Muck hat geschrieben:
Die gelöste Spannung von Elinor, nachdem sie endlich ihren Edward bekommen hat, ist in der letzten Szene recht eindeutig durch das Lachen aus vollem Herzen zu erkennen. Für einen reservierten Charakter wie es Elinor ist, ist das einfach aussergewöhnlich.
Dann musst Du Dir die Ang-Lee-Verfilmung unbedingt mal ansehen!
Ich meinte aber eigentlich nicht die "gelöste Spannung", sondern während des ganzen Films eben die nicht gelöste Spannung: Wie Elinor, für die Selbstbeherrschung so wichtig ist, immer damit kämpft, ihre Gefühle, ihren Schmerz nicht zu zeigen. Wie gesagt: Bei Elinor ging das sogar noch, die Schauspielerin fand ich so schlecht nicht.
Aber die treibende Kraft des Buches, die Figur, die für die dramatischen Verwicklungen sorgt, ist nun mal Marianne - und sie finde ich im Film so oberflächlich dargestellt, dass ich ihr die behaupteten Emotionen einfach nicht abnehmen kann. Und wenn das so ist, dann funktioniert der ganze Film an der entscheidenden Stelle eben leider nicht - zumindest in meiner subjektiven Wahrnehmung.
Muck hat geschrieben:
Man kann versuchen die Eigenheiten von Menschen auf verschiedene Weisen zu charakterisieren. Adolph Freiherr Knigge schreibt in seinem Buch "Über den Umgang mit Menschen" zum Beispiel: "Man pflegt gewöhnlich vier Hauotarten von Temperamenten anzunehmen und zu behaupten, ein Mensch sei entweder cholerisch, phlegmatisch, sanguinisch oder melancholisch." Für mich sieht das - unter anderem auch dank Jane Austen - etwas anders aus.
Du willst doch damit nicht etwa sagen, dass erst JA Dich von Knigge befreit hat?
Muck hat geschrieben:
In meiner persönlichen Theorie zur Charakterisierung von Menschen ist die zentralste Ebene der Motivation zusammengesetzt aus Emotion, Ambition und Verantwortung. Mit diesen drei Begriffen oder einer Mischung daraus kann man meiner Meinung nach den Charakter eines Menschen relativ gut beschreiben (obwohl dies nicht die einzige Ebene ist!!!).
Deine Theorie finde ich ganz interessant. Obwohl ich die Gefahr sehe, dass man da Leute in Schubläden packt. Oder dass man Begrifflichkeiten so allgemein fasst, dass man darunter praktisch alles subsumieren kann - dann verlieren die Begriffe aber leicht ihren Sinn. So könnte man zur Charakterisierung von Menschen auch einfach nur zwei Kategorien nutzen: "Vernunft" und "Gefühl". Mit diesen beiden Begriffen oder einer Mischung daraus kann man sicher auch jeden Menschen "einordnen". (Wobei ich mich gerade frage, wie man das bei Mr. Collins anstellen soll - aber gehen tät das schon.)
Ich finde übrigens auch nicht, dass Marianne vollständig emotionsgesteuert ist. Ja, sie ist total romantisch, sie glaubt an die eine und einzige Liebe für das ganze Leben, sie benimmt sich im Überschwang nicht immer korrekt und weil ihre Liebe das Allerwichtigste für sie ist, ist sie auch sehr egoistisch. Aber im Buch, und auch in der aktuellen Verfilmung, wird durchaus auch ihre Liebe für ihre Familie deutlich. Und Marianne verhält sich eben nicht total skrupellos, anders als etwa Lydia in P&P würde sie nie mit Willoughby einfach durchbrennen, sie hat ein feines Gespür dafür, was sie von ihrem Liebsten erwarten kann - und dazu gehört eben, dass er sie nicht zu Taten verleitet, die Marianne und/oder ihre Familie unmöglich machen würden. So vernünftig ist sie eben stets doch.
Muck hat geschrieben:
Lucy Steele wird recht gut als ambitioniert dargestellt durch den Satz "I will meet the person that all my happiness depends upon." (Mrs. Ferrars und NICHT Edward).
Sorry, auch Lucy fand ich enttäuschend in dem Film. Sie ist viel zu niedlich und harmlos. "Meine" Lucy, wie ich sie im Buch sehe, ist ein richtiges Biest, berechnend bis in die Haarspitzen, eifersüchtig auf ihren Vorteil bedacht und völlig skrupellos, wenn es darum geht, sich durch Schmeichelei populär zu machen. Im Film ahnt man kaum etwas davon, ich fand sie sogar ganz sympathisch irgendwie.