung hieß. Vielleicht war Lizzie ihrer Schwester ja ähnlicher als er bisher immer gedacht hatte, vielleicht hatte er sich einfach nur immer von ihr täuschen lassen und ihre fehlende Verlässlichkeit als Lebendigkeit interpretiert. Er fuhr sich verwirrt durch das Haar: Hatte er sich so sehr geirrt in Lizzie? Alles schien dafür zu sprechen, auch wenn ihm die Vorstellung nicht gefiel, dass er sich in seiner Gattin getäuscht haben könnte.
*~*~*
Derweil übergab sich Lizzie in ihren Nachttopf, sie konnte sich nicht erinnern, dass es ihr jemals so elend zumute gewesen war, aber da sie nichts Falsches gegessen hatte, lag es wohl am Beruhigungsmittel oder wurde sie tatsächlich krank, wie sie gestern noch vermutet hatte? Sie musste feststellen, dass es ihr mittlerweile vollkommen gleichgültig geworden war. Wenn sie krank wurde, wurde sie eben krank. Sie hätte auch nichts dagegen gehabt zu sterben, wenn nicht William wäre, tja, William… aber William, er wollte sie ja auch nicht mehr sehen. Sie erinnerte sich an seine Worte: „Das kann ich dir nicht verzeihen, niemals!“
Vielleicht wäre sterben gar nicht mal das schlimmste Los, dachte sie. Tränen der Wut und der Enttäuschung traten ihr dabei in die Augen. Wieso war William nur so kalt zu ihr? Sie brauchte ihn doch jetzt so sehr. Sie griff in ihre Nachtischschublade und holte einen Gedichtband heraus, um sich etwas abzulenken von ihrem immer noch rebellierendem Magen und den Gedanken an ihre tote Tochter und ihren grollenden Gatten.
Wahllos schlug sie eine Seite auf und las:
No will to wake for this morn
To see another black rose born
Deathbed is slowly covered with snow
Angels, they fell first but I'm still here
Alone as they are drawing near
In heaven my masterpiece will finally be sung
It is the end of all hope
To lose the child, the faith
To end all the innocence
To be someone like me*
Schluchzend ließ Lizzie sich neben dem Bett zu Boden fallen, ihr Kind hatte sie schon verloren und den Glauben würde sie sicher auch bald verlieren, den Glauben an einen Gott, an das Gute, den Glauben daran, dass das Leben einen Sinn hatte. Ihr war alles genommen worden, ihr Kind und die Liebe des Mannes, den sie liebte, was blieb ihr jetzt noch? Sie wusste es nicht.
*End of all Hope von Nightwish
So, und etwas lebensfrohere Fortsetzung wird von Autorin erwogen, wenn sie darum gebeten wird.