Becci hat geschrieben:
... Das wusste ich nicht, aber ich meinte einfach, dass Frauen damals weniger Rechte hatten. Männer durften sich vielleicht nicht alles erlauben, aber doch ungleich mehr als die Frauen. ...
Na ja, geschrieben hast Du oben was anderes
... aber das ist sicher wahr, dass den Männern in der damaligen Gentry mehr Freiheiten zugestanden wurden als den Frauen...
Wenn man z.B. an die Reisemöglichkeiten denkt, und was für Umstände Jane Austen jedesmal machen musste, wenn sie wo hinreisen wollte - ohne männliche Begleitung ging da gar nichts und auf deren Zeitpläne hatte sie sich eben mit ihren eigenen Wünschen einzustellen...
Andererseits waren auch die Männer eingeschränkt: Sie konnten zwar im Unterschied zu den Frauen einen Beruf ausüben, das war aber auf sehr wenige Möglichkeiten beschränkt: Offizier in der Armee, Jurist, Seeoffizier oder Pfarrer... das war sicher für viele Gentleman mit bestimmten Interessen oder Fähigkeiten auch eine unangenehme Beschränkung der Freiheit...
Becci hat geschrieben:
... Es war sicher häufiger der Fall, dass Männer ihre Frau mit einer Mätresse betrogen als das die Frauen eine Affäre hatten ...
Na ja, so genau weiß man das nicht
... Zu jedem Mann, der fremdgeht ist statistisch gesehen mindest eine Frau nötig, die ebenso tut
...
Aber unbestritten: Die frei herumstreifenden Männer hatten mehr Gelegenheit als die ans Haus gebundenen Frauen... Obwohl ich nicht dafür einstehen möchte, was der Stallknecht oder der Gärtnersbursche für Rechte eingeräumt bekamen, wenn der Herr des Hauses monatelang in London weilte und die Frau sich auf dem heimischen Gut zu langweilen begann...
Becci hat geschrieben:
... Und auch die Folgen waren andere. Während die Frau in einem solchen Fall mit Scheidung und Ruin rechnen musste, wenn der Mann davon Wind bekam, konnte eine Ehefrau nur dulden und schweigen, wenn sie ihr Mann betrog. ...
Soweit ich weiß, hielt der gehörnte Ehemann auch schon mal das Maul und erkannte den Bastard als eigenes Kind an (oder man lies es stillschweigend verschwinden), um größeren Skandal zu vermeiden...
Also, das war eine Frage der Diskretion: Wenn es nicht öffentlich bekannt wurde, war man durchaus in der Lage sich zu arrangieren... Viele der wichtigen Eheverträge der damaligen Zeit heben genau darauf ab, dass der Mann nämlich seine Frau nicht so einfach loswerden - verstoßen - konnte, ohne selbst finanzielle Einbußen zu erleiden, da er ein Nutzungsrecht am Vermögen seiner Frau erhielt, das mit einer Trennung verfiel... Die Ehe hatte damals mehr mit einem Geschäft zu tun und weniger mit Sympathie oder Liebe...
In "Die Frau in Weiß" (Mitte des 19. Jh., tiefstes Viktorianertum) gibt es eine interessante Diskussion des Anwalts der Familie bezüglich der Vermögensregelungen der jungen Braut Laura mit deren unfähigem Vormund... Worin der Anwalt heftig dagegen protestiert, dass das Vermögen der jungen Frau an den Ehemann übergehen soll, im Fall sie bliebe kinderlos und würde vor ihm sterben... Er sagt u.a. dass es "sehr ungewöhnlich sei" etwas derartiges gegen das Interesse der Frau zu vereinbaren...
Becci hat geschrieben:
... Das mit der polizeilichen Aufsicht wusste ich nicht, aber das war sicher nicht überall so. ... Wie das in England ist, weiß ich nicht. ...
Soweit ich weiß, gab es damals in London eine spezielle "Hurenpolizei", die die Prostitution regeln sollte... Also, irgendwas diesbezügliches muss es gegeben haben... Huren wurde z.B. oft deportiert oder in spezielle Gefängnisse (Arbeitshäuser) gesperrt... Evtl. gab es keine besonderen Strafen für Hurerei(?), sondern eher für die Beischlafkriminalität oder irgendwelche "Regelbrüche" (Belästigung von Passanten z.B.: ich hab mal in einem zeitgenössischen Reisebericht gelesen, dass man in bestimmten Londoner Straßen als Passant kaum vorankam, weil man von den Huren regelrecht eingekeilt und mit obzönen Angeboten belästigt wurde)? ... Aber darüber weiß ich leider keine weiteren Einzelheiten...
Becci hat geschrieben:
... Vom moralischen Standpunkt wurde ein solcher Lebensstil sicher verdammt, aber ich denke doch, dass die Diskrepanz zwischen moralischer Überzeugung und wirklichen Handeln damals sehr groß war. ...
Ich weiß nicht, ist das heute besser? Oder wird immer noch gesetzgeberisch und moralisch herumgeeiert?
Becci hat geschrieben:
... Natürlich taugt so jemand nicht als Austen-Held, aber tja.... die Realität war sicher nicht, dass alle Gentlemen der damaligen Zeit sich bis zur Ehe in Enthaltsamkeit übten oder auch in der Ehe treu waren. ...
... ganz anders als heute, oder? *nutch* *nutch* *zwinker* *zwinker*
Becci hat geschrieben:
... Und wenn mich nicht alles täuscht, gehörte es damals zum guten Ton, dass man als Mann zumindest Bescheid wusste und etwas Erfahrung gesammelt hatte. Der Unterschied lag dann zwischen solchen Männern wie Wickham und solchen wie Darcy eher darin, wie man seine Bedürfnisse stillte und nicht darin, ob man etwas tat oder nicht.
Also, Mr. Darcy wird sich nicht an den Töchtern der Nachbarn vergriffen haben, ich wette, er hat das sehr kühl und professionell geregelt, wenn er in London war... Und als Jugendlicher auf Pemberley? Da kann ich mir durchaus vorstellen, dass der junge Master der heimliche Schwarm der einen oder anderen Haushaltshilfe oder Gänsehirtin gewesen sein mag, was ihm gewisse Erfahrungen eingebracht haben mag... (er war eben schon als Knabe immer zu allen nett und freundlich, die Töchter der Pächter und Diener eingeschlossen...
)
Wickham war ja eher ein Nassauer, der das Geld für eine Hure sicher gezahlt hat - Saufabende mit anschließendem Bordellbesuch waren damals beim Militär sicher auch schon üblich... Doch er hat sich ja im Gegensatz zu Mr. Darcy oder Mr. Bingley auch anderweitig vergriffen...
Bruki