Dass ein älterer Ehepartner dem Verstorbenen häufiger nachfolgt, hat eher damit zu tun, dass man sich "allein" nicht genug ist und nicht an die denkt, die man zurücklässt.
Das kann man ein bischen mit meiner Situation nach meinem Unfall vergleichen. Die meisten Menschen mit meinen Verletzungen sterben noch am Unfallort, oder eben auf der Intensiv. Eine Krankenschwester die mich bei der Einlieferung gesehen hatte, und tags drauf in Urlaub ging, erzählte später, sie habe nicht gedacht, gehofft oder wie auch immer, mich wiederzusehen und vor allem nicht in solch einem guten Zustand. Das hat sehr viel mit dem Willen zu tun, dem Lebenskampf. Ich habe gekämpft, weil ich Sarah nicht allein lassen wollte, obwohl es damals sicher einfacher gewesen wäre, den Körper gehen zu lassen. Ähnlich war es mit den Körperfunktionen. Im Rollstuhl wäre ich Sarah keine Hilfe gewesen, also hab ich alles getan, um wieder fit zu werden. Manche sagen, Du hast Glück gehabt, aber mit "Glück" hat es gar nicht sooo viel zu tun.
Wenn man so will, hatte ich das Glück, dass mein Körper vor meinem Unfall in einem guten Zustand war, dass ich vor dem Lungenriss mit über 30 die Lunge einer 18-Jährigen hatte und meine Nieren in Ordnung waren, weil ich nicht übermässig trinke. Aber auch das hat mit mehr Selbstdisziplin zu tun und der Achtung vor dem eigenen Körper, als mit Glück.
Wenn Du nicht mehr leben willst, sagst Du dem Körper, dem Gehirn und damit deiner Schaltzentrale ständig, dass du nicht mehr willst und er endlich aufhören soll zu arbeiten. Irgendwann hört dein Gehirn auf dich und stellt entweder alle Funktionen, oder auch nur bestimmte ein, oder entwickelt Bluthochdruck oder was auch immer, um einen Herzstillstand zu verursachen.
Ich frage mich nach wie vor, inwieweit das mit Liebe, oder nicht doch eher mit Selbstaufgabe zu tun hat. Wie gesagt, wenn man einen Menschen liebt, muss man ihn auch gehen lassen können, wenn es besser für ihn ist. Wenn die Lebenszeit eines Menschen vorüber ist, sollte man ihn gehen lassen und nicht verlangen, dass er sich quält, nur weil man selber das Alleinsein nicht erträgt. Ist es nicht egoistisch sich zu verabschieden, Kinder, Enkel und Freunde allein zu lassen und ihnen zusätzliche Trauer aufzubürden?
@flinders
Vielleicht ist das alles auch eine Frage der Defintion. Kann es eine schlechte Liebe geben? Denn eine zerstörerrische, zerfleischende Liebe ist per se schlecht, weil sie alles kaputt macht. Das zeigen ja schon diese Adjektive an sich. Eine zerfleischende Liebe wird meist von Ängsten gesteuert, die nichts oder nur wenig mit der Liebe an sich oder dem geliebten Menschen zu tun haben.
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Grüsse, Caro
Avatar: Amelia Darcy (1754-1784)
Für 1 Jahr säe einen Samen, für 10 Jahre pflanze einen Baum, für 100 Jahre erziehe einen Menschen. chin. Weisheit