flinders hat geschrieben:
Die Menschen verstehen Liebe sehr unterschiedlich. Das wissen wir ja. Deshalb ist es nicht einfach sich darüber zu unterhalten. Ich kenne Menschen, die behaupten zu lieben und ihre Liebe ist dann nach meinem Maß nicht mal eine Freundschaft. Man kann ja nur auf seine ganz persönlichen Erfahrungen zurückgreifen.
Die Sache mit deinem Unfall ist natürlich sehr tragisch. Du hast diesen Lebenskampf gewonnen, weil du deine Tochter liebst. Um zum Thema zurückzukehren, ist es nicht vorstellbar, dass wie in deinem Fall, du das Leben wieder gewonnen hast aus Liebe zu deiner Tochter, man es nicht auch aus Liebe verlieren kann, weil man nicht mehr leben will, weil die Liebe, die man nicht ausleben kann, einen auffrisst? Ich kann nicht aus eigener Erfahrung sprechen, sonst wäre ich ja nicht hier.
Ja, ich liebe meine Tochter, aber es gibt genügend Elternteile, die nach solch einem Unfall sterben. Ich gehe davon aus, dass die meisten ihre Kinder auch geliebt haben.
Ich hatte damals nur den einen Gedanken im Kopf "Ich muss nach Hause, ich muss zu Sarah!". Ich erinnere mich daran, dass (vermutlich als ich im Koma lag und im Sauerstoffzelt war) ich Panik hatte, weil ich glaubte unter einem riesigen Zelt gefangen zu sein, Sarah suchte, nicht finden konnte und auch den Ausgang nicht fand. Als ich diesen "Traum" hatte, war ich ja nicht bei mir. Ich konnte nicht wissen, dass man mich fixiert hatte, damit ich nicht vom Bett falle oder mich sonstwie verletze.
Was ich damit sagen will, ist folgendes: natürlich gibt einem die Liebe zusätzliche Kraft, aber auch die Liebe hilft nicht, wenn der Willen zu schwach ist, wenn man sich aufgibt. Nicht umsonst gibt es Fälle, in denen Menschen Verschüttungen, Hunger, Durst, Verletzungen etc. überleben, wo man das schlicht für unmöglich hält. Wenn man sich ihre Geschichten anhört, zeugen sie von erstaunlichem Mut, Willen und Kampfgeist. Man weiss, man hat eigentlich keine Chance, aber man gibt sich damit nicht zufrieden. Man akzeptiert dieses "Wissen" nicht, kämpft dagegen an. Natürlich weil man etwas hat, wofür sich der Kampf lohnt, aber das können Kinder sein, Partner oder auch eine Lebensaufgabe, für manche auch einfach das Leben an sich. Sie sagen sich, es wäre noch zu früh zu gehen, können das Ende nicht hinnehmen.
Eine große Liebe gibt dir einen Grund zu kämpfen, aber der Kampf ums Überleben geht von dir aus. Nicht umsonst heißt es, der Glaube könne Berge versetzen. Wenn man glaubt, dass man es schaffen kann, wenn man den unerschütterlichen Willen zu überleben hat, dann schafft man das auch. Es gibt genügend Fälle, die das bezeugen. Ebenso die anderen Fälle von geliebten Menschen, die dennoch die Kraft zu einem solchen Kampf nicht in sich finden konnten.
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Grüsse, Caro
Avatar: Amelia Darcy (1754-1784)
Für 1 Jahr säe einen Samen, für 10 Jahre pflanze einen Baum, für 100 Jahre erziehe einen Menschen. chin. Weisheit