@Caro: Wenn das damals so war, frage ich mich, ob der Begriff Gentleman nicht allzuoft idealisierend benutzt wird. Mit der Realität, wie wir sie kennen, hatte das ja offenbar nichts zu tun. Ein Willoughby wäre doch wohl für jeden ein Schuft, wenn auch ein charmanter, oder? Ich will damit nicht sagen, dass nicht auch heute ein "Gentleman" einen One-Night-Stand haben könnte, aber wenn man bedenkt, welche Folgen das damals für die Frau hatte, kann man das wohl nicht vergleichen. Vielleicht war ein Gentleman nie, was wir uns darunter gerne vorstellen?
Melody Joy hat geschrieben:
Ich definiere einen Gentleman in der heutigen Zeit als jemand, dessen ganze Lebenshaltung von "gentleness" also Freundlichkeit, Liebenswürdigkeit und Sanftmut durchwoben ist. Man ist nicht zwingend ein Gentleman, weil man sich zu benehmen weiss, aber kein wahrer Gentleman lässt es in dieser Beziehung an Etikette fehlen. Ein Gentleman, wie ich das Wort in der heutigen Zeit definiere, ist jemand der grundsätzlich Menschen mit Achtung und Respekt begegnet, egal welchen Hintergrund die Person aufweist, denn er macht seinen Lebensstil nicht davon abhängig, ob seine Umgebung ihm mit derselben Achtung und Anstand entgegen kommt, er tut es, weil er sich sonst selbst nicht mehr im Spiegel ansehen könnte.
Das finde ich ehrlich gesagt auch ein wenig optimistisch. Wo doch gerade Du sehr richtig darauf hinweist, dass zum Gentleman auch die Dame gehört: Es ist leicht, sehr höflich und zuvorkommend zu sein, wenn mein Gegenüber es auch ist. Wer sich mir gegenüber unverschämt benimmt oder durch sein Verhalten auch sonst zeigt, dass er Höflichkeit nicht verdient, kann keine übermäßige Freundlichkeit erwarten. Auch Mr. Darcy hatte allergrößte Mühe, Wickham gentlemanlike zu behandeln - ohne Lizzy (bzw. Lydia) hätte er ihn wohl am liebsten zum Teufel gejagt. Du hast aber einen Begriff benutzt, den ich auch für ziemlich zentral halte: Anständigkeit. Wenn man einen Menschen trifft, der sich trotz immerhin nicht selten widriger Umstände halbwegs anständig verhält, ist das vielleicht kein Prinz oder keine Prinzessin, aber allemal besser als so mancher Frosch oder manches Froschweibchen.
Ansonsten habe ich zunehmend das Gefühl, ich sollte mich aus dieser Debatte raushalten... Aber eine Anmerkung noch: Ich hab noch niemals erlebt, dass ich mit ein paar Kumpels am Tresen sitze und nach dem fünften Bier einer tief ins Glas blickt und mit einem langen Seufzer sagt: "Warum nur gibt es keine richtigen Damen mehr?" Sollte uns das nicht zu denken geben? Ich glaube, nein.