Mein Verlobter und ich waren bereits um 17:00 vor der Halle. Aber im Gegensatz zu den bisherigen Konzerten, wurden die Fans schon in zwei Lager gespalten. Ich hatte keine Ahnung nach welchem Prinzip, stellte mich also beim hinteren Eingang (vom Parkplatz aus gesehen) an. Und auch hier merkte ich schnell... hier stimmt was nicht. Anstatt sich mit jedem über Gott und die Welt zu unterhalten wie sonst, dröhnten aus den schlechten Handylautsprechern From Yesterday und The Kill. Autsch das tut in den Ohren weh. Langsam beschlich mich der Gedanke „Bin ich hier die älteste?“ Aber nein, vereinzelt blickten mir noch ältere Menschen ins Gesicht. Wenn man sich aber umhörte, hörte man geläster über die Lehrer, die bösen Eltern und fiese kleine Schwestern. Und war da nicht irgendwo ein Gespräch über Tokyo Hotel. War ich vor der falschen Halle? Sicherheitshalber fragte ich noch mal nach. Aber nein, ich war richtig. Hier sollte also in 1 1/2 Stunden das „30 Seconds to Mars“ Konzert stattfinden, auf das ich mich so freute.
Also ging das warten los.... Interessant was man so mitbekommt wenn man blöd in die Gegend guckt. Richtig aufregend wurde es erst, als eine Taube auf das Dach der Konzerthalle flog und alle fünf Minuten ihren Schwanz über den Dachvorsprung hielt und jeder der dort unten wartenden Leute darauf wartete, dass sie doch endlich schiss. Ja, wenn man sowas interessant findet muss es einem extrem langweilig sein. Langsam knurrte auch mein Magen, aber die nächste Imbissbude war weit weit weg... also nix mit Essen.
Dann endlich, die Security geht in Position. Ein Raunen geht durch die Menge.
„Nicht Drängelnd, jeder kommt herein,“ tönte der stämmige Mann dort vorne. Ja klar, aber wo man dann steht ist eine andere Frage.
Die Tore wurden geöffnet und jeder stürmte rein... jeder? Nein... eine kleine Gemeinde von Taschentragenden Menschen - meist Frauen - wurden noch gefilzt. Gott sei Dank haben sie die Miniwasserflasche nicht gefunden die ich ordentlich in meinem Pullover versteckt habe. Die brauchen doch nicht glauben das ich da fünf Stunden ohne ein Schluck Wasser stehe... ne ne ne.
Nachdem ich richtungserprobt gleich die vordere Absperrung ansteuerte (mein Freund immer im Schlepptau) positionierte ich mich direkt in der dritten Reihe auf der rechten Seite. Sonst stand ich immer links direkt vor Tomo, diesmal wollte ich Tim (den Bassisten der nicht zur Band gehört aber was den Fans ziemlich egal ist und ihn sofort in ihr Herz geschlossen haben - er ist aber auch zu knuffig) im Auge behalten.
Der Saal füllte sich. Und man merkte schon wieder dass das Durchschnittsalter der Fans drastisch gefallen ist. Noch bevor irgend jemand auf der Bühne war wurde schon gedrängelt und gegenseitig gestänkert. Und wieder hatte ich zwei Weiber hinter mir, die sich über Tokyo Hotel unterhielten... ungläubig drehte ich mich um. Nein es waren nicht die, die schon vor der Halle meine Nerven damit strapazierten.
Ein plötzliches Kreischen direkt vor mir riss mich aus meiner Trance. Ein in grau gekleideter Securitymann verteilte neongrüne Armbänder an wahllos ausgewählte Fans in der ersten Reihe. Neugierig fragte ich nach.
„Diejenigen, die diese grünen Bänder haben, dürfen nachher zu dem Signing der Band. Eigentlich waren die nur für die Leute der Promo gedacht, aber es sind ein paar übrig.“
Wie... nur Signing für die grünbebebanden Leute? Wo war das Signing für alle Fans das die Band noch beim letzten Konzert gaben, auf dem ich war? Mittlerweile waren mir auch ein paar Mädchen aufgefallen, die eine mit Edding aufgemalte Zahl am Handrücken trugen.
„Was soll die Zahl den bedeuten?“, fragte ich neugierig.
„Die haben die ersten hundert Fans bekommen die bei der Halle waren. Die durften früher rein.“
„Ernsthaft?“
„Eigentlich schon, aber das hat nicht geklappt. Wir wurden alle zusammen mit den anderen eingelassen.“
Wow, ich staune. Die Veranstalter haben sich echt was einfallen lassen um berufstätigen und weit angereisten Fans das Leben zu erschweren.
