Na gut, ihr habt es so gewollt! Tief durchatem...
Hier kommt mein Beitrag. Es ist eine moderne Geschichte und ich hab die Wortvorgabe bloß um knapp 100 Wörter übertroffen! (Stolzbin
) Ach ja, ich hab 14 der vorgegebenen Wörter untergebracht.
Leise rieselt der Schnee...
Ort der Handlung: Ein luxuriöses Chalet, etwas abseits gelegen in den tiefverschneiten Schweizer Bergen. Es ist der Tag vor Heiligabend.
Akteure: William Darcy, Charles Bingley, Jane Bennet, Elizabeth Bennet. Dazu kommen zwei äußerst unwillkommene Gäste...
Die vier durchgefrorenen Skifahrer versuchten, sich alle auf einmal durch die Tür ins Innere des Chalets (und damit in die höchstwillkommene Wärme) zu quetschen und unter viel Gekicher und freundschaftlichem Geschubse schafften sie es schließlich, daß alle im Warmen waren. Wobei – warm konnte man sicherlich anders definieren – kein
Feuer loderte im Kamin des Wohnzimmers und die Heizöfen waren ebenfalls aus.
„Brrr!“ machte Elizabeth, nachdem sie ihre dicke Skijacke ausgezogen hatte, und rieb sich kräftig die Arme. „Ist das eisig hier drinnen!“ William öffnete seine warme Jacke und wickelte seine Freundin darin mit ein, so daß sie zwangsweise fest an ihn gedrückt wurde, was sie wieder zum kichern brachte. „Ich halte dich warm, Liebes,“ murmelte er und nutzte die Gelegenheit zu einem zärtlichen Kuß, der nur zu gerne erwidert wurde.
Sein Freund Charles dachte praktischer – was möglicherweise daran lag, daß Jane Bennet momentan nicht greifbar war, sie war nämlich gleich wieder nach draußen gerannt, um nach ihrem offenbar
verlorenen Handschuh zu suchen – und stöhnte gespielt genervt. „Habt ihr zwei nichts anderes im Kopf, sagt mal!“ brummte er und quetschte sich an den beiden Turteltauben vorbei. „Wie wäre es mit Hilfe beim Feuer machen, Darce? Kuscheln könnt ihr auch später noch!“ William seufzte, doch Charles hatte natürlich recht. Sie waren alle komplett durchgefroren nach einem langen Nachmittag auf der Piste und als erstes sollten sie wirklich zusehen, daß sie das Chalet warm bekamen. Er konnte den ganzen Abend noch mit Elizabeth kuscheln. Von der kommenden Nacht ganz zu schweigen...
Zögernd entließ er Elizabeth aus seiner Umarmung, tröstete sich mit der Vorfreude auf später und half Charles mit dem Kamin, während Elizabeth sich in der Küche um heiße Getränke für alle kümmerte. Als jedoch Jane fünf Minuten später mit roten Wangen, aber triumphierend ihren wiedergefundenen Handschuh schwenkend das Chalet betrat, konnte man Sekunden später ein weiteres Liebespaar in inniger Umarmung am Eingang stehen sehen. Auf ein pikiertes „Ähem“ von William hin deutete Charles nur grinsend über sich, wo ein großer
Mistelzweig hing, und ließ sich ansonsten nicht bei seiner angenehmen Tätigkeit stören.
