Angelika hat geschrieben:
Die Astronomin hieß Caroline Herschel. Es gibt da ein Buch drüber, von Eva Maaser (die kommt aus dem Münsterland also weiß ich das), so eine Art Lebensgeschichte. War eigentlich ganz interessant zu lesen (wenn man sich denn dafür interessiert). ...
Wow, Angelika, Du kemnst Dich ja aus!
Also hier der Text... Das hab ich mir aus einer Festschrift der Göttinger Universität rauskopiert... Im 18./19. Jh. bestanden enge Beziehungen zwischen Hannover und England, die Georgs waren einen großen Teil des Jahres in Hannover und es gab auch sonst einen regen Austausch zwischen den beiden Ländern... Der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung der Herschel-Geschwister erinnert mich ein wenig an die Austenfamilie... Der Text ist etwas „wissenschaftlich“, aber trotzdem verständlich (ich hab die Fußnoten dringelassen - die zweistelligen Zahlen in den runden Klammern)...
Caroline Lukretia Herschel (1750–1848)
Caroline Herschel wurde von ihrer Mutter, die selbst des Lesens und Schreibens unkundig war, eine über das Notwendigste hinaus gehende Erziehung versagt. Dem Zeitgeist entsprechend sollte sie nur die Fertigkeiten einer Hausfrau erlernen, damit sie „ein grober Klotz aber ein nützlicher“ bliebe. Der Vater war weniger rigide und zeigte ihr die Wunder des Himmels, darunter einen Kometen. Eine wissenschaftliche Tätigkeit, eine Ausbildung zur Sängerin, selbst eine Ausbildung zur Weißnäherin, die ihr eine eigene Unterhaltsquelle erschlossen hätte, wurden ihr als unnütz versagt. Durch Krankheit in der Jugendzeit sehr kleinwüchsig und ohne Vermögen, hatte sie auch kaum Chancen auf eine Eheschließung. Sie blieb das Aschenputtel der Familie. Aus dieser misslichen Lage befreite sie ihr Bruder „Fritz“, als er 1772 seine geliebte kleine Schwester „Lina“ zu sich nach Bath holte.
Dort führte Caroline ihrem Bruder den Haushalt, er bildete sie aber auch als Sängerin aus, unterrichtete sie in Mathematik und Astronomie und brachte ihr manuelle Tätigkeiten wie das Schleifen optischer Spiegel bei, letztlich also all die Dinge, die ihm selbst wichtig waren. Caroline blühte sichtlich auf. Nach einigen Jahren trat sie als Solosopranistin zusammen mit Wilhelm als Dirigenten und dem ebenfalls nach England emigrierten Bruder Alexander als Orchestermitglied in Bath auf. Sie erhielt nach einer Aufführung des „Messias“ ein Angebot, als Sängerin in London aufzutreten, wollte aber die Obhut ihres Bruders nicht verlassen. Ebenso wie Wilhelm galt ihr eigentliches Interesse der Astronomie. Sie hatte beträchtlichen Anteil an Wilhelms astronomischen Arbeiten, zum Teil als Gehilfin (21), zum Teil aber sicher auch als kompetente und eigenständige wissenschaftliche Partnerin (22). Nach dem Umzug in die Nähe von Windsor schenkte ihr Wilhelm einen eigenen kleinen Refraktor (23), mit dem sie den Himmel absuchen und eigene Beobachtungsreihen durchführen konnte. 1786 erhielt sie ein größeres Spiegelteleskop aus der eigenen Herschel’schen Produktion, mit dem sie vom flachen Dach des Hauses in Slough aus Beobachtungen durchführte.
Caroline Herschel ist besonders als Entdeckerin von acht Kometen, darunter mehreren neuen, bekannt geworden. Ihren ersten Kometen entdeckte sie am 1. August 1786 (24) mit dem großen Teleskop ihres Bruders. Ihre Urheberschaft führte zur Bezeichnung des neuen Kometen als “first lady’s comet”, aber auch zur Anerkennung ihrer Arbeit durch die Royal Society und zur Gewährung eines eigenen jährlichen Gehalts von £ 50 durch den König. Sie war damit die erste Berufsastronomin. Als zweites Hauptwerk hat sie den von dem ersten Astronomer Royal John Flamsteed (1646-1719) verfassten Sternkatalog sorgfältig bearbeitet und eine Ergänzung von 561 Sternen tabelliert, die von der Royal Society publiziert und sehr gelobt wurde. Der Flamsteed’sche Katalog (25) aus Caroline Herschels Besitz ist nach ihrem Tod der Sternwarte Göttingen übereignet worden und wird dort noch heute verwahrt.