Nach etwa einer Stunde Wartezeit (und den ein oder anderen blauen Fleck von unachtsam abgestellten Plattfüßen auf den Meinen) kam die Vorband auf die Bühne. Band? Ähm... Da war ein Gitarrist, ein Sänger... und ein Mann der ein schickes Notebook bediente. Mein Verlobter klärte mich nach den ersten Klängen der etwas seltsam anklingenden Musik auf. Diese Musikrichtung nannte sich New Wave „Aber so wie sie zu Anfangszeiten gespielt wurde.“ Mir war das ziemlich schnuppe. Bereits als Kind hatte ich mich erfolgreich gegen „New Wave“ - also elektronische Musik gewehrt. Um mich etwas abzulenken sah ich mir die Mitglieder der „Band“ etwas genauer an (fragt mich nicht wie sie heißen, den Namen der Band muss ich überhört haben). Der Gitarrist machte mir schon etwas Angst wie er so stocksteif dastand mit dem schwarzen Pfeil im Gesicht und dem Grünen Licht das ihm anstrahlte. Und auch der Sänger war seltsam. Nach bereits drei Liedern zog er sich den wirklich (gar nicht) chicen Pulli aus und robbte plötzlich barbusig äh barbrustig über die Bühne. Das tat er ungefähr die nächsten drei Songs lang. Dabei machte er die seltsamsten Verrenkungen. Da ich eifrige Zuschauerin von „Dr. House“ bin fiel meine Diagnose recht schnell. Muskelverkrampfung des Oberkörpers ausgelöst durch zu laute Musik und Diskolicht. Mir taten nur die Leute leid, die hinter mir standen... die sahen nämlich nicht die beharrte Männerbrust dort auf der Bühne.
Nach schätzungsweisen sechs Songs gingen sie von der Bühne und machten Platz für die Techniker die die komplizierte Technik der kommenden Band arrangieren sollten. Um ungestört zu werkeln, platzierten sie ein schwarzes Tuch vor der Bühne. Von nun an konnte man nur noch Schemen sehen. Und das eine geschlagene Stunde lang.
„Hey ich seh nix!“, tönte es hinter mir und ein Gedränge und geschuppse ging los.
„Kein Wunder! Da ist ja noch ein Tuch davor!“, brüllte ich zurück und versuchte mir wieder Luft und standfestigkeit zu verschaffen. Gerade als es wieder ruhiger wurde, blies eine etwa zwanzigjährige blonde Naturschönheit in eine Trillerpfeife. Direkt neben meinem Ohr.
„Könntest du das bitte unterlassen? Das tut in den Ohren weh,“ versuchte ich es höfflich.
„Hey wir sind auf einem Rockkonzert, nicht auf einem Kindergeburtstag.“ Blöd nur dass das letzte mal das ich Trillerpfeifen gesehen und selbst gepfiffen habe, auf einem Kindergeburtstag war. Auf dem meiner zweijährigen Nichte. Ich enthielt mich meines bissigen Kommentars und blickte wieder zur Bühne wo sich immer noch nichts tat. Rockkonzert. War ich wirklich auf einem Rockkonzert? Irgendwie fehlten mir hier die Rocker. Wo waren die langhaarigen Typen die mit ihrer Haarpracht kreise in die Luft malten, wo war das Bier und wo verflixt noch mal waren die Bierdosen? Nein, hier war definitiv einiges falsch.
Die ersten Mädchen wurden aus der Menge gezogen. Die Hitze stieg an und viele hatten seid stunden nichts mehr gegessen und seid fast zwei Stunden nichts mehr getrunken. Die schlechte Luft und die Enge tat ihr übriges. Dennoch muss ich sagen, das die Saalbelüftung nicht schlecht war. Ich hatte es schon schlimmer erlebt. Aber leider auch besser. In London wurden einem die Getränkeflaschen z.B. vor Konzertbeginn nicht weggenommen, nein, man hat sogar noch jedem eine in die Hand gedrückt!
Nach einer Stunde dann endlich die Erkennungsmelodie und die Band betrat die Bühne. Dies war das dritte Mal das ich Jared mit dieser Hose live gesehen habe. Ich war beeindruckt. Das muss wirklich gutes Material sein. Die Jungs nahmen ihre Positionen ein und begannen mit ihrer Aktuellen Single „A Beautiful Lie“. Jedenfalls hörte sich das ein oder andere Melodiechen danach an. Die Tonabmischung war einfach grauenhaft. Nicht das die Jungs falsch gespielt hätten, aber die Tontechniker hatten wohl beim Soundcheck darauf verzichten mal genauer hinzuhören. Denn alles was man wirklich hörte, war das SChlagzeug. Mit einem unglaublich heftigen Hallefekt.