Schließlich waren alle vorhandenen Öfen in Gang gesetzt, das Feuer im Kamin loderte heimelig vor sich hin, alle hatten die nassen Skiklamotten in bequeme, trockene Sachen eingetauscht und wärmten sich an ihren heißen Tassen. Draußen wurde es langsam dunkel. Elizabeth, die sich gerade eine zweite Tasse Kaffee in der Küche geholt und einen Teller mit
frischgebackenen Plätzchen für alle mitgebracht hatte, blieb an dem großen Panoramafenster stehen und blickte nachdenklich hinaus in die Dämmerung. „Seht mal, wie das auf einmal schneit!“ sagte sie. „Wir hatten grade noch Glück heute mit dem Wetter. Jetzt wollte ich nicht mehr draußen sein!“ Ihre Schwester Jane trat an ihre Seite und schüttelte sich. „Brrr! Da jagt man ja keinen Hund raus! Sieh nur, die Treppenstufen zum Chalet sind schon fast nicht mehr zu sehen vor lauter Schnee. Und was für ein fieser Wind ist das auf einmal! Wie gut, daß wir heute nicht mehr rausmüssen.“
Tatsächlich hatte der Wind mittlerweile stark aufgefrischt und blies die dicken, weißen Flocken mit aller Macht vor sich her. Ein solcher
Schneesturm war nicht im Wetterbericht angekündigt gewesen. Aber sie saßen ja glücklicherweise im Warmen und hatten es trocken und gemütlich. Und sie hatten genügend Verpflegung dabei – für alle Fälle. Elizabeth ließ sich wieder an Williams Seite nieder, zog die Füße auf die Couch und kuschelte sich an ihn. „Wärme teilen,“ nannte sie es und schob ihm ein dezent nach
Zimt duftendes Butterplätzchen in den Mund.
Diese Winterferien hier in den Schweizer Bergen waren ihr erster gemeinsamer Urlaub. Daß sie nicht alleine waren, machte nichts. Charles und Jane waren die perfekte Ergänzung. Die beiden würden sich nicht daran stören, wenn ihnen der Sinn nach Zweisamkeit stand, im Gegenteil. Es paßte also ganz gut und alle vier genossen die ruhige Vorweihnachtszeit in ihrem gemütlichen Chalet – jeder auf seine Weise. William hatte darüberhinaus ein ganz besonderes Geschenk für Elizabeth im Gepäck – einen Verlobungsring. Er wollte ihr morgen an Heiligabend einen Heiratsantrag machen und obwohl er wußte, daß sie ihn liebte, konnte er sich ihrer positiven Antwort keineswegs sicher sein. Elizabeth Bennet war die komplizierteste, impertinenteste, unabhängigste, wundervollste Frau die er kannte. Innerlich seufzend griff er nach einem weiteren Plätzchen, setzte seine Lesebrille auf und widmete sich weiter seinem Buch, Elizabeth dabei fest im Arm haltend.
Einzig das Wetter machte William ein wenig Sorgen. Wenn das so weiterginge, wären sie morgen früh eingeschneit, was nicht so angenehm wäre. Sie hatten zwar genügend Vorräte mitgebracht und auch erfrieren würden sie nicht, aber dennoch. Es war ein komisches Gefühl, so abgeschnitten zu sein vom Rest der Welt. Aber vielleicht hörte es ja auch bald wieder auf und er machte sich bloß unnötige Gedanken.
So herrschte eine ziemlich behagliche Atmosphäre in dem mit einheimischen Arvenholz getäfelten Wohnzimmer des Chalets. Das Feuer prasselte, die beiden Paare hatten es sich auf je einer Couch bequem gemacht, tranken Kaffee, naschten von den Plätzchen, kuschelten, lasen oder schliefen. Elizabeth hatte ihren Handarbeitsbeutel mitgeschleppt, sehr zu Janes Vergnügen. Sie hatten gewettet, daß es Elizabeth nicht schaffen würde, bis zum Heiligabend einen Schal für William zu stricken und Elizabeth haßte es, Wetten zu verlieren.Sie war nicht wirklich talentiert für Handarbeiten, schon gar nicht fürs
Stricken, doch ihr Ehrgeiz war geweckt und sie nutzte jede freie Minute, um an ihrem Werk zu arbeiten.