... Im Rahmen der Arbeiten mit ihrem Bruder am großen Katalog diffuser Objekte entdeckte Caroline Herschel 14 neue „Nebel“, darunter die Sternbildungs-Galaxie NGC 253 und die den Andromedanebel begleitende elliptische Zwerggalaxie NGC 205. Die Ausarbeitung dieses 2500 Objekte umfassenden Nebelkatalogs (26) hat sie über Wilhelms Tod hinaus beschäftigt. Dieser Katalog ist weitgehend ihr Werk und wurde von John Herschel nach weiterer Überarbeitung und unter Hinzufügung der Objekte am Südhimmel als General Catalogue herausgegeben (s. unten). Die Neufassung durch Dreyer ist der New General Catalogue, aus dem die NGC-Bezeichnung der Objekte stammt.
Caroline Herschels Leben veränderte sich mit der späten Heirat ihres Bruders, doch das Verhältnis zu ihrer Schwägerin war nach anfänglichen Schwierigkeiten gut, und seit 1799 widmete sie sich hingebungsvoll der Unterrichtung ihres 1792 geborenen Neffen John (27). Sie brachte ihm Mathematik und Astronomie bei und führte mit ihm chemische und physikalische Experimente durch. Zu John hatte sie zeitlebens ein sehr enges Verhältnis, das in ihrem ausgedehnten Briefwechsel mit ihm dokumentiert ist (28 ). Als John 1834 zu seiner Expedition nach Südafrika zur Vermessung und Katalogisierung der Sterne am Südhimmel aufbrach, hätte sie ihn liebend gerne begleitet, wenn sie 30 oder 40 Jahre jünger gewesen wäre. Er solle nur „in Gottes Namen“ fahren, äußerte die 84-Jährige etwas bedauernd (29). Zu dieser Zeit lebte Caroline schon lange wieder in Hannover, versorgt durch eine lebenslange Rente als Vermächtnis ihres Bruders.
Caroline hat sich nie so ganz in das Leben in England eingewöhnen können wie ihre Brüder. Unmittelbar nach dem Tode Wilhelms im Jahre 1822 und nach 50-jähriger Tätigkeit in England packte Caroline für ihre Rückkehr nach Hannover, ein Entschluss, den sie später bereute. Ihre Memoiren sind das Zeugnis einer ganz der Wissenschaft verschriebenen Frau. In Hannover beschäftigte sie sich, bereits 72 Jahre alt, weiterhin mit der Auswertung der Daten, die sie zusammen mit Wilhelm aufgenommen hatte. Insbesondere brachte sie die Arbeiten an dem großen Nebelkatalog zum Abschluss, den sie John Herschel zum Geschenk machte. Die kleine alte Frau war nun eine Berühmtheit, die von großen Wissenschaftlern wie Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt besucht wurde. Aufgrund ihrer Verdienste um die Wissenschaft verlieh ihr die Royal Astronomical Society 1828 eine goldene Medaille, 1832 erhielt sie eine Medaille des dänischen Königs. 1835 wurde sie zum Ehrenmitglied der Royal Astronomical Society gekürt, 1838 zum Ehrenmitglied der Irischen Astronomischen Gesellschaft. Außerdem erhielt sie 1846 vom preußischen König die goldene Medaille der Preußischen Akademie der Wissenschaften. An ihrem 97. Geburtstag empfing sie das Kronprinzenpaar und sang zur Unterhaltung ein siebzig Jahre zuvor von ihrem Bruder für sie komponiertes Lied. Der Mondkrater C. Herschel im Sinus Iridium und der Planetoid Lucretia wurden posthum nach ihr benannt. Sie starb am 9. Januar 1848 in Hannover. Ihr Grabstein auf dem dortigen Gartenfriedhof enthält die Inschrift:
„Hier ruhet die irdische Hülle von Caroline Herschel geb. zu Hannover den 16. März 1750 gestorben den 9. Januar 1848. Der Blick der Verklärten war hienieden dem gestirnten Himmel zugewandt, die eigenen Cometen Entdeckungen und die Theilnahme an den unsterblichen Arbeiten ihres Bruders, Wilhelm Herschel, zeugen davon bis in die späte Nachwelt. Die Königliche Irische Akademie in Dublin und die Königliche Astronomische Gesellschaft in London zählten sie zu ihren Mitgliedern. Im Alter von 97 Jahren 9 Monaten 24 Tagen entschlief sie mit heiterer Ruhe und bei voller Geisteskraft, ihrem zu einem bessern Leben vorangegangenem Vater, Isaac Herschel, folgend, der ein Lebensalter von 60 Jahren 2 Monaten und 17 Tagen erreichte und seit dem 25. März 1767 hier begraben liegt.“
Caroline Lukretia Herschel war eine Frau, die ihr Leben sowohl der Wissenschaft wie dem Wohlergehen ihrer Familie widmete. Die Zeit, in der sie lebte, verstand die Selbstverwirklichung großer Geister in Kultur und Wissenschaft vorwiegend als ein Privileg der Männer. Die ihr erwiesenen Ehrungen belegen gleichwohl den tiefen Eindruck, den sie als Persönlichkeit auf ihre Zeitgenossen machte, und die Bedeutung der von ihr erarbeiteten wissenschaftlichen Ergebnisse.
