Wenn ich es richtig verstanden habe, wurde in den gehobeneren Häusern Hauslehrern die Bildung übertragen, wobei die Mädchen bisweilen auch in den Genuss derselben kamen, meist aber von einer Gouvernante unterrichtet wurden, die auch noch Anstand und Sitte überwachte.
Man darf nicht vergessen, dass Besuche oft mehrere Wochen in Anspruch nahmen und in der Zeit jemand auf dem Landsitz die Kinder beaufsichtigen musste. Es scheint mir so, als hätten die Kinder damals recht viel Zeit ohne die Eltern verbracht. Waren sie alt genug, schickte man sie auf Internate und Colleges.
Bei den Bennets ist es ja so, dass sie selten die Gelegenheit haben zu reisen, weil Mr. Bennet keine Lust hat, und zudem London verabscheut. Das ändert sich erst, als Lizzy nach Derbyshire zieht und das Haus in London hat. Die Bennets benötigen vorerst also keine Gouvernante. Zwecks der "Ausbildung" sagt Lizzy ja auch "sie hatten alle Möglichkeiten gehabt, etwas zu lernen, falls sie den Wunsch danach verspürten". Wobei ich jetzt auch nicht weiß, ob das hiess, dass ihnen ein junger Student oder Hauslehrer zur Verfügung stand. Die Mutter hat sie gewiss nicht unterrichtet, außer in Handarbeiten und den "einfachen" Fähigkeiten, die sie beherrschte. Und der Vater ...?
Die finanzielle Frage ist schwierig zu beantworten. 2.000 Pfund im Jahr waren so wenig auch wieder nicht. Bennet wirft sich später selbst vor, dass er keine Gelder zurückgelegt habe, was für mich so aussieht, als hätten sie alles mit vollen Händen für Klamotten und ähnliches ausgegeben. Bingley hatte 5.000, das ist zwar 2,5x so viel, aber er wird ja nun als immens reich betrachtet. Nicht sooo reich wie Darcy, aber immerhin! Er hatte keine 5 Töchter, konnte sich aber eine Kutsche leisten, ein Haus in London und die Pacht von Netherfield. Zudem hatte Bingley einen weit aufwändigeren Lebensstil zu finanzieren und wenn ich es richtig verstand, war er Caroline gegenüber recht großzügig, so dass sie ihre Gelder kaum angreifen musste. Es sieht für mich so aus, als hätte man bei den Bennets eine Gouvernante bezahlen können, wenn man gewollt hätte. Zumal Lady Catherine in diesem Zusammenhang von einer wohl nicht allzu begüterten oder hochgestellten Dame spricht, die ihr für die Empfehlung einer Gouvernante so dankbar unerhört war.
Gouvernanten und Hauslehrer standen damals übrigens über dem anderen Hauspersonal, aber üblicherweise unter den Herrschaften. In vielen Häusern speisten sie mit der Herrschaft, aber nicht immer.
Bertha von Suttner zum Beispiel war eine Adlige (gebohren 1843), die sich aus Geldmangel (ihre Mutter verspielte das Erbe) als Gouvernante verdingen musste und später als Pazifistin und Schriftstellerin eine gewisse Berühmtheit erlangte.
:guck:
_________________
Grüsse, Caro
Avatar: Amelia Darcy (1754-1784)
Für 1 Jahr säe einen Samen, für 10 Jahre pflanze einen Baum, für 100 Jahre erziehe einen Menschen. chin. Weisheit