Alle fuhren erschrocken zusammen, als sie plötzlich draußen vor der Tür einen
Schrei hörten, gefolgt von einem lauten „Aua“, dumpfem Stimmengemurmel und energischem Rütteln an der Tür. Die vier starrten sich einen Augenblick an, dann erhob sich Charles und schritt mutig zur Haustür, die drei anderen folgten ihm zögernd, aber neugierig. Der Anblick, der sich ihnen da draußen bot, löste fast ein kollektives Aufstöhnen aus. Zwei vollkommen durchgeweichte, für diese Witterung völlig unpassend gekleidete Frauen standen vor der Tür, das Make-up auf ihren Gesichtern verschmiert, sich gegenseitig anfauchend. Vor lauter Gekeife merkten sie gar nicht, daß die Tür aufgegangen war. Endlich fiel der Groschen und eine der beiden wandte sich mit gerunzelter Stirn der Tür zu. „Das wurde aber auch Zeit!“ brauste sie wütend auf und schob sich an einem sehr verdutzten Charles rücksichtslos vorbei ins Chalet, wo sie von den restlichen drei Mitbewohnern in ungläubigem Entsetzen angestarrt wurde.
„Caroline!“ sagte Charles entgeistert, als er die Frau, die aussah wie eine ertrunkene Ratte, als seine Schwester erkannte. „Was zum Teufel machst du hier?“ Caroline Bingley würdigte ihn keiner Antwort, sondern warf der zweiten Dame, die sich ebenfalls einen Weg ins Haus gebahnt hatte, einen finsteren Blick zu. „Du bist schuld an allem, du blöde Ziege!“ fauchte sie zornig und fuchtelte mit der geballten Faust in der Luft herum. „Wenn du nicht ständig nur an Kerle denken würdest und...“ „Ach, halt doch die Klappe,“ schnauzte die andere zurück und schob sich das nasse Haar aus der Stirn. „Du hättest es ja selbst machen können! Warum hast du nicht selbst angerufen und stattdessen...“ „Weil ich die Telefonnummer nicht hatte! Aber du weißt ja alles besser und wolltest…“
„Genug!“ donnerte William dazwischen und warf den beiden Streithennen einen unheilvollen Blick zu, der normalerweise auch prompt seine Wirkung zeigte. Das heißt, bei Elizabeth bewirkte er gar nichts, aber das war ein anderes Thema. Doch die zwei Frauen starrten ihn an wie vom Donner gerührt. Caroline wechselte sofort die Taktik, als sie ihn erkannte. „William!“ rief sie und ihre Stimme klang wie eine Überdosis Süßstoff. „Wie geht es dir, Hon? Wir haben uns schon eeeeewig nicht mehr gesehen, nicht wahr? Du schlimmer Junge, immer tust du, als hättest du so viel zu tun und keine Zeit für eine alte Freundin!“ Mit einem einschmeichelnden und, wie Caroline glaubte, verführerischen Lächeln trat sie auf ihn zu und wollte ihn zur Begrüßung umarmen. William trat zwei Schritte zurück und wehrte sie fast unhöflich ab.
„Was führt dich hierher, Caroline?“ fragte er und beäugte neugierig die andere Frau, die ihm vage bekannt vorkam, er jedoch nicht einordnen konnte. Elizabeth beobachtete das ganze eher amüsiert aus sicherer Entfernung. Caroline Bingley war eine Plage, keine Frage, aber mit ihr wußte sie umzugehen. Ihre ständigen plumpen Annäherungsversuche William gegenüber nahm sie erst gar nicht ernst. Die andere „Dame“ kannte sie nicht.
Besagte Blondine hatte sich mittlerweile etwas gefaßt und auch sie trat auf William zu, den einzigen der Anwesenden, den sie kannte. „Hallo, William,“ gurrte sie und schenkte ihm ein ebensolches Lächeln wie Caroline gerade eben. „Erkennst du mich nicht? Ja, es ist sicherlich drei Jahre her! Annabel Daliphard. Du erinnerst dich? Der Wettbewerb zur Lady Godiva, vor drei Jahren, Coventry? Die…
Party danach? Nur wir zwei?“ Sie klapperte vielsagend mit den mascaraverschmierten Augendeckeln und William zuckte zusammen, als die Erinnerung langsam einsetzte.
Liebe Güte, auch das noch! dachte er gequält.
Als ob Caroline nicht schon schlimm genug wäre, jetzt mußte hier auch noch eine Ex-Affäre von ihm auftauchen! Nur daß diese früher auf den wenig spektakulären Namen „Ida Watson“ gehört hatte.
