Erst durch die Überlegungen und Diskussionen des aktuellen MP-Groupreads wurde mir bewußt, dass sich Jane Austens eigene Einstellung zur Ehe im allgemeinen und im besonderen im Laufe der Jahre und Beobachtungen natürlich gewandelt hat, wie in ihren Romanen.
Persönlich, heisst es, bevorzugte sie die Liebesheirat, aber in einigen Romanen scheinen die älteren Liebesehen nicht ausgeprochen glücklich zu sein.
1. P&P Mr. Bennet jedenfalls heiratet aus Liebe und scheint es zu bereuen. Bei den anderen älteren Ehen, wissen wir nichts Genaueres. Dennoch legt Jane Austen Wert darauf, dass Lizzy und Jane schliesslich aus Liebe (und äusserst vorteilhaft!) heiraten dürfen, und im Vorfeld darüber diskutieren ob Bingley Jane liebt oder nicht.
Auch Darcy entscheidet sich doch sehr früh (nach ein paar wenigen Treffen) um Lizzys Hand anzuhalten und spricht von heftiger Liebe. Es kann doch hier tatsächlich nur um Liebe auf den ersten oder zumindest zweiten Blick gehen, keine tiefere Betrachtung des Charakters.
Dann wären da noch lydia und Wickham. Wickham, der wie Willoughby und Crawford junge Damen und Mädchen in sich verliebt macht, allerdings seinerseits eine Vernunftehe anstrebt, um sich den Säckel zu füllen. Er schein sich tatsächlich in Lydia zu verlieben, die allen Uniformröcken nachzulaufen scheint, sonst würde er es nicht so weit kommen lassen, mit ihr durchzubrennen. Beide scheinen sich geliebt zu haben, denn JA schreibt davon, dass sich die Gefühle (wohl auch wegen Geldmangels) schnell abkühlen, wobei Lydia länger an ihm hängt, als er an ihr.
In
S&S, das wohl ein Jahr vorher geschrieben wurde, lässt sie Marianne und Willoughby trotz Liebe scheitern und dennoch zuvor ein gerüttelt Maß an Intimität und Leidenschaft erfahren. Erst die reife Liebe zu Brandon, die sich langsam entwickeln musste (manche Leser sogar in Abrede stellen) bringt Marianne wirklich Erfüllung.
Gerade diese "gereifte" Liebe würde aber zur gesellschaftlichen Meinung passen, wo es heisst "Liebe müsse sich entwickeln und gerade die Vernunftehe böte dazu eine Chance". Erinnern wir uns daran, wie Marianne über Brandon lästerte und ihn schätzen und lieben lernte!
Dann Northanger und
Mansfield Park. Vor allem Mansfield Park, wo wir die verschiedensten Beziehungen und Ehen erleben. Sir Thomas hat eindeutig aus Liebe geheiratet, aber ist seine Ehe besser als die von Mr. Norris oder Mr. Price? Er hat die finanziellen Vorteile, alle Möglichkeiten ein bequemes und gesellschaftliches Leben zu führen, aber hier geht es um die Ehe und die Beziehung zu seiner Frau. Hat Sir Thomas nicht im Grunde schlecht gewählt, ebenso wie Mr. Bennet?
Nicht zu vergessen seine Tochter Maria, die eine sogenannte Vernunftehe eingeht, aber das wohl vielmehr aus Trotz, weil sie Crawford nicht kriegt. Der kriegt Fanny nicht und bandelt (ebenfalls aus Trotz!) mit der inzwischen verheirateten Maria an und eskaliert einen Skandal. Interessant hier, dass Maria aber an und mit der Liebe scheitert, denn es kommt zwar zur Scheidung, aber Henry heiratet sie nicht. Wozu auch, er hat ihre Früchte ja bereits vorher genossen! Ich finde es erstaunlich, dass man ihn nicht zur Ehe zwingt, das war nicht unüblich. Aber gut, Jane Austen hält nichts davon. Aber seien wir ehrlich, würde Maria damit besser oder schlechter fahren, als in der Einöde, zu der sie verdammt wird?
Knightley und
Emma, die selbst gar nicht heiraten will, wozu auch und sich dann verliebt und freudig in die Hand des "Oberlehrers" begibt. Hier ist das Paar interessanterweise erstmals vom gesellschaftlichen Status bzw. familiären Hintergrund her besehen völlig gleichberechtigt.
Auch hier die Frage: Liebe gewiss, aber kann das gutgehen?
Persuasion:Auch bei Anne und Wentworth die Frage. Sie liebten sich, sie lieben sich noch immer und dürfen sich endlich kriegen. Hm, dies fast schon wirklich eine Liebesgeschichte, die mit den Konventionen brechen soll. Tatsächlich? Anne und Wentworth kriegen sich erst, als ER finanziell in trockenen Tüchern ist. Jane Austen lässt es nicht darauf ankommen, dass Anne eine Ehe führt wie Mrs. Price. Das dann doch nicht. Wentworth muss sich erst würdig erweisen und zeigen, dass er eine Familie ernähren kann; das ist die Kerze der Venunft. Was hilft alle Liebe, wenn's nix zum Essen gibt, wenn man knausern muss und den Haushalt ohne Hilfe führen muss? So weit absteigen lassen, soll die Liebe die Frau dann doch nicht. Sich einem Mann für nichts unterwerfen, dann doch nicht. Das ist alle Liebe nicht wert.
Die Watsons:Emma Watson wiederum entscheidet sich gegen die Vernunftehe bzw. Lord Osborne und für Mr. Howard, den Hauslehrer der Osbornes und damit ebenfalls für die Liebe, auch wenn ihr die andere Verbindung gesellschaftlich gesehen weitaus mehr Vorteile gebracht hätte. Allerdings hat Jane Austen selbst diesen Roman nicht vollendet, sondern nur die ersten fünf kapitel geschrieben. Was hätte sie daraus gemacht? Warum hat sie ihn nicht vollendet?
Um ehrlich zu sein, man merkt schon, dass JA die Liebesehe bevorzugt, weil sie ihren Helden diesen "Preis" für Charakterarbeit zuerkennt, aber mir scheint sie an dieser Stelle nicht vorurteilsfrei zu sein.
Wenn argumentiert wird, Mr. Bennet und Sir Thomas hätten sich kopflos in eine Liebesehe unter Status gestürzt, wie kann sie uns glauben machen, dass eine solche Ehe zwischen Darcy und Lizzy gut gehen wird? Müssen sie nicht ebenso scheitern? Oder will sie damit nur sagen, wenn man aus Liebe heiratet, kann man die schlechten Seiten der Ehe (des Partners) bzw. den gemeinsamen Alltag besser ertragen?
Wir wissen ja nicht, wie sich unsere geliebten Liebesehen entwickeln. Jane Austen schenkt uns zwar kurze Einblicke in die Zukunft, aber nie wirklich ein Wissen um die gemeinsame Ehegestaltung. Wird es bei den Ferrars, Brandons, Bertrams, Knightleys, Bingleys, Darcys etc. gut laufen, oder ist es nur so, dass wir und vor allem Jane Austen uns das wünschen?