Tina hat geschrieben:
Was mich nervt, ist, dass die Verfilmungen (zumindest die, die ich gesehen habe) das Ende umändern und meist Edmund und Mercedes zusammen finden lassen. Dabei ist der Roman doch völlig anders und stellt dem Grafen die Tochter des Sultans zur Seite.
Wenn diese überhaupt gezeigt wird, dann meist nur in dem Prozess, um dann wieder zu verschwinden. Dabei ist gerade diese Liebesgeschichte so positiv und gibt (zumindest mir) dem Roman Licht und Wärme, die Mercedes immer mehr verliert. (SIe muss ja auch eine Menge ertragen!)
Kennt ihr eine Verfilmung, in der sich an den Roman gehalten wird, wo Dantes und Mercedes mal nicht auf "ihrem Baum" landen, vergnügt am Meer planschen, gemeinsam auf dem Schiff entschwinden oder wo der Graf einfam und allein seiner Wege zieht, um seine Liebe zu Mercedes wiederzufinden???
Was das Zusammenfinden mit Mercedes und Dantes betrifft, so habe ich es weder bei der Verfilmung mit Gerard Depardieu und noch bei dem Kinofilm mit James Caviezel störend gefunden, sondern eigentlich den konsequenten Schluss, mit Blick darauf, welche Teile des Romans für die Verfilmungen ausgewählt und welche Akzente dort gesetzt wurden. Beide Verfilmungen setzen nämlich den Hauptakzent nicht auf die Rache von Edmond Dantes alias Graf von Monte Christo (die im Roman übrigens nicht einfach nur eine private Rache ist, sondern auch zur Wiederherstellung der Ordnung in der Gesellschaft dient, dazu mehr unten), sondern darum, dass Edmond sein Trauma, das Geschehene bewältigt. (Im Kinofilm ist die Racheaktion auf einen einzigen Höhepunkt zusammengestrichen und der Showdown mit Fernand, hier der Oberschurke, wird von diesem herbeigeführt und nicht vom Protagonisten. Der Fernsehmehrteiler, wo übrigens Villars der Hauptschurke ist, gibt den Racheaktionen mehr Raum, aber mit Blick auf seine Länge fällt sie auch recht gering aus). Bei einem solchen Ansatz ist für mich das Zusammenfinden mit Mercedes auch die schlüssigste Lösung, um zu zeigen, dass Edmond das Geschehene bewältigen konnte. Gerard Depardieu distanziert sich in seiner zusätzlichen Funktion als Erzähler überhaupt von seinem neuen "Ich" Monte Christo.
Ich finde übrigens den Film mit James Caviezel keineswegs misslungen, sondern als freie Adaption des Romans und gerade mit Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen (die Zeit von Alexandre Dumas und unsere Gegenwart) hoch interessant. Wer allerdings bei einer gelungenen Verfilmung die ausschließliche Abfilmung der Vorlage bevorzugt, kann diesem Film natürlich nichts abgewinnen.
Ein Problem, was sich für mich allerdings bei diesem Roman mit Blick auf eine Verfilmung stellt, ist, dass er sehr umfangreich ist, viele, viele Personen, viele, viele Handlungsstränge hat ... also keineswegs für eine Verfilmung eine ideale Vorlage ist, besonders wenn es sich dabei um einen Kinofilm handelt. Während die Verfilmungen mit Richard Chamberlain und Gerard Depardieu immerhin als Mehrteiler mehr Raum haben (unter diesem Aspekt finde ich die Depardieu-Verfilmung sogar sehr enttäuschend), ist bei einem abendfüllenden Film eine Reduktion von Handlungen und Personen notwendig. Die verwendeten Handlungsteile sollten aber auch schlüssig wirken, das bedeutet, die Striche sollten gut überlegt werden.
Ist euch eigentlich einmal aufgefallen, dass in den Filmen die "Position" des Oberschurken unterschiedlich besetzt ist? Meistens ist es Villefort (dramaturgisch ist er sicher der interessanteste der drei Gegenspieler und vielleicht auch der schlimmste. Während die anderen immerhin bei der Intrige davon ausgehen, dass sie vielelicht nicht funktionieren wird, macht er erst sie möglich, was wiederum zeigt, wie hanebüchen die ganze Intrige gewesen ist), im Kinofilm mit James Caviezel Fernand (der hier übrigens in Abweichung vom Roman bereits zu Beginn Adeliger ist, für mich auch ein Hinweis, dass Adel zu Dumas' Zeiten trotz aller damaligen Kritik grundsätzlich noch positiv besetzt war, daher musste Fernand noch ein Aufsteiger sein, der seine Adelsposition mit zweifelhaften Methoden wie Vaterlandverrat und anderen Verraten erkauft hatte. Sicher kein Zufall, dass dem Adeligen Fernand, dem falschen Freund, mit einem Banditen, dem einfachen Mann aus dem Volk, eine positive Gegenfigur gegenübergestellt wird). Dass ausgerechnet Danglars, der im Roman der Hauptschurke ist, im Film diese Funktion niemals übernimmt, hängt wohl damit zusammen, dass er sein Motiv und sein Charakter für einen Film einfach zu wenig hergeben, um einen interessanten Gegenspieler abzugeben.