Er warf einen zögernden Blick zu Elizabeth, die das ganze Schauspiel und vor allem sein sichtliches Unbehagen irgendwie zu genießen schien und still vor sich hingrinste. William nickte unverbindlich und sandte einen stummen Hilferuf an Charles. Der nahm sich seine Schwester entschlossen zur Brust. „Caroline, kannst du uns endlich verraten, was du hier machst?“ fragte er leicht genervt. „Und vielleicht willst du uns auch einmal deine Begleiterin vorstellen?“ Er wollte die beiden unerwarteten Eindringlinge so schnell wie möglich wieder loswerden. Das fehlte noch, daß sie die beiden am Hals hatten! Caroline warf Annabel einen giftigen Blick zu. „
Miss Watson“ sie spie den richtigen Namen ihrer Reisegefährtin regelrecht aus, genau wissend, wie sehr diese das haßte, „hat unsere Buchung im Hotel Filisur vermasselt. Jetzt haben wir überhaupt keine Unterkunft und der Ort ist komplett ausgebucht.“ Schnell verdrückte sie ein Tränchen, um Mitleid zu erwecken. „Oh Charles, William, ihr
müßt uns helfen! Können wir hierbleiben? Du kannst uns bei diesem Wetter um diese Uhrzeit unmöglich auf die Straße setzen, nicht wahr, Bruderherz?“ schniefte sie und rieb sich die Augen.
Die vier Chaletbewohner starrten die Frauen entsetzt an. Das war das letzte, was sie wollten! Diese zwei Furien in ihrem gemütlichen Liebesnest! Jane, die sanftmütigste und darüberhinaus vernünftigste unter ihnen, schaute besorgt aus dem Fenster. Es war stockfinster draußen, der Schneesturm hatte nicht im geringsten nachgelassen. Sie räusperte sich. „Nun, für eine Nacht werden wir euch sicher unterbringen können. Morgen früh könnt ihr euch ja nach einer anderen Unterkunft umsehen!“ Der Vorschlag war natürlich vernünftig, doch William, Charles und Elizabeth stöhnten hörbar auf. Jane warf ihnen einen mißbilligenden Blick zu und fuhr fort. „Wir haben nur zwei Schlafzimmer, ihr könnt es euch auf den Sofas gemütlich machen. Decken müßten wir noch haben. Und vielleicht solltet ihr euch erst einmal trockene Sachen anziehen.“
Die zwei Frauen starrten sich an. „Unser Gepäck ist draußen im Kofferraum,“ sagte Annabel schließlich und starrte William erwartungsvoll an, doch dieser tat so, als verstünde er nicht. Er würde garantiert nicht in diesen Schneesturm hinausgehen! Charles jedoch, Kavalier der er war, seufzte, nahm Carolines Autoschlüssel und stapfte nach draußen, einen mehr als unwilligen William im Schlepp. Diese drei Minuten reichten aus, um sie wie Schneemänner aussehen zu lassen, als sie mit zwei unglaublich schweren Koffern und zwei ebenso schweren Reisetaschen zurückkamen. Caroline und Annabel bekamen sich fast in die Haare als sie beide gleichzeitig versuchten, sich bei William mit einem Küßchen zu bedanken, doch der suchte hastig Zuflucht bei Elizabeth und schlang die Arme um sie. Daß diese über die Situation noch lachen konnte, tröstete ihn ein wenig.
Während die beiden Damen sich umzogen und – wie Elizabeth wenig später verärgert feststellte – sich mit ihren Sachen so häuslich eingerichtet hatten, als konnten sie sich dauerhaft hier niederlassen, hatten die anderen ein einfaches Abendessen vorbereitet. Sie fanden sich mit den Störenfrieden für eine Nacht wohl oder übel ab und vergeudeten keine Energie damit, sich groß darüber aufzuregen. Morgen wären sie wieder alleine. Ungestört.
„Miracoli!“ rümpfte Annabel die Nase, als sie sah, was aufgetischt wurde. „Mußt es ja nicht essen,“ sagte Elizabeth bloß und verteilte die Tomatensoße. Die vier hatten ursprünglich vorgehabt, abends immer essen zu gehen, ansonsten nur fürs Frühstück eingekauft und einige schnell zuzubereitende Fertigprodukte für alle Fälle mitgebracht. Für Fälle wie diese. Annabel funkelte Elizabeth an, schwieg jedoch und verspeiste pikiert ihre Portion.
