Sonja hat geschrieben:
Also, dass ist ja nun ein Thema, zu dem ich sehr viel zu sagen habe.
Erstens: wenn es in NL so ist, dass man entweder nach 8 Wochen wieder arbeitet oder kündigt, dann preise ich das deutsche System. Wo bitte bleibt denn da die selbstbestimmte Entscheidung der Eltern? Da ist der Weg doch vorgezeichnet, Kind in die Krippe, Mutter auf Arbeit. Das habe ich gehabt, als ich Kind war. Und aus dieser Erfahrung heraus bin ich unglaublich glücklich, dass ich dieses Schicksal (und genauso meine ich es: Schicksal) meinen Kindern ersparen konnte. Soziale Kompetenz wird aus meiner Sicht zu allererst zu Hause erworben, idealer Weise mit Geschwistern, bei denen Altersabstand nicht zu groß ist. Es ist eine Illusion zu glauben, eine Erzieherin mit 20 Kindern könnte diese soziale Kompetenz auch nur annähernd ausreichend vermitteln. Sie hat schließlich nur 2 Augen und kann nicht überall sein. Wer wieder arbeiten will, soll dazu die Möglichkeit haben. ABER nicht auf Kosten derer, die dies nicht wollen und lieber 2 bis 3 Jahre zu Hause bleiben. Daher finde ich das niederländische Modell eine Katastrophe. Und wie sagte Gregor Gysi einst so schön: es nützt ja nichts, in die linke Hosentasche was reinzustecken, wenn rechts gleichzeitig wieder was rausgenommen wird, wenns dieselbe Hose ist (ich bin kein PDS-Anhänger, aber der Spruch war gut). Und seien wir doch nicht blauäugig, genau das wird geschehen um die Krippenplätze zu finanzieren.
Zweitens: das Thema Ganztagsschule; ich lehne das ab für meine Kinder. Die lernen ein Instrument, betreiben 2 Sportarten bzw. singen in Chören mit. Die sind ausreichend gefordert und gefördert. Für die Ansprüche einer Ganztagsschule bleibt da überhaupt keine Zeit. Also auch das will ich nach den Bedürfnissen meiner Kinder bitte frei entscheiden können. Es gibt nämlich Schulen, die das verbindlich vorschreiben.
In der ganzen Diskussion scheint es mir so, als ob man das Kinde mit dem Bade ausschüttet. Die Dinge sind so, wie sie sind zumindest für einen Teil der Eltern absolut in Ordnung. Mag sein, das man für andere Eltern andere Lösungen braucht, aber bitte nicht um das alte System komplett zu verwerfen, denn dann stehen wieder welche im Regen.
Und was mit all den kleinen Franzosen wird, die heute als Vorzeigekinder eines Vorzeigesystems gelten, das wird sich erst in 20 Jahren zeigen. Ich habe da allerdings eine Befürchtung, da ich eben aus einem ähnlichn System stamme.
zu 1.) Ja, das ist richtig, fast alle Mütter, die ich in NL kennengelernt habe arbeiten. Allerdings meist nicht den den ganzen Tag und auch nicht jeden Tag die Woche. Übrigens arbeiten auch etliche Väter Teilzeit, sodaß die Lösung z.B. so aussah: 1 Tag in der Woche Mama zu Hause, einen Tag Papa, drei Tage Fremdbetreuung. Außerdem sieht der Arbeitsmarkt ja auch anders aus: Wenn Du hier Deinen Job kündigst, mußt Du ja Angst haben keinen mehr zu bekommen, das ist dort anders, die Arbeitslosigkeit beträgt nur 4%.
Zu 2.) Auch die niederländischen Kinder gehen zur Musikschule und in Sportvereine. Sie haben drei oder vier Mal ( je nach Alter) pro Woche bis ca. drei Uhr Schule und 1 oder 2 mal bis 12 Uhr. Da ist noch genug Zeit für Hobbies und Freunde. Hausaufgaben gibt es nicht in dem Umfang wie bei uns. Wir haben uns in dem System recht wohl gefühlt.
Wie ich schon ganz am Anfang der Diskussion sagte, geht es mir allein darum, daß Mütter doch die Wahl haben sollten, ob sie arbeiten wollen oder nicht. Wenn eine Frau arbeiten gehen will und zu gleich Mutter sein will, hat sie es auf jeden Fall schwer in Deutschland. Ob das der Grund für die sinkende Geburtenrate ist, weiß ich nicht. Es liegt wahrscheinlich auch am wenig kinderfreundlichen Klima. Die aktuelle Statistik sagt 1,33 Kinder pro Frau, in NL 1,7. Das sind bildlich gesprochen ca. 35 Kinder mehr auf 100 Frauen.