„Ups das war heftig“, dachte ich als Shannon auf die Snaredrum haute. Auch die anderen Instrumente waren mit Effekten überladen. Besonders Jareds E-Gitarre. Tomos E-Gitarre und Tims Bass konnte man kaum aus dem Soundgemisch heraushören. Schade. Aber ich hatte kaum Zeit mich auf die Musik zu konzentrieren. Eine Welle der Begeisterung tat sich beim Anblick Jareds auf und die Menge drückte nach vorne. Entnervt versuchte ich wieder etwas Platz zu bekommen, als ich ungläubig bemerkte, dass das bereits jetzt durchgeschwitzte Mädel hinter mir, meine Schulter als Stativ ihrer Digicam missbrauchte. Artig stand ich ruhig. Soll sie doch ihr nettes Foto bekommen. Nachdem ich das das zehnte Mal gedacht hatte, wurde es mir zu bunt und schüttelte ihren Arm von meiner Schulter. In solchen Momenten lob ich mir Bands wie Linkin Park die generell Fotoapparate auf ihren Konzerten verbot.
Verbissen darauf bedacht meinen Spaß zu haben, begann ich erst vorsichtig, dann etwas mutiger auf und ab zu springen zum Takt der Musik. Ein paar weitere um mich herum versuchten das selbe. Hey das machte Spaß! Das fühlte sich so an wie bei den anderen Konzerten von den Jungs. Gerade als ich richtig loslegen wollte, wurde ich wieder nach vorne gedrückt. Jared war auf eine Box geklettert und nun nur noch einen Meter von der ersten Reihe entfernt... und etwa tausend von allen anderen die nun versuchten diese paar zu vielen Meter zunichte zu machen in dem sie nach vorne drückten. Die ersten fünf Reihen drückten zurück.
Auf der Bühne hingegen vollzog die Band eine seltsame Schau. Nämlich keine. Jared diente sozusagen als Alleinunterhalter. Er rannte von links nach rechts, poste in der Mitte, sprach mit den Fans, lud uns ein mitzumachen und begann wieder zu singen. Nach etwa einer dreiviertel Stunde verließen Tomo, Shannon und Tim die Bühne und überließen Jared obligatorisch nun das Rampenlicht (was er auch vorher schon für sich beanspruchte). Jared bekam seine Westerngitarre in die Hand gedrückt und begann mit „The Fantasy“. Sehr schön. Leider war auch bei seiner Western ein Effekt drauf gepackt.
Mittlerweile hab ich mich daran gewöhnt, dass bei jedem Songanfang die Fans so laut kreischten das ich mich wundern musste, wie sie überhaupt den Song heraushören konnten. Erst jetzt wurde es langsam ruhiger... Aber als Jared „Was it a dream“ zum besten gab, musste er mitten drin zweimal stoppen und neu wieder ansetzen, weil die Fans ihm keine Ruhe für so einen wunderschönen Song gaben.
Danach kamen wieder die anderen Jungs auf die Bühne und es wurde eifrig weitergespielt. Und es war genauso wie vor den ruhigen Songs. Lautes Gekreische der Fans, laute „JARED“ Rufe und die Trillerpfeife neben meinem Ohr. Nach 1 1/2 Konzerten war das Konzert vorüber. Wie immer gab es keine Zugabe. Besonders enttäuscht war ich davon, dass kein neuer Song gespielt wurde, denn es gibt neue.
Nach und nach drängelten die Fans nach draußen. Bis auf jene glückliche mit den Grünenbänden die ja auf das Signing durften. Da ich aber weder ein grünes Bändchen hatte noch den nerv noch stundenlang auf die Band vor der Halle zu warten wie ich es sonst immer getan habe, bin ich dann auch gleich abgedampft und habe mich zusammen mit meinem Verlobten in ein Burgerking gesetzt und etwas Gegessen. Ich hatte echt keine Lust mich mit solchen Fans später noch um die ach so heilige Gunst der Band zu streiten nur um ein Foto zu bekommen.
Jetzt sitze ich gemütlich vor meinem Computer, höre mir das Album „30 Seconds to Mars“ an und schwelge in Erinnerungen an die Zeit, als sie noch nicht so groß waren in Deutschland. Als die Fans wirklich noch eine große Familie waren, man scih gegenseitig geholfen hat und nicht versucht hat sich zu übertrumpfen. Aber anscheinend ist mit dem Erfolg der Band der „Kiddie“-Faktor größer geworden und die Echelon nur noch der Harte Kern der auch keine Lust mehr hat auf das getue. Vielleicht liegt‘s aber tatsächlich auch an Deutschland. An die miesen Veranstalter. Aber vielleicht, aber nur vielleicht, liegt‘s auch an der Band... und an einen selbstverliebten Sänger der mit dem Erfolg der Musik noch egoistischer wurde, als er es vom es schon vorher war wegen seiner Filme.
Ich war das letzte Mal auf einem Deutschlandkonzert der Band. Die Geilsten Konzerte die ich bis jetzt von ihnen gesehen habe, waren in London und der Schweiz. Das nächste mal werde ich garantiert wieder dort in der Menge zu finden sein.
Außerdem hoff ich, mein Bericht hat euch nicht ermüdet