Im Roman ist klar, dass Monte Christo und Mercedes keine gemeinsame Zukunft haben. Monte Christo ist gewöhnlich nicht mehr Dantes (einzige Ausnahme die Szene vor dem Zweikampf, als ihn Mercedes aufsucht und ihn an die gemeinsame Vergangenheit erinnert). Abgesehen davon hat sich unsere Sicht auf die Geschlechterrollen inzwischen geändert. Zum Zeitpunkt, als der Roman entschieden wurde, konnte Mercedes mit Blick auf das Frauenbild des 19. Jahrhunderts für den Helden nicht mehr akzeptabel sein, da sie, während seiner Abwesenheit einen anderen Mann geheiratet hatte und ihm somit untreu geworden war. (Dass es einer der Schurken ist, verschlimmert die Sache, aber bereits dass sie nicht auf seine Rückkehr gewartet hat, ist schlimm genug). Aus heutiger Sicht ist das wohl kaum mehr nachvollziehbar, noch dazu mit Blick auf die eingeschränkten Möglichkeiten, die sie damals als alleinstehende Frau ohne männlichen Schutz (Mercedes heiratet Fernand, der auch ein Jugendfreund und Verwandter von ihr ist, erst nach dem Tod von Dantes' Vater, der in ihrem Armen stirbt, d. h., um den sie sich bis zu seinem Tod gekümmert hat, also zu einem Zeitpunkt, wo sie wirklich alleine ist) und ohne vernünftig begründete Hoffnung auf seine Rückkehr gehabt hätte. Dass die neuesten Verfilmungen gegen ein Zusammenfinden von Edmond und Mercedes nichts einzuwenden haben, kann auch auf geänderte gesellschaftliche Sicht zurückgeführt werden.
Was die früheren Verfilmungen betrifft, waren eher dramaturgische Gründe ausschlaggebend, um die Beziehung Monte Christo und Mercedes (ob mit Happyend oder ohne) zur zentralen Liebesbeziehung zu machen. Mercedes ist nun einmal die wichtigste Frauenfigur im Roman und während mit den Erzählmitteln eines Romans eine Annäherung zwischen Monte Christo und Haydee (an deren Rolle als Ersatz-Mercedes übrigens kein Zweifel gelassen wird) zumindest schlüssig umgesetzt werden kann, wäre das mit den Erzählmitteln eines Films recht umständlich gewesen, vor allem, wenn das Ganze nicht aus der Handlung selbst und nicht als angeklebtes Happyend rüberkommen soll.
(Übrigens gibt es aus den 1960er-Jahren eine Verfilmung des Romans mit Louis Jordan, die mir persönlich nicht gut gefällt, bei der aber Edmond und Mercedes nicht zusammenfinden. In der Schlussszene wäre er zwar an einem Neubeginn mit ihr interessiert, aber sie lehnt ab, da sie mit dem Mann, der er jetzt ist, sich keine Zukunft mehr vorstellen kann.)
Und nun noch kurz zu:
... die im Roman übrigens nicht einfach nur eine private Rache ist, sondern auch zur Wiederherstellung der Ordnung in der Gesellschaft dient: bei Dumas ist Monte Christo nicht einfach Edmond Dantes, der für das, was ihm angetan wurde, Rache übt, sondern er ist jetzt auch der Retter der Gesellschaft. Indem er die Personen, die sein Leben als Edmond Dantes zerstört haben, vernichtet, sorgt er auch gleichzeitig für Recht und Ordnung. Schließlich haben sie nicht einfach sein Leben zerstört, sondern sich auf zweifelhafte Weise in diese Gesellschaft eingenistet, weitere Verbrechen begangen wie eben die Episode mit Haydee zeigt. Monte Christo tritt nicht etwa nur als Rächer auf, sondern mit seiner Rache bestraft er die Bösen, räumt in der Gesellschaft auf, belohnt die Guten und sorgt so dafür, dass die korrupte Gesellschaft wieder besser wird. Nachdem er diese Aufgabe erfüllt hat (die über eine private Rache weit hinausgeht), also seine Aufgabe erfüllt hat, bricht er in ein ganz neues Leben auf, und dazu passt es einfach auch, dass eine neue Frau an seiner Seite ist.
Als ich den Roman als Jugendliche gelesen habe, war ich von ihm begeistert, aber ich habe mir schon damals die Frage gestellt, wie es wäre, wenn Monte Christo seine drei Gegenspieler nicht als Schurken, sondern als brave und anständige Bürger vorgefunden hätte, die zwar einmal Böses getan haben (vor vielen Jahren sein Leben zerstört haben), aber inzwischen tatsächlich gut geworden sind, anderen helfen etc., und deren Vernichtung das Leben sämtlicher Unschuldiger (Ehefrauen, Kinder, Freunde/innen) bedeutet würde. Vermutlich würden wir eine solche Rachegeschichte ziemlich zwiespältig empfinden. einerseits Verständnis dafür, dass sich Monte Christo rächen will, andererseits aber doch Unbehaben darüber, weil seine Rache nicht wirklich gut rüberkommt und zuviele Unschuldige trifft.