Es wurde ein ungemütlicher Abend. Der Abwasch blieb an den beiden Paaren hängen, Caroline und Annabel meinten, daß sechs Leute entschieden zuviel für diesen Job waren und zogen sich ins Wohnzimmer zurück, um fernzusehen und sich dabei lautstark zu unterhalten. Oder zu streiten, so genau konnte man das nicht unterscheiden. Während Charles und Jane ihnen noch einen Moment Gesellschaft leisteten, zogen sich William und Elizabeth schon bald in ihr Zimmer zurück.
Elizabeth kicherte, als William zu ihr unter die Decke kroch und laut seufzte. „Abgelegte Gespielin?“ fragte sie und kuschelte sich an ihn. „Frag nicht.“ murmelte er bloß und suchte ihre Nähe. „Lady Godiva,“ fuhr Elizabeth ungerührt fort. „Ist sie etwa nackt auf einem Pferd geritten?“ William brummte etwas unverständliches und erntete dafür einen schmerzhaften Kniff in die Seite. „Los, erzähl schon!“ verlangte Elizabeth grinsend und fuhr fort, ihn zu kitzeln. „Was war das für eine Party für zwei?“ William seufzte und hielt ihre Hände fest. „War nichts spannendes, kann mich schon gar nicht mehr dran erinnern,“ murmelte er und versuchte sie abzulenken indem er sie küßte.
Elizabeth fand schließlich heraus, daß sie vor drei Jahren einmal eine Nacht miteinander verbracht hatten und Miss Watson, äh, Miss Daliphard sich anschließend vergeblich Hoffnungen auf mehr gemacht hatte. Also tatsächlich nichts spannendes, dachte Elizabeth beruhigt. William war ein begehrter Junggeselle, und natürlich hatte er ein Vorleben, doch sie hoffte bloß, daß diese Annabel oder wie auch immer sie hieß und auch Caroline es kapieren würden, daß er mittlerweile eine feste Freundin hatte und William endlich in Ruhe ließen. Die beiden waren einfach nur lästig.
Als Elizabeth und William am nächsten Morgen gegen halb elf ins Wohnzimmer kamen, schnarchten die beiden ungebetenen Besucherinnen noch tief und fest auf den Sofas und beklagten sich dann schlecht gelaunt darüber, daß sie mitten in der Nacht aus dem Tiefschlaf gerissen wurden. „Gleich nach dem Frühstück schmeißen wir sie raus,“ murmelte William, zog Elizabeth demonstrativ unter den Mistelzweig und küßte sie ausgiebig – unter den eifersüchtigen Blicken der beiden Frauen. Elizabeth mußte fast grinsen, als die unausgeschlafenen Ladies mit zerzausten Haaren, Ringen unter den Augen aber hauchzarten schwarzen Negligees ihre Schlafsofas verließen und sich darum zankten, wer zuerst ins Bad durfte. Daß William ihren „Auftritt“ überhaupt nicht wahrnahm, weil er gerade intensiv mit seiner Freundin beschäftigt war, grämte sie zutiefst.
Janes unterdrückter Aufschrei brachte sie jedoch rasch in die Gegenwart zurück. „Oh nein!“ rief Jane aus und zeigte wortlos aus dem Fenster. Charles, William und Elizabeth eilten zu ihr und sahen mit Entsetzen die Bescherung: Draußen lag meterhoch der Schnee. Zwar fielen nur noch ein paar leichte Flocken, doch der Schneesturm der vergangenen Nacht hatte ganze Arbeit geleistet und sie waren bis zur Unterkante der Fenster eingeschneit. Charles versuchte, die Haustür zu öffnen, doch ohne Erfolg. Sie bewegte sich nur wenige Millimeter – die Schneemassen dahinter waren zu groß und zu schwer. Während die vier noch versuchten, das Ausmaß dieser eher unangenehmen Entdeckung abzuschätzen, bekam Caroline, die den Wettkampf ums Bad verloren hatte, einen hysterischen Anfall.
