... hihihi, drei Postings hintereinander und kein Verriss wegen Geschwätzigkeit... Du siehst, Johanna, ich bin gesegnet unter den Töchtern des Boardes...
Im Film kommt die Trottelhaftigkeit des guten Dobbins ja nicht so rüber wie im Buch... Aber er ist scheinbar einer der heute so verbreiteten Gutmenschen, die Thackeray auch nicht so recht in eine Schachtel einordnen wollte...
Ich lese aus Deinen Postings eine gewissen Zurückhaltung und gedämpfte Begeisterung für die Verfilmungen (und das Buch?) heraus: Thackeray sollte man nicht so sehen wie Jane Austen oder Gaskell... Er steht meiner Meinung nach in der Nachfolge von Fielding und Swift. Und dazu kommt sein ausgeprägtes sozialpädagogisches Sendungsbewusstsein(?)... Thackeray war ja in direkter Konkurrenz zu Dickens, was ich woanders schon mal schrieb... Sein Humor ist schneidender als der von Dickens, ihm fehlt das pitoreske, sentimantale, was Dickens Kritik an den Zuständen die intellektuelle Schärfe (und Kraft?) nimmt... Thackeray hat wohl an den Zuständen stärker gelitten oder ihm fehlte das "Gemüt", sie mit Humor zu ertragen wie Dickens es tat... Aber er ist ohne Zweifel für mich der bessere intellektuelle Beobachter... Thackeray schildert - anders als Dickens - die Menschen und die Verhältnisse kälter und mitleidloser... Bei ihm gibt es keinen Ausweg... (Womit wir bei Hardy angekommen wären...
) Und Thackeray ist ein begnadeter Satiriker, was ja auch eine gewisse Wirkung auf den gemütvollen Leser hat, der durch ihn persönlich (be-)treffende Satire normalerweise etwas vom Mitfühlen abgehalten wird... (Hast Du mal Swifts Pamphlet über die beste Lösung, "den irischen Mißständen abzuhelfen", gelesen? - Wer sowas schreibt, dem hat das Herz geblutet - wer sowas liest, dem hat sich der Magen umgedreht... Aber er wird auf Abneigung bei den zipfelmützigen Spießern treffen, die ihr Gewissen nicht mit Albträumen beunruhigen wollen - also bei der Mehrheit der Leser/innen...)
Dass Du mit Thackerays wiederholten Seitenhieben gegen die empfindsamen Damen nicht einverstanden bist, kann ich gut nachvollziehen, kenne ich doch Dein empfindsames und weiches Herz...
- Welche Deiner Geschlechtsgenossinnen mag schon gerne von den - von einem Mann - mitleidlos offengelegten Winkelzügen und Verrätereien lesen, denen Frauen nun mal fähig sind...
Soweit zum Thema Feminismus...
Kann man sagen, dass Thackery keine Frauenromane schrieb? Er wandte sich eher an Männer? Oder war er geschlechtsneutraler als die Frauenschriftsteller/innen? ... Wenn man allein Jos oder Osborne oder Dobbins nimmt, kommen die Männer ja auch nicht so gut bei ihm weg...
Ich denke, die dauernden kommentierenden "Einsprengsel des Autors" in "Jahrmarkt der Eitelkeiten" weisen auf Fielding hin, der hat ja diese Form des allwissenden, sich direkt zu Worte meldenden Autors eingeführt und in "Tom Jones" bis zum Exzess getrieben... Ich finde, es wäre an der Zeit, dass Du, nachdem Du von Pepys die Nase voll hast, Dich an Fielding machst... Ich denke "Tom Jones" wäre gut als Einstieg... Oder "Jonathan Wilde"... Der kommt näher an "Barry Lyndon" ran (natürlich ist es umgekehrt
)... Doch Jonathan Wilde läge Dir mit Deinem abenteuerlichen Gemüt bestimmt...
- Wenn Du dagegen eine Dickensianerin bist, wäre unbedingt auch "Amelia" (nach "Tom Jones") zu empfehlen... "Amelia" ist neben "Tom Jones" mein Liebling, weil Fielding darin über seine Frau schreibt und sehr persönliches Erleben verarbeitet... Allgemein wird jedoch gesagt, dieser - sein letzter - Roman sei wegen sentimentaler Tendenzen nicht sein stärkster gewesen...
Aber bleiben wir beim Thema... Ich lese jetzt den "Jahrmarkt" erneut und werde damit bestimmt noch einige Zeit zubringen...
Bruki
PS: gerade sehe ich W&D an... natürlich hab ich Freitag und gestern beide BBC-Verfilmungen gesehen (die "amerikanische" hab ich gleich gar nicht gekauft)... Die beiden Varianten sind sich ähnlicher als ich vermutet hatte... Manchmal beschlich mich das Gefühl, Davies hätte sich von der älteren inspirieren lassen.
Wie fandest Du die Puppen im Vorspann der alten Verfilmung? Die haben mir beinahe Magenschmerzen verursacht... Man hatte, scheint's, nichtmal genug Geld ordentliche Puppenspieler zu verpflichten... Und dann die Reizverschlüsse an den Kleidern...
Interessant waren auch die Schauspielerbiografien: Einige der jüngeren männlichen Darstellen haben mit dieser Verfilmung scheinbar ihre Karriere abgeschlossen?
PPS: Schade, dass Du die Schweinesymbolik der Davies-Fassung nicht diskutieren magst: Wir hätten dabei bestimmt auch einige Parallelen zur neuen P&P-Verfilmung aufzeigen können... Die Macher scheinen geklaut zu haben, dass sich die Balken biegen...
PPPS: Mach Dir nichts draus, wenn die Romantik in dem Film (und Buch) fehlten - es ist ein Männerbuch! ... und so die Verfilmungen auch ...
PPPPS: Dass Du so lobenswert mit Pepys vorankommst... begeistert mich. Welche Variante der Tagebücher liest Du? ... Sind sie Dir noch nicht über?