So, nun habe ich auch endlich P&P05 (synchronisiert) gesehen. Ich muß zugeben, dass ich mit einigen Bedenken in diese Hollywood-Version gegangen bin. Und es ist das eingetreten, was ich eigentlich nicht erwartet hätte: Sie hat mich überzeugt!
Ich finde, dass Austens Roman weitestgehend optimal in den zwei zur Verfügung stehenden Kino-Stunden untergebracht wurde. Dass das Erzähltempo deshalb zwangsläufig sehr hoch ist, lässt sich nun wirklich nicht vermeiden. Wichtig ist, ob die Story trotzdem überzeugend rüberkommt und ob trotzdem noch Austen zu erkennen ist. Und ich finde, das ist der Fall.
Natürlich muss auch diese Verfilmung den Spagat zwischen 200 Jahre alter Romanvorlage und dem Publikum des 21. Jahrhunderts meistern. Deshalb gibt es einige erklärende Einwürfe, die die Handlungen und Umstände näher erläutern. Auch gibt es Hinzugedichtetes, das ich nicht so gelungen bis schier fehl am Platze fand:
Zum Beispiel Lizzys: „Tanzen Sie, Mr. Darcy?“. Warum sollte die kleine Gutsbesitzerstochter Lizzy Bennet mit dem in der hiesigen Gesellschaft Aufsehen erregenden, reichen Mr. Darcy sprechen?
Oder die Szene mit Mr. Bennet, der bei seiner Frau im Bett liegt und sie eher liebevoll ansieht, was die literarische Vorlage (wunderbar von Donald Sutherland angelegt) wieder in Frage stellt.
Oder Mr. Collins Predigt mit dem (in Originalsprache wohl wenigstens noch einigen Sinn machenden) Wortspiel (sexual – social (?)). Typischer Hollywood-Witz, würde ich sagen.
Andererseits finde ich die Idee bemerkenswert, Mr. Collins mal bei einer Predigt voll in Aktion zu zeigen und Lizzy dabei die Unterhaltung mit Colonel Fitzwilliam in Sichtweite zu Mr. Darcy führen zu lassen. Diese Art von „Eigenmächtigkeit“ mit dem Stoff umzugehen, ist die eigene Handschrift des Films, die absolut legitim ist.
Ebenso ist die Zusammenfassung mehrerer Szenen innerhalb des ersten Gesellschaftsballs in Meryton eine gelungene Möglichkeit, den Stoff (aus Zeitgründen) zu verdichten
Man sollte erst gar nicht versuchen, die 95er TV-Version mit dieser zweistündigen Kino-Version zu vergleichen. Das sind zwei verschiedene Schuhe. Jede Verfilmung (wie auch schon die erste Kino-Version von 1940) ist ein Kind seiner Zeit und es jeweiligen Zeitgeschmacks. Sie werden Jane Austen auf ihre Weise gerecht.
Sicherlich ist die Ausstattung (Kulissen wie Kostüme) dieser Kino-Version die heutige Interpretation des Stoffes. Muss aber gestehen, dass mir gerade dieses sehr bodenständig rüberkommende, rüschenlose an dieser Version sehr gefällt.
Keira Knightley sagte dazu in einem Interview (
Kino&Co.):
„Nun, er [der Regisseur Joe Wright] wollte die sozialen Gegebenheiten dieser Zeit (der Film spielt um 1790, Anm.) so authentisch und realistisch wie möglich darstellen. Joe hat das so erklärt: Wenn jemand in 50 Jahren über die heutige Zeit einen Film drehen wird, dann werden die Charaktere höchstwahrscheinlich aussehen wie in den Fashionmagazinen von 2005. Alle sind perfekt frisiert und supermodisch gekleidet. Die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus. Und bei den Leuten im 18. Jahrhundert war das ganz genauso: Oft haben die ja auch versucht, supermodisch zu sein, aber es einfach nicht hingekriegt. Sie hatten keine Dienstmädchen, die ihnen Locken legten, und keine eigenen Schneider. So sehr ich die BBC-Version liebe – aber die Leute darin sehen immer perfekt aus. Richtig unberührbar. In unserem Film sieht man richtige Menschen. Verschwitzt, schlampig und aus Fleisch und Blut.“
Auch ist es, meiner Meinung nach, unfair, die beiden Darcys zu vergleichen. Colin Firth wie auch Matthew Macfadyen interpretieren diesen Charakter jeweils auf ihre persönliche Weise. Und beide haben mich auf ihre Weise überzeugt. Macfadyen wurde schon in Kritiken als zu hölzern beschrieben. Hölzern und linkisch wirkt er auch, eigentlich bis zum Ende es Films. Und das finde ich wiederum so natürlich, weil es eigentlich die SICHTWEISE Lizzys und ergo des Zuschauers ist, die sich ändert und nicht Darcys Persönlichkeit in den Grundfesten.
Und gerade dieser Turn, diese Wendung von Lizzys Meinung über Darcy wurde, meiner Meinung nach sehr überzeugend rübergebracht.
Dazu weicht der Film von der Romanvorlage IMO insofern ab, indem man den Eindruck erhält, dass Lizzy bereits VOR Darcys Antrag in Hunsford ein Auge auf ihn hat oder wenigstens was fühlt, was sie nicht so richtig einordnen kann. (Oder ist das nur meine persönliche Interpretation?). Im Roman fällt sie ja eigentlich erst während des Antrags aus allen Wolken, weil sie vorher absolut keine Ahnung hatte, wie es um Mr. Darcy und seine Gefühle bestellt ist. Im Film hatte ich den Eindruck, sie lehnt ihn wegen der offensichtlichen, schwerwiegenden Charaktermängel ab (Problem Jane und Behandlung Mr. Wickham) und stellt jedwedes Gefühl (sofern vorhanden) hintenan.
Jedenfalls hat mich Keira Knightleys Schauspielkunst gerade zum Ende hin überzeugt. Ob sie anfangs zuviel lacht ist sicherlich Geschmackssache und ihre ureigenste Interpretation der Figur Elizabeth Bennet.
Auch das absolut romantische Ende kommt sehr gut ohne Kuß aus, was ja auch eher Jane Austen entspricht. Vielleicht bin ich ja auch nur dieser Meinung, weil ich durch Eure Vorwarnungen hier darauf vorbereitet war.
Alles in allem eine überzeugende Interpretation von Austens wunderbarem Roman.
Sorry für das lange Statement, aber das musste jetzt mal raus.
Gruß
schlumeline