„Oh nein! Wir sind eingeschneit! Wir kommen hier nicht mehr raus! Wir werden bestimmt verhungern und erfrieren!“ Panisch stürzte sie zu William und versuchte, sich an ihn zu pressen. „Sei nicht albern, Caroline,“ sagte dieser genervt und schob sie von sich. „Niemand wird verhungern oder erfrieren.“ „Aber sieh doch selbst, der Schnee geht bis zu den Fenstern!“ Caroline suchte wieder unerschrocken seine Nähe, William seufzte, Elizabeth schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. „Die Straßen werden sicher bald geräumt und solange warten wir einfach ab. Wir haben genügend Brennstoff und auch Lebensmittel für ein oder zwei Tage,“ versuchte Charles seine Schwester zu beruhigen. „Und wenn es wieder anfängt zu schneien?“ keifte Caroline und ergriff wieder Williams Arm.
Elizabeth hatte genug. „Sei froh, daß ihr im warmen sitzen könnt,“ sagte sie gereizt. „Genausogut könnten wir euch aus dem Fenster rauslassen, damit ihr euch eine neue Unterkunft suchen könnt, nicht wahr?“ William grinste, doch gleich darauf wurde er wieder ernst. Ihm war gerade aufgegangen, daß sie Heiligabend höchstwahrscheinlich in Gesellschaft Carolines und Annabels feiern mußten.
Sie versuchten, das beste aus der unfreiwilligen Zwangsklausur zu machen. Die Männer hatten glücklicherweise gestern noch einen kleinen Tannenbaum schlagen können, den sie nun aus dem am Chalet angrenzenden Schuppen holten und im Wohnzimmer aufstellten. Der Duft nach
Tannennadeln verbreitete eine heimelige, weihnachtliche Stimmung und die vier nahmen sich vor, sich den Tag nicht von ihren „Gästen“ verderben zu lassen. Während William und Charles den Kamin mit vier großen, prall gefüllten Weihnachtsstrümpfen dekorierten, holten Jane und Elizabeth die Schachtel mit dem Christbaumschmuck hervor, den sie extra aus England mitgebracht hatten.
Caroline beäugte die filigranen, vor langer Zeit in liebevoller Handarbeit gefertigten Dekorationen abschätzig. „Ist das etwa
selbstgemachter Weihnachtsschmuck?“ spottete sie und griff nach einem goldfarbenen Stern. „Wow, wie edel!“ sagte sie höhnisch und warf ihn achtlos wieder in die Box. Ein leises Klirren ertönte und Elizabeth fuhr auf. „Laß deine verdammten Finger davon, hörst du?“ fauchte sie und zog die Box näher zu sich. Dann sah sie die Tränen in Janes Augen und das
zerbrochene Glas, das diese in Händen hielt und das einmal eine zarte Kristallglocke gewesen war. „Das war die letzte aus Urgroßmutters Sammlung,“ sagte sie leise und wandte sich ab. Elizabeth hätte Caroline, die bloß gelangweilt die Schultern zuckte und sich ohne eine Entschuldigung abwandte, nur allzu gerne eine gescheuert, doch sie mußte erst einmal Jane trösten.
Caroline schlenderte stattdessen zum Kamin hinüber und begutachtete die vier dicken Weihnachtsstrümpfe, die daran festgemacht waren. Charles, William, Elizabeth und Jane hatten dort jeweils kleine Geschenke für alle vier hineingesteckt so daß jeder heute abend einen eigenen Strumpf „auspacken“ konnte. Für Caroline und Annabel war natürlich nichts vorgesehen. William jedoch hatte noch nachträglich einen winzig kleinen Strumpf drangehängt, der mit
Eichhörnchen, Häschen und Rentieren bestickt war (er hatte auf die schnelle keinen anderen gefunden), und der hatte nur ein Geschenk zum Inhalt: einen Verlobungsring für Elizabeth. Caroline jedoch war aus irgendeinem seltsamen, irrationalen Grund felsenfest davon überzeugt, daß William ihr ebenfalls ein Geschenk machen würde und der Strumpf für sie sei.