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Fußnoten:
21 Die Registrierung astronomischer Beobachtungen am Teleskop erfordert eine kompetente zweite Person, die beobachtete Durchgangszeiten, eingestellte Horizonthöhen und Bemerkungen zu den beobachteten Objekten notiert. Beide Tätigkeiten erfordern eine unterschiedliche Adaption der Pupille und damit zwei Personen.
22 Sie wirkte an über 60 Publikationen mit, ohne dass ihr Name allerdings in ihnen erwähnt wird.
23 Ein solches Teleskop mit großem Gesichtsfeld nennen die Astronomen Kometensucher (engl. comet finder).
24 Caroline Herschel entdeckte diesen Kometen, als ihr Bruder gerade in Göttingen weilte, um dort das bereits erwähnte Teleskop zu übergeben und einzurichten. Dieser Komet wurde von ihr 1795 zum zweiten Mal gesichtet und unabhängig von Pons im Jahre 1818. Er erhielt später den Namen „Encke“, weil Johann Franz Encke (1791–1865), seinerzeit Vize-Direktor der Sternwarte Gotha, die Bahn dieses mit einer Periode von 3.3 Jahren wiederkehrenden Himmelskörpers berechnete. Encke wurde 1825 Direktor an der Berliner Sternwarte.
25 Das als Historiae Coelestis Britannicae bezeichnete dreibändige Werk hat eine bewegte Publikationsgeschichte. Der Astronomer Royal John Flamsteed wurde vom Mitglied der Royal Society Edmond Halley sehr gedrängt, seinen Sternkatalog zu veröffentlichen, was jedoch mit Kosten verbunden war, die Flamsteed scheute. Selbst als Halley als die erforderlichen Mittel vom dänischen Königshaus eingeworben hatte, weigerte sich Flamsteed, woraufhin Halley Flamsteeds Katalog gegen dessen Willen in 400 Exemplaren drucken ließ. Mit Hilfe von Lord Chamberlain kaufte Flamsteed verärgert die für ihn noch erreichbaren 300 Exemplare auf und ließ sie verbrennen. Diese erste inoffizielle Version des Flamsteed’schen Katalogs enthielt die heute noch gebräuchliche Nummerierung der Sterne und damit Bezeichnungen wie den nicht existierenden „Stern“ 34 Tauri. Caroline Herschels Kopie des Katalogs ist ein Exemplar der offiziellen (posthumen) Publikation Flamsteeds, für die die Nummerierung der Sterne entfernt wurde. Caroline hat diese Nummerierung am Rand handschriftlich wieder nachgetragen. Diese Kopie trägt neben Caroline Herschels handschriftlicher Signatur als Carolina Herschel auch die Signatur eines vermutlichen Vorbesitzers R. D. Combé, der nicht identifiziert werden konnte. Halley, Flamsteeds Intimfeind, wurde dessen Nachfolger als königlicher Astronom.
26 Dieser Katalog ist der Vorläufer des heute verwendeten New General Catalog (NGC) und des Index Catalog (IC).
27 Ihre letzte Veröffentlichung aus der Zeit in Slough stammt aus dem Jahre 1799.
28 Herschel, M. C.: Memoirs and Correspondence of Caroline Herschel (1876); Caroline Herschel’s autobiographies, ed. by M. Hoskin, Cambridge 2003.
29 Lubbock, Constance A.: The Herschel Chronicle, Cambridge 1933, S. 382.