10. Dezember 1810
Ich bin mit meiner Weisheit am Ende. Nun sind wir über eine Woche in London, und ich war mit Charles in speziellen Clubs (die er ohne meine Fürsprache nicht hätte betreten können), obwohl ich vor allem die Spielsalons verabscheue, deren einziger Zweck darin besteht Gentlemen ihren Müssiggang zu versüßen und das Portemonnaie zu erleichtern; aber ich dachte daran, Bingley auf andere Gedanken zu bringen. Ich brachte ihn sogar in das White's und in Almack's, besuchte mit ihm private Salons und Abendgesellschaften, wo ich hoffen konnte, das eine oder andere weibliche Herz im Stile einer Jane Bennet zu treffen, das meinem guten Freund sicher zugetan wäre und im Gegensatz zu ihr aus einem akzebtablen Hause mit Hintergrund käme.
Was habe ich mich gelangweilt und mich selbst fragwürdiger Annäherungen diverser junger Damen und deren Mütter erwehrt (in diesem Sinne handelt Mrs. Bennet scheinbar kaum besser oder schlechter als die übrige Damenwelt), frivole und obszöne Gespräche diverser Herren und Brüder ertragen, und dies alles ohne jeglichen Erfolg!
Charles bleibt dabei, daß kein weibliches Wesen jemals so schön, sanft und liebenswert sein kann, wie seine Jane und kommentiert jede junge Dame mit den Worten " … aber Jane" und dann strömt eine nie endenwollende Litanei all ihrer Vorzüge über seine Lippen.
Weitaus schlimmer empfinde ich jedoch die Tatsache, dass all seine Erwiderungen in mir eigene Erinnerungen an Netherfield, Meryton und Longbourn wecken, die ich selbst zu vergessen hoffte. Aber wie ginge das mit diesem Freund in meiner Nähe und meiner Gesellschaft. Hätte ich nicht dringende Geschäfte zu erledigen, würde ich London und damit ihn verlassen, aber wie sollte ich einen Freund untätig seinem Schicksal übergeben? Das bringe ich dann doch nicht über mein Herz!
Caroline ist (erwartungsgemäß) keine große Hilfe, indem sie zwar versucht, allerlei Schlechtigkeiten über die Bennets zu finden, wobei es über Jane selbst nichts negatives zu sagen gibt, was ihn umsomehr in dem Wunsch bestärkt, sie aus diesem Umfeld zu erretten. Ich kann seine Gefühle für die junge Dame nur dämpfen, indem ich ihm zu erklären versuche, daß die ihren nie sehr tief empfunden waren, sie alle Mitmenschen mit Lächeln, Liebreiz und Zuneigung behandelt, er also in ihren Augen nichts besonderes gewesen sein kann.
Und je mehr von allen Seiten versucht wird, Charles von Jane zu erlösen, umso mehr Argumente gefunden werden müssen, die gegen diese Verbindung sprechen, umso fadenscheiniger erscheinen sie mir selbst und umso leuchtender erscheint mir ihre Schwester. Wir sprechen über Jane und ich sehe Eliza, wir versuchen Charles empfehlenswerte junge Damen schmackhaft zu machen und mir drängt sich Elizas Bild auf! Zudem erscheinen mir selbst die jungen Ladies noch stumpfsinniger und geistloser als zuvor (was mir nicht möglich schien, fühlte ich mich in weiblicher Gesellschaft doch meist gelangweilt). Oder erliege ich hier der Einbildung und habe nur meine Sicht verändert?
Es scheint, ich verwandle mich langsam selbst in einen liebeskranken Esel. Gibt es denn in ganz England kein Heilmittel gegen diese Krankheit? Ich muß und werde jedenfalls Mittel und Wege finden, mir und Charles die beiden Bennets aus dem Kopf zu schlagen. Es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn mir das nicht gelänge!
Mal sehen ... das Weihnachtsfest und davor die Hochzeit unseres alten Studienkameraden Kirk Uphouse. Er hat uns beide (und Georgiana)eingeladen. Die Uphouses sind eine weitläufige und altehrwürdige Familie mit Besitz, Reichtum und Verbindungen. Und Kirk hat selbst 3 entzückende, jüngere, bislang unverbundene Schwestern und dergleichen mehrere Cousinen. Da sollte Charles (wir?) doch wohl auf andere Gedanken kommen ...
_________________ Grüsse, Caro Avatar: Amelia Darcy (1754-1784) Für 1 Jahr säe einen Samen, für 10 Jahre pflanze einen Baum, für 100 Jahre erziehe einen Menschen. chin. Weisheit
Zuletzt geändert von Caro am Donnerstag 26. Juli 2007, 09:44, insgesamt 1-mal geändert.
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