Man verbrachte den restlichen Tag mit etwas
angespannten Nerven, aber glücklicherweise ohne größere Konfrontationen. Über das Fernsehen hatten sie erfahren, daß eine große Anzahl an Schneeräumgeräten bereits dabei war, die Straßen, Häuser und Zufahrten von den Schneemassen zu befreien und man sich bitte gedulden solle, sofern keine akuten Notfälle vorlagen. Elizabeth dachte sarkastisch, daß sie sehr wohl einen Notfall hatten, sie hatte nicht die geringste Lust, noch mehr Zeit mit den beiden Zicken zu verbringen, doch es half nichts. Seufzend suchte sie Williams Nähe und schüttelte jedesmal ungläubig den Kopf, wenn entweder Annabel oder Caroline, meistens jedoch beide, erregt aufsprangen, sobald William unter dem Bogen mit dem Mistelzweig durchging.
William hatte sich den Kopf zerbrochen, doch er wußte nicht, wann und wo er Elizabeth am besten fragen sollte, ob sie ihn heiraten würde. Er hatte sich eine feierliche, etwas intimere Stimmung gewünscht, bei Kerzenschein und
Glockengeläut – nein, da ging gerade der Romantiker mit ihm durch und er mußte grinsen – aber zumindest nicht in Gesellschaft von Caroline und Annabel! Schweren Herzens entschloß er sich, die Frage aller Fragen noch ein wenig hinauszuzögern.
Aber ausgerechnet Caroline machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Gerade war ein wenig Ruhe eingekehrt, Jane und Charles spielten Schach vorm Kamin, William las und hielt dabei Elizabeth im Arm, die Fransen an den fertiggestrickten Schal friemelte, als es Caroline wieder einmal langweilig wurde. Annabel blätterte mittlerweile in einer Modezeitschrift und hatte keine Lust mehr, mit Caroline über irgendwelche gemeinsamen Bekannten herzuziehen, also flanierte Caroline ein wenig durchs Wohnzimmer. Keiner beachtete sie, und so nutzte sie die Gelegenheit, in die Weihnachtsstrümpfe zu spähen. Natürlich war der kleine der interessanteste. Sie war ja davon überzeugt, daß es ihrer war und konnte nicht widerstehen. Als sie die samtene Box öffnete und den goldenen Ring mit dem Diamant und den elegant geschliffenen Smaragden sah, stieß sie einen überraschten Schrei aus und alle fuhren herum.
„Oh William!“ rief sie entzückt und stürzte auf ihn zu. „Ich habe es immer geahnt, Liebster! Und wie romantisch von dir, bis Weihnachten damit zu warten, oh du schlimmer Junge!“ Bevor William es sich versah, hing Caroline an seinem Hals und küßte ihn euphorisch ab, an ihrem Finger prangte Elizabeths Verlobungsring. William machte sich entschlossen los und schob sie von sich. „Was soll das, Caroline?“ donnerte er und Caroline war für einen Moment still. „Was soll was?“ fragte sie pikiert und wedelte mit ihrer Hand. „Na dein Geschenk! Entschuldige, daß ich nicht gewartet habe, bis du es mir persönlich gibst, aber heutzutage ist es ja…“
„Nimm sofort den Ring ab,“ sagte William gefährlich leise und seine Augen blitzten vor unterdrücktem Zorn, so daß auch Caroline schließlich, wenn auch zeitverzögert, verstand, daß der Ring möglicherweise doch nicht für sie gedacht war. Elizabeth trat an Williams Seite und starrte erst fragend auf das Schmuckstück, dann auf William.
