Melody Joy hat geschrieben:
Da ich mich furchtbar für solche Bräche interessiere und wir uns ja im Verrücktthread befinden, frag ich einfach mal kurz nach wie dieses bayrische fensterln denn funktionierte?
Also der Bursche brachte nachts eine Leiter zum Kammerfenster der holden Maid und begehrte Einlass. Wenn die Maid ihm gewogen war, öffnete sie das Fenster und liess ihn rein.
Im Berner Raum nannte man es "Kiltgang".
Nein, nicht wegen dem "Kilt" als Kleidungsstück, oder dem was man darunter trug
sondern als Ableitung zu dem germanischen Wort "kwelda", was Sonnenuntergang bedeutet.
Der Maler, Lithograph und Radierer Franz Niklaus König (1765-1835) schrieb 1814 über den Kiltgang:
Der Kiltgang (nächtlicher Besuch der Burschen bei den Mädchen) ist eine eingewurzelte und unvertilgbare Sitte im Canton Bern. Die Jünglinge besuchen nämlich die Mädchen Nachts, bald einzeln, bald in Gesellschaft. Der Weg geht durchs Fenster; vorher aber werden Zärtlichkeitsreden gehalten, die meist drollig genug sind; und auf diese folgt eine Art Capitulation. Endlich auf dem Gade (obere Stube) angelangt, werden sie von den Mädchen mit Kirschwasser – erfrischt. Alles weitere geht dann (wie man sagt) in der grössten Zucht und Ehrbarkeit zu! Ich mag das gerne glauben, obschon mir's nicht in den Kopf will: wie ein rüstiger Aelpler zum platonisieren kommen soll? und ob er blos dafür einen rauhen Bergweg von drey bis vier Stunden, oft bey Regen und Wind, machen würde, wie es manchmal der Fall ist. Zu dem giebt es oft Symtome, die nicht weniger als platonisch aussehen und zum Glücke meistens nach der Kirche führen.
Der einzige Unterschied besteht darin, daß in Bayern die Burschen immer allein kamen, und grundsätzlich weniger platonisch drauf waren ... :fies_sei: Allerdings soll es auch hier welche gegeben haben, die sich mit dem Händchenhalten zufriedengaben. Man möcht es ja kaum glauben
Hier eine nette Seite dazu, mit einem Liedtetxt aus dem hohen Norden, wo ähnliches auch bekannt war.
In dem Brauch, den ich meine, legten die Gentlemen ihrer Auserkorenen meist im Rahmen eines Erntefestes, Volksfestes oder so ähnlich und natürlich vor ihren Augen ein Band in den Korb, der auf einem bestimmten Tisch stand. Alle Jungfrauen ab 16 hatten so einen Korb. Sie nahm nun ein bestimmtes Band und ging damit in den nahegelegenen Wald, worauf der Auserwählte ihr folgte. Meist waren die Pärchen natürlich bekannt, es konnte aber durchaus auch Überraschungen geben und natürlich wurde bald geheiratet ...
_________________
Grüsse, Caro
Avatar: Amelia Darcy (1754-1784)
Für 1 Jahr säe einen Samen, für 10 Jahre pflanze einen Baum, für 100 Jahre erziehe einen Menschen. chin. Weisheit