William seufzte. „Ich hatte mir meinen Heiratsantrag eigentlich anders vorgestellt, Liebes,“ murmelte er und zog Elizabeth an sich. „Unterm Weihnachtsbaum, nur du und ich, wir beide ganz alleine. Und jetzt so was…“ Er sah so enttäuscht aus, daß Elizabeth lächeln mußte. „Du wolltest mir einen Heiratsantrag machen?“ fragte sie gerührt und William nickte ein wenig verlegen. „Nun, dann frag mich doch einfach jetzt,“ sagte Elizabeth leise und schaute aufmunternd lächelnd zu ihm auf. William zögerte einen Moment, dann holte er tief Luft. Plötzlich war ihm, als wären sie ganz alleine auf der Welt und als würden ihn nicht vier Augenpaare neugierig anstarren. Es gab nur noch Elizabeth, die ihn liebevoll anblickte. „Willst du mich zum glücklichsten Menschen der Welt machen und meine Frau werden, Elizabeth?“ „Ja,“ kam die einfache Antwort, gefolgt von einem leisen Lachen. William lächelte ebenfalls und sie besiegelten ihr Eheversprechen mit einem langen, zärtlichen Kuß.
Nur langsam kamen sie wieder in der realen Welt an, als Jane sich näherte und Elizabeth wortlos, aber mit Tränen in den Augen umarmte und ihr und dem glücklichen Bräutigam alles Glück der Welt wünschte. Charles schloß sich an und für einen Augenblick vergaßen die vier, daß sie nicht alleine waren. Annabel murmelte einen unverbindlichen Glückwunsch, während Caroline es vorzog, sich in eine Ecke zu verziehen, wo sie den Rest des Abends vor sich hinschmollte – sehr zur Erleichterung der übrigen Bewohner.
William und Elizabeth wurden am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe vom Lärm der Räumfahrzeuge geweckt. In Anbetracht der kritischen Lage konnte man natürlich keine Rücksicht darauf nehmen, daß Weihnachten war und niemand war den Schneeräumern auch nur annähernd böse über die frühe Störung. Solange sie nur endlich wieder das Haus verlassen konnten!
William kuschelte sich an seine zukünftige Ehefrau. „Stell dir vor, ich habe geträumt, daß Caroline und ihre Freundin hier bei uns eingeschneit wären und uns Weihnachten verdorben hätten,“ murmelte er im Halbschlaf und wunderte sich, daß Elizabeth kicherte. „Entschuldige, wenn ich deine Illusion zerstöre, aber die beiden sind tatsächlich hier.“ William war mit einem Schlag hellwach. „Ist nicht dein Ernst, oder? Dann hat sie
wirklich meinen Heiratsantrag vermasselt?“ fragte er entsetzt. Elizabeth drehte sich um und blickte William liebevoll an. „Das hat sie nicht geschafft,“ sagte sie leise und strich ihm über die Wange. „Das war mein mit Abstand schönstes Weihnachtsgeschenk, William. Das konnte sie gar nicht vermasseln.“
Williams Blick fiel auf Elizabeths beringte Hand und er entspannte sich wieder. „Puh,“ machte er und sah so erleichtert aus, daß Elizabeth lachen mußte. „Wir werden uns doch von diesen beiden Ziegen nicht unseren Urlaub verderben lassen, oder? Außerdem denke ich, wir können sie heute mit gutem Gewissen rauswerfen, so wie es aussieht, werden die Straßen gerade geräumt.“
Und so war es tatsächlich. Der Räumdienst leistete ganze Arbeit und als William und Elizabeth gegen zehn Uhr ins Wohnzimmer kamen, waren die beiden unerwünschten Gäste bereits dabei, mit versteinerten Mienen ihre Habseligkeiten einzupacken. Charles stand dabei und schaute mit eisigem Blick zu. Er fand das Verhalten seiner Schwester unerträglich und konnte es kaum erwarten, sie wieder loszuwerden. Schließlich waren sie fertig und ohne viele Worte zu machen, verließen sie das Chalet. Ohne sich auch nur noch ein einziges Mal umzudrehen.
Charles wollte sich bei William und Elizabeth entschuldigen, doch die wehrten ab. Es war schließlich nicht seine Schuld, daß sich seine Schwester so unmöglich benommen hatte. „Schwamm drüber,“ meinte William bloß und zog eine lächelnde Elizabeth unter den Mistelzweig. „Ich habe ja trotzdem bekommen, was ich mir am meisten gewünscht habe